Kompetenz entfalten statt Fakten pauken – neue Wege für die Schule im Wald

Da ist der Forst keine Ausnahme. Ebensowenig wie Polizei und Militär, Autoindustrie und Maschinenbau. Wenn auch unterschwellig, so werden Frauen doch nach wie vor Eigenschaften wie „intuitiv“, „willig“ und „empathisch“ zugeschrieben; während „durchsetzungsfähig“, „führungsstark“ und „konkurrenzaffin“ nicht auf der Liste stehen.

Und steigen Frauen in Männerdomänen ein, tragen sie nicht zuletzt selbst zu dieser Neutralisierung bei: Was zählt ist „das Können“, weibliche Attribute in Kleidung und Auftreten verändern sich ins Business-Schwarz. Auf diese Art bleibt der soziale Unterschied zwischen den Geschlechtern ohne Frage. Noch immer.

Das sind die Strukturen, in denen die Forschergruppe „Waldwissen“ die Frage stellte: Welche Bedeutung kommt „Natur“ aus jeweils geschlechtsspezifischer Perspektive zu? Als eines von 25 Forschungsvorhaben im BMBF-Förderschwerpunkt „Nachhaltige Waldwirtschaft“ kam dem Projekt eine gewisse Alleinstellung zu. Nicht nur, dass „Waldwissen“ zu den originär sozialwissenschaftlich ausgerichteten Vorhaben gehörte; der Verbund nahm sich mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Wald und Gender auch eines Themas an, dessen gesellschaftliche Hochzeit eher in den 1990er Jahren liegt. Doch die Zahlen, und nicht allein diese, sprechen nach wie vor für sich.

Entscheiden sich junge Menschen für ein Studium der Forstwissenschaften, begründen dies die meisten mit der Auskunft: „Ich war schon immer viel mit Natur unterwegs.“ Hinzu kommt häufig noch der Einfluss einer wichtigen Bezugsperson und/oder der familiären Berufstreue. Dabei wird der Bezug auf die Natur als etwas Selbstverständliches erlebt und beschrieben, der keiner weiteren Erklärung bedarf. Weder wird die Werthaltung gegenüber der Natur, die aus der Familie erwächst, wahrgenommen noch das Wissen über die Natur, das während des Studiums vermittelt wird, hinterfragt. „Erst in unseren Interviews zeigte sich, dass es dann doch Unterschiede zwischen jungen Männern und Frauen gibt“, führt Dr. Christine Katz aus. Sie leitet den Verbund „Waldwissen“, an dem auch die Universität Freiburg beteiligt ist, von der Leuphana Universität Lüneburg aus. Während die befragten Männer sich tendenziell eher absolut auf die Natur beziehen, diese als „Referenzwert, als Lebensstichwort schlechthin“ begreifen, ist für Frauen das Verhältnis zur Natur eher relativ – pragmatisch befinden sie, dass eine Tätigkeit im Wald besser sei als im Büro zu sitzen. Wechseln die Absolvent/innen dann in den Forst und die Forstverwaltung, nehmen sie diese Haltung des Selbstverständlichen mit. Auch in jenen Bereich, in dem die nächste Generation ihre (ersten) Erfahrungen mit Umwelt, Natur, Wald macht – in die Umweltbildung und Waldpädagogik.

Angesichts des unreflektierten Tradierens ist es kaum verwunderlich, dass sich in Umweltbildung und Waldpädagogik die gängigen Stereotype wiederfinden: Wenn im Forstcamp Holz fürs Hüttenbauen gesucht werden soll, werden die Jungs losgeschickt und das Laub zum Polstern des Bodens holen die Mädchen. Zwar gibt es durchaus Waldpädagoginnen und Umweltbildner, die diese Schemata mit einer individualisierten Pädagogik jenseits von Herkunft, Bildung und Geschlecht zu begegnen versuchen, die sich als Träger eines wertneutralen Wissens um Wald und Natur und damit als wertneutrale Akteure verstehen. Doch aus der Bildungsforschung ist hinlänglich bekannt, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich an eine Aufgabe herangehen – während die einen nach dem Motto „trial and error“ umgehend auf ein Ziel losgehen, gruppieren sich die anderen, stimmen sich miteinander ab und machen sich dann ans Werk. Und während Mädchen in ihrer Arbeitsweise eher selbstsanktionierend vorgehen, sind Jungen vorrangig auf Wettbewerb orientiert. „Um das zu sehen und im Folgenden in die waldpädagogische Arbeit einzubeziehen, braucht es eine andere, eine fundierte Ausbildung“, erläutert Biologin Katz.

Schaut man in die Realität der forstlichen Umweltbildung, resp. waldbezogenen Pädagogik, so zeigt sich, dass wenige Jahre nach den Forstreformen in den Bundesländern die betreffenden Stellen häufig mit Teilzeit und geringer Bezahlung verbunden sind und nicht selten als „Ablade“ für einstige Förster und Revierleiter genutzt wurden. Auch wenn es danach klingt, der Anteil der Frauen ist trotzdem „gar nicht so hoch“ wie erwartet. Die vielen Stellen in freier Mitarbeit sind allerdings nahezu ausschließlich von Frauen besetzt. Es sind die Strukturen auch innerhalb der Forstverwaltung, die geradezu einladen, eine typische Frauendomäne zu begründen.

Doch hier könnte sich ein aktueller Paradigmenwechsel – im positiven Sinne – als Hemmschuh erweisen. In der Umwelt- und damit in der Waldpädagogik wird derzeit um die Hinwendung zur „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) gerungen. Künftig sollen Kompetenzen in der Gestaltung von Lebensbereichen statt Fakten und Informationen vermittelt werden. Statt ums Bestimmen von Laubbäumen anhand ihrer Blätter geht es darum, sich bspw. über den Erhalt (der gleichermaßen ein Wandel sein muss) des Waldes angesichts von Klimawandel und Industrieimmissionen den Kopf zu zerbrechen. Es geht also um Haltungen, Meinungen, Werte – und diesen Raum zur Ausprägung und Entfaltung zu geben, dafür bedarf es einer hochwertigen pädagogischen Ausbildung. „Wird Bildung für nachhaltige Entwicklung ernst genommen, dann bedeutet das, die Akteure vor allem in Methodik und bezogen auf ein Bildungsverständnis zu qualifizieren, das am Subjekt ansetzt“, verdeutlicht Dr. Christine Katz die Konsequenzen. Und das schließt die Sensibilisierung u. a. für die Thematik Gender ein. „Wobei die Sensibilisierung an der eigenen Person ansetzt.“

Es wird ein langer Weg sein, um Kompetenzen zu entwickeln statt allein Wissen zu vermitteln, vermutet Dr. Katz. Um den zu gehen, braucht es eines klaren Signals aus den Forstverwaltungen, einer politischen Entscheidung für Wald als geradezu klassisches Themenfeld der BNE und einer gesellschaftlichen Verankerung in Schulen und Bildungseinrichtungen.

Der Forschungsverbund „Waldwissen und Naturerfahrungen auf dem Prüfstand“ gehört als eines von 25 Verbundprojekten zum Förderschwerpunkt „Nachhaltige Waldwirtschaft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das BMBF finanziert den Förderschwerpunkt im Zeitraum 2004 bis 2010 mit rund 30 Millionen Euro. Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ ist die Wissenschaftliche Begleitung und Koordinierung des Förderschwerpunktes angesiedelt. Aufgabe der Wissenschaftlichen Begleitung ist es, auf nationaler und europäischer Ebene ein Netzwerk für Wissenschaft und Praxis zu schaffen und zu koordinieren; von hier aus wird auch die Öffentlichkeitsarbeit für den Förderschwerpunkt gesteuert. In seiner Gesamtheit befasst sich der Förderschwerpunkt vor allem mit drei Fragestellungen: Wie kann die Wertschöpfungskette Forst-Holz sowohl gewinnorientiert als auch ökologisch verträglich und sozial gerecht optimiert werden? Wie können Waldlandschaften so genutzt werden, dass die Lebensqualität der Menschen verbessert wird und gleichzeitig die Ressourcen langfristig gewährleistet sind? Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Information und Kontakt:
BMBF-Forschungsverbund „Waldwissen“
Leuphana Universität Lüneburg, FB Umweltwissenschaften
Institut für Umweltstrategien, Umweltplanung
Dr. rer. nat. Christine Katz
Scharnhorststr. 1, 21335 Lüneburg
Tel.: 04131/782966
E-Mail: waldfrauen@uni-leuphana.de
Internet: www.wa-gen.de
oder
Wissenschaftliche Begleitung zum BMBF-Förderschwerpunkt „Nachhaltige Waldwirtschaft“
Daniela Weber
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1791
E-Mail: daniela.weber@ufz.de
Internet: www.nachhaltige-waldwirtschaft.de
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 16 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

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Daniela Weber idw

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