Alzheimer im Mini-Gehirn

Sophia Meermeyer und Thorsten Müller untersuchen einen Gehirnschnitt aus dem menschlichen Hippocampus. Dieses Gewebe ist von Morbus Alzheimer mit am ehesten betroffen. © Roberto Schirdewahn (Dieses Foto darf nur für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum im Kontext dieser Presseinformation verwendet werden.)

Ausgangssubstanz für beide Arten von Ablagerungen ist das amyloide Vorläuferprotein APP. Es ist eingebettet in die Zellmembran der Nervenzellen, aus der es sowohl außen als auch innen herausragt. Normalerweise wird es nur einmal nahe der Mitte gespalten. Der innerhalb der Zelle abgespaltene Teil ist instabil und zerfällt.

Zwei Spaltungen führen zu Ablagerungen

Bei Alzheimer-Patienten wird das Protein zweimal gespalten und zerfällt dadurch in drei Teile. Die mittleren Teilstücke mehrerer dieser Spaltungen verklumpen miteinander und bilden die für Alzheimer typischen Plaques außerhalb der Nervenzellen.

Der abgespaltene Teil im Inneren der Zelle ist stabil. Seine Interaktion mit einem anderen Protein führt über Zwischenschritte letztlich dazu, dass dieser Rest in den Zellkern wandert. Dort sammeln sich mit der Zeit solche Reste an und bilden Komplexe. „In Zellkulturexperimenten führt das dazu, dass die Zelle abstirbt“, so Müller.

Mit der Schlussfolgerung, dass das tatsächlich der Weg ist, auf dem Alzheimer entsteht, ist er aber sehr vorsichtig. Denn zwischen Zellkultur und lebendem Gehirn besteht ein großer Unterschied.

Organoide funktionieren wie kleine Gehirne

Diese Kluft kleiner zu machen ist Ziel einer neuen Methode. Sogenannte Organoide aus Stammzellen, die man aus einem erwachsenden Organismus gewinnen kann, funktionieren wie ein Mini-Gehirn.

Mit verschiedenen Tricks können die Forscher die Mini-Gehirne auch künstlich altern lassen. Das gelingt zum Beispiel durch oxidativen Stress, der sich durch die Zugabe von Wasserstoffperoxid hervorrufen lässt, oder durch UV-Bestrahlung, die zu vermehrten Schäden im Erbgut führt.

Markierungen in die Geninformation einbauen

Der besondere Kniff der Bochumer Gruppe liegt darin, dass sie die Stammzellen, aus denen die Mini-Gehirne entstehen, genetisch verändern. „Wir nutzen dafür die Crispr/Cas-Methode, die sogenannte Genschere“, erläutert Thorsten Müller. „Wir schalten aber nicht einfach einzelne Gene aus, wie das viele andere machen, sondern wir fügen gezielt Bestandteile ein.“

Dabei handelt es sich um Marker wie zum Beispiel das grün fluoreszierende Protein, kurz GFP, oder andersfarbige Markierungssequenzen. Indem die Forscher diese verschiedenfarbigen Marker beispielsweise genau an den Anfang und das Ende der Gensequenz einfügen, die den Bauplan für das APP enthält, können sie später genau verfolgen, wohin sich das Protein oder seine gespaltenen Teile bewegen.

Prüfung am lebenden System

Das erlaubt es erstmals, die in Zellkultur gewonnenen Ergebnisse am lebenden System zu überprüfen. „Mit den gehirnähnlichen Geweben, die im Labor gezüchtet werden, haben wir nun die Chance, für die Alzheimerforschung, die aktuell wieder ganz am Anfang steht, neue Erkenntnisse zu gewinnen“, erklärt Thorsten Müller. Nicht zuletzt kann ein solches System viele Tierversuche unnötig machen, auf die Forscher mangels Alternativen zurückgreifen mussten.

Ausführlicher Beitrag in Rubin

Einen ausführlichen Beitrag zum Thema finden Sie im Wissenschaftsmagazin Rubin unter https://news.rub.de/wissenschaft/2019-04-30-biochemie-alzheimer-im-mini-gehirn.

Texte auf der Webseite und Bilder aus dem Downloadbereich dürfen unter Angabe des Copyrights für redaktionelle Zwecke honorarfrei verwendet werden.

Redaktion: Meike Drießen

Dr. Thorsten Müller
Arbeitsgruppe Cell Signalling
Lehrstuhl Molekulare Biochemie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24404
E-Mail: thorsten.t.mueller@rub.de

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