Afrikanische Schildkröte: Bedrohter, als gedacht

Die „echte“ Pelomedusa subrufa bleibt mit einer Panzerlänge von meist unter 14 cm relativ klein und ist ein Überlebenskünstler: Sie kann Trockenzeiten bis zu 6 Jahre lang vergraben überstehen. A. Schleicher

Die Sumpfschildkröte Pelomedusa subrufa fühlt sich in kleinen, stehenden Gewässern wohl, kann aber – indem sie sich vergräbt – auch Trockenphasen jahrelang überdauern. Die maximal etwa 30 Zentimeter langen Panzerträger sind weitverbreitet.

Man findet sie von Südafrika bis in die Sahelzone, in Madagaskar und auf der Arabischen Halbinsel. Diese große Verbreitung und ihre Fähigkeit, Trockenzeiten gut zu überstehen, brachten den Schildkröten den Ruf ein, „ungefährdet“ zu sein.

„Unsere Forschungen zeigen aber, dass die bisherigen Auffassungen grundfalsch sind“, sagt Prof. Dr. Uwe Fritz, Direktor bei Senckenberg Dresden. Gemeinsam mit einem internationalen Wissenschaftlerteam hat er die Schildkröten mit morphologischen Methoden und modernster molekulargenetischer Technik untersucht. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es sich hier nicht um eine, sondern um mindestens zehn, eventuell sogar um noch mehr verschiedene Arten handelt“, erklärt Fritz.

Insgesamt haben die Dresdner Wissenschaftler rund 350 Schildkröten unter die Lupe genommen und etwa 200 davon genetisch untersucht. Unter anderem wurden auch Proben von – zum Teil über hundert Jahren alten – Exemplaren aus verschiedenen naturkundlichen Museen genetisch analysiert.

„Bisher galt die Pelomedusen-Schildkröte als extrem weit verbreitet und deswegen ungefährdet, da man dachte, dass in ganz Afrika dieselbe Art vorkommt. Unsere Untersuchung zeigt, dass es viele Arten gibt und dass die Verbreitungsgebiete der einzelnen Arten sehr viel kleiner sind“, erläutert Fritz. „Deswegen sind manche Arten wahrscheinlich wesentlich gefährdeter, als bisher gedacht“. Eine der neu beschriebenen Schildkröten ist aufgrund der Wasserknappheit in ihrer Heimat, der südwestlichen Arabischen Halbinsel, wahrscheinlich sogar akut vom Aussterben bedroht.

Fritz bedauert, dass derartige Forschungen in Zukunft womöglich nicht mehr durchgeführt werden können. „Aktuell wird auf europäischer und deutscher Ebene eine Änderung der Nutzung genetischer Ressourcen gesetzlich festgeschrieben, die eigentlich dazu dienen soll, dass sich keiner an genetischen Daten anderer Länder bereichern kann“, erzählt der Dresdner Biologe. „Der Gesetzesentwurf zielt zum Beispiel auf Pharma-Firmen ab, die Wirkstoffe für Arzneimittel von anderen Ländern zum ‚Nulltarif räubern‘.“

Er befürchtet, dass der gut gemeinte Riegel, den man diesem Vorgehen vorschieben wollte, echten Schaden anrichtet, weil damit die Biodiversitätsforschung massiv erschwert wird. meint Fritz.

Saudi-Arabien wird nun wahrscheinlich für die bedrohte Pelomedusen-Schildkröte Maßnahmen ergreifen, um die gefährdete Art vor dem Verschwinden zu bewahren.

„An Schutzmaßnahmen für diese Schildkröte hätte ohne unsere Ergebnisse aber niemand gedacht, weil man bislang dachte die arabischen Schildkröten seien dieselbe Art wie in ganz Afrika. Die Nutzung von genetischen Material ist deshalb für unsere Forschung und zum Erhalt der Biodiversität unumgänglich!“, fasst Fritz zusammen.

Kontakt
Prof. Dr. Uwe Fritz
Senckenberg Naturhistorische
Sammlungen Dresden
Tel. 0351 – 795841 4326
Uwe.Fritz@senckenberg.de

Judith Jördens
Pressestelle
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Tel. 069- 7542 1434
pressestelle@senckenberg.de

Publikationen
Uwe Fritz, Alice Petzold, Christian Kehlmaier, Carolin Kindler,
Patrick Cambell, Margaretha D. Hofmeyr & William R. Branch (2014): Disentangling the Pelomedusa complex using type specimens and historical DNA (Testudines: Pelomedusidae). Zootaxa 3795 (5): 501–522

Alice Petzold, Mario Vargas-Ramirez, Christian Kehlmaier, Melita Vamberger,
William R. Branch, Louis du Preez, Margaretha D. Hofmeyr, Leon Meyer, Alfred
Schleicher, Pavel Široky & Uwe Fritz (2014): A revision of African helmeted terrapins (Testudines: Pelomedusidae: Pelomedusa), with descriptions of six new species. Zootaxa 3795 (5): 523–548

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