Nur ein Zahlenspiel? Von Risiken und Nebenwirkungen statistischer Zahlen in der Arzt-Patienten-Kommunikation

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Dartmouth Medical School weisen in der Novemberausgabe der Fachzeitschrift Psychological Science in the Public Interest auf die Tücken im Umgang mit Statistiken hin und geben einfache Hinweise zum besseren und leichteren Verständnis.

Angaben über Wirksamkeit und Risiken von Medikamenten, über neue diagnostische und therapeutische Methoden füllen nicht nur die Boulevardpresse und Patientenratgeber. Auch Ärzte müssen täglich auf der Basis statistischer Angaben Entscheidungen über den weiteren Behandlungsweg treffen. In ihrem Artikel weist das Wissenschaftlerteam darauf hin, dass Fehlinterpretationen statistischer Angaben meist zwei Ursachen haben: Sie beruhen zum einen auf fehlenden statistischen Grundkenntnissen und zum anderen auf der oft missverständlichen und teilweise bewusst irreführenden Darstellung der Angaben.

Dass das Missverstehen von Statistiken fatale Folgen haben kann, zeigen die Autoren anhand mehrerer Beispiele. So führten 1995 Berichte der britischen Presse über das doppelt so hohe Thromboserisiko bestimmter Antibabypillen zu panischer Verunsicherung bei Frauen, die teilweise die Pille spontan absetzten. Man schätzt, dass ungefähr 13.000 zusätzliche Abtreibungen in England und Wales im Folgejahr darauf zurückzuführen sind. Hätten die Medien nicht relative Risikoangaben verwendet („Das Risiko steigt um 100%“), sondern stattdessen das absolute Risiko angegeben(„statt 1 erleiden 2 von je 7.000 Frauen eine Thrombose“) wäre der Sachverhalt besser verständlich gewesen und die Panik hätte wahrscheinlich vermieden werden können.

Aber nicht nur medizinische Laien haben Probleme, statistische Zahlen richtig zu verstehen. Auch Ärzte, so zeigt das Autorenteam, lassen sich von bedingten Wahrscheinlichkeiten verwirren und haben zum Beispiel bei einem diagnostischen Test Probleme abzuleiten, wie vorhersagekräftig ein positives Ergebnis für das Vorliegen von Dickdarmkrebs ist. Werden ihnen die dafür benötigten Informationen jedoch in natürlichen Häufigkeiten angegeben, erleichtert ihnen das nicht nur das Bewerten von Testergebnissen, sondern versetzt sie auch in die Lage, den Sachverhalt ihren Patienten verständlich und transparent mitzuteilen. Diese und andere Beispiele verdeutlichen, dass transparente Darstellungen ein wesentlicher Schlüssel zu erfolgreicher Kommunikation von statistischen Informationen sind.

Die Autoren gehören zu einem internationalen und interdisziplinären Team von Psychologen – Gerd Gigerenzer, Wolfgang Gaissmaier und Elke Kurz-Milcke, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Harding Center for Risk Literacy, Deutschland – und Medizinern – Lisa M. Schwartz und Steven Woloshin, Dartmouth Medical School, USA.

Hintergrundinfos

MPI für Bildungsforschung
Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.
Artikel
Gigerenzer et al.: Helping Doctors and Patients Make Sense of Health Statistics in: Psychological Science in the Public Interest, Vol 8, No 2, 2008: 53-96 To read the full report on health statistics, please contact Catherine West at cwest@psychologicalscience.org .
Harding Center for Risk Literacy
Im Fokus des Forschungsinteresses werden der Mensch und die Wahrnehmung statistischer Risiken stehen. Ermöglicht wird die Gründung des Zentrums durch den Londoner Investmentbanker David Harding, der Institutsdirektor Prof. Dr. Gerd Gigerenzer Forschungsgelder in Höhe von 1,5 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Die Max-Planck-Gesellschaft stellt im Gegenzug die gesamte Infrastruktur für das neue Zentrum. Die offizielle Eröffnung des Harding Center for Risk Literacy wird im Frühjahr 2009 stattfinden.

Media Contact

Hanna Thon Max-Planck-Institut

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