Neuer Sonderforschungsbereich „Produkt-Regeneration“

Wenn ein Flugzeug nicht fliegt, sondern gewartet wird, kostet das Geld – viel Geld. Trotzdem wird gerade die Wartung der höchst komplexen und stark beanspruchten Triebwerke eines Flugzeugs auch heute noch weitgehend manuell durchgeführt. Die Turbinenschaufeln werden ausgebaut, eine Fachkraft begutachtet sie und entscheidet, ob beschädigte Schaufeln repariert oder ersetzt werden.

„Die Regeneration wird teils händisch und nach Ermessen durchgeführt und fällt daher bei jeder Fachkraft anders aus“, erklärt Oliver Kleppa, Geschäftsführer des neuen Sonderforschungsbereichs (SFB) und Ingenieur am Institut für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik (TFD). Diese Art der Entscheidungsfindung ist teuer und kaum reproduzierbar. Bei Reparaturen werden in der Regel Einzelteile betrachtet, nicht aber die Maschine als Ganzes. Das ist kein esoterisches Argument: Wenn sogar ein neuer Autoreifen auf einer Felge eine Unwucht hervorrufen kann, können in einem komplexen Triebwerk einzelne neue oder überarbeitete Komponenten in komplexen Gesamtsystemen erst recht Schaden anrichten.

Der neue Sonderforschungsbereich, der mit vollem Titel „Regeneration komplexer Investitionsgüter“ heißt, will all diese Nachteile beheben. Er ist am Institut für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik der Leibniz Universität Hannover federführend angesiedelt und hat am Mittwoch, 18. November 2009, grünes Licht von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bekommen – und damit 10 Millionen Euro für zunächst vier Jahre. Ihre Ergebnisse wenden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neben Triebwerken auch auf andere „komplexe Investitionsgüter“ an: Windkraftanlagen, Werkzeug- und Druckmaschinen.

Die Motivation der Forscherinnen und Forscher skizziert Prof. Jörg R. Seume, Sprecher des SFB und Leiter des Instituts für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik (TFD): „Es ist völlig inakzeptabel, dass beim heutigen Stand der Technik der Anteil verschrotteter Komponenten bei den Investitionsgütern so hoch ist, dass nur wenige, zumeist unflexible Reparaturverfahren existieren und dass Erkenntnisse aus der Produktneuentwicklung in die Regeneration kaum einfließen. Und das alles vor dem Hintergrund, dass in Deutschland mehr als die Hälfte der Wertschöpfung im produzierenden Gewerbe mit Investitionsgütern erwirtschaftet wird.“

Was kann der SFB daran ändern? Es beginnt damit, dass die Forscherinnen und Forscher daran arbeiten, möglichst frühzeitig Verschleiß von Komponenten in einem Triebwerk zu erkennen, ohne sie auseinanderzubauen, etwa indem sie den Abgasstrahl analysieren. Für die Befundung einzelner Komponenten sollen Regeln entstehen, Regenerationsvarianten sollen simuliert werden. So lassen sich etwa eine teure, aber mit langer Lebenserwartung und großen Energieeinsparungen verbundene Reparatur und eine günstige mit mittlerer Prognose vom Kunden gegeneinander abwägen. Außerdem lässt sich in der Simulation auch das Gesamtsystem betrachten: Wenn zum Beispiel Turbinenschaufeln ersetzt werden müssen, lässt sich ermitteln, wie hoch die Einsparung an Kerosin des Gesamtsystems Triebwerk ist und wie stark damit die Umwelt entlastet werden kann. Das Ergebnis sind Ressourcenschonung, Zeitersparnis und Qualitätsgewinn.

Mit den Sonderforschungsbereichen finanziert die Deutsche Forschungsgemeinschaft nach Urteil der Gutachter „die wissenschaftliche Qualität und Originalität eines anspruchsvollen, aufwendigen und langfristig konzipierten Forschungsvorhabens auf internationalem Niveau“. An diesem neuen SFB 871 beteiligen sich sieben Maschinenbau-Institute der Leibniz Universität, darunter drei am Produktionstechnischen Zentrum, außerdem das Institut für Statik und Dynamik der Fakultät für Bauingenieurwesen und das Institut für Produktionswirtschaft der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.

Media Contact

Dr. Stefanie Beier Leibniz Universität Hannover

Weitere Informationen:

http://www.uni-hannover.de

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