DFG richtet zwölf neue Sonderforschungsbereiche ein

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet zwölf weitere Sonderforschungsbereiche (SFB) ein. Dies beschloss jetzt der zuständige Bewilligungsausschuss der DFG auf seiner Frühjahrssitzung in Bonn. Die neuen SFB werden mit insgesamt 94 Millionen Euro für zunächst drei Jahre und neun Monate gefördert. Hinzu kommt eine jeweils 20-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten, die sich aus den Forschungsprojekten ergeben.

Themen der neu bewilligten SFB sind unter anderem der soziokulturelle Umgang mit Öl, Metallen, Nahrung und anderen natürlichen Ressourcen in alten Kulturen und der modernen Gesellschaft, pathogene Pilze und durch sie ausgelöste Infektionen oder die elementaren Schritte der Energiewandlung in Materialien. Weitere Einrichtungen wollen die wissenschaftlichen Grundlagen für neue Technologien zur CO2-Abscheidung oder neue Wege der Tumortherapie legen.

Drei der zwölf neuen Verbünde sind SFB/Transregio (TRR), die sich auf mehrere Forschungsstandorte verteilen. Zusätzlich zu diesen Einrichtungen stimmte der Bewilligungsausschuss für die Verlängerung von 20 SFB für jeweils eine weitere Förderperiode. Die DFG fördert damit ab Oktober 2013 insgesamt 232 Sonderforschungsbereiche.

Neben seinen Förderentscheidungen diskutierte der Bewilligungsausschuss auch intensiv über finanzielle Rahmenbedingungen. Angesichts der vor allem in der Einzelförderung stark steigenden Antragsvolumina sieht sich die DFG in der Verantwortung, die Balance zwischen ihren Förderprogrammen im Blick zu behalten, ohne die Funktionsfähigkeit einzelner Programme und Projekte zu gefährden. Der Bewilligungsausschuss folgte daher einem Vorschlag von DFG-Präsident Strohschneider als Ausschussvorsitzendem, der zwei finanztechnische Maßnahmen vorsieht: ein Moratorium für zusätzliche Anträge im Rahmen laufender SFB („Nachanträge“) bis Ende 2014 und eine Verkürzung der ersten Förderperiode für alle bis einschließlich Mai 2014 neu bewilligten SFB um drei Monate. Die durch diese Maßnahmen bis Ende 2014 frei werdenden Mittel in Höhe von etwa 35 Millionen Euro sollen in die Einzelförderung fließen.

Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen
(in alphabetischer Reihenfolge ihrer Sprecherhochschulen)

Trotz der mit der Energiewende verbundenen Umstellung auf regenerative Energien wird weiterhin auch der Rückgriff auf fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdgas unverzichtbar bleiben. Das dabei freigesetzte CO2 gilt es im Interesse der Umwelt aber zu reduzieren. Hier setzen „Carbon Capture and Storage“-Methoden an, etwa die sogenannte Oxyfuel-Verbrennung. Sie ist eine der vielversprechendsten Technologien zur CO2-Abscheidung: Der Brennstoff wird dabei anstelle von Luft mit einem Gemisch aus Sauerstoff und Rauchgas verbrannt. Der SFB/Transregio „Oxyflame – Entwicklung von Methoden und Modellen zur Beschreibung der Reaktion fester Brennstoffe in einer Oxyfuel-Atmosphäre“ will diese Technologie grundlegend erforschen.
(Sprecherhochschule: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Sprecher: Professor Dr.-Ing. Reinhold Kneer; außerdem beteiligt: Ruhr-Universität Bochum, Technische Universität Darmstadt)

Der SFB „Nanocarrier: Architektur, Transport und zielgerichtete Applikation von Wirkstoffen für therapeutische Anwendungen“ legt seinen Schwerpunkt auf die Behandlung von entzündlichen Hauterkrankungen durch wirkstoffbeladene Trägersysteme aus dem Nanogrößenbereich: den sogenannten Nanocarriern. Für eine erfolgreiche topische, also örtliche, äußerliche Therapie ist die Aufnahme von Wirkstoffen bedeutsam – ihre Konzentration am Wirkort bei gleichzeitiger Reduktion systemischer Wirkungen erscheint dabei am effizientesten. Das erklärte Forschungsziel des SFB ist es, die nanoskopischen Trägersysteme ebenso zu optimieren wie die Konzepte der topischen Therapie insgesamt.
(Sprecherhochschule: Freie Universität Berlin, Sprecher: Professor Dr. Eckart Rühl; außerdem beteiligt: Charité Berlin, Helmholtz-Zentrum Geesthacht: Institut für Polymerforschung Teltow)

Ein neurowissenschaftliches Themenfeld greift der SFB „Funktion synaptischer Mikronetzwerke und deren Störungen bei Erkrankungen des Zentralnervensystems“ auf: Er hat das Ziel, (patho-)physiologische Eigenschaften und Funktionsweisen synaptischer Mikronetzwerke zu analysieren. Aus diesen Netzwerken bauen sich die komplexen Eigenschaften des Gehirns auf. Bislang ungeklärt ist jedoch, wie die unterschiedlichen zellulären und synaptischen Elemente eines solch neuronalen Netzwerkes interagieren. An den beteiligten Institutionen in Bonn und in Israel will man insbesondere Mikronetzwerke im gesunden Organismus mit Zuständen bei neuronalen Erkrankungen wie der Epilepsie und der Alzheimerkrankheit vergleichen.
(Sprecherhochschule: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Sprecher: Professor Dr. Heinz Beck; außerdem beteiligt: Technion – Israel Institute of Technology Haifa, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Bonn, Forschungszentrum caesar Bonn, Weizmann Institute of Science Rehovot, Israel)

B-Zellen sind ein wesentlicher Bestandteil des Immunsystems und spielen daher eine große Rolle bei der Behandlung zahlreicher Krankheiten, die auf Autoimmunreaktionen basieren, wie Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis oder Allergien. Der SFB/Transregio „B-Zellen: Immunität und Autoimmunität“ rückt die B-Zell-Aktivierung, B-Zell-induzierte Antikörper-Antworten sowie ihre Dysregulation in Autoimmunkrankheiten in das Zentrum seiner Forschung. Damit will er einen Beitrag zu dem grundlegenden Verständnis von Autoimmunerkrankungen leisten. Im Idealfall kann dies zu verbesserten Therapiemöglichkeiten wie auch zu Immunisierungen durch gezielte Impfungen führen. Der Forschungsansatz des SFB sieht eine Kombination von Grundlagenforschung, etwa in Mausmodellen, mit Studien von menschlichen Patienten vor.
(Sprecherhochschule: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Sprecher: Professor Dr. Lars Nitschke; außerdem beteiligt: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Charité Berlin, Georg-August-Universität Göttingen, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie Berlin)

Fette und Fettsäuren gehören zur Gruppe der Lipide, deren wichtige, aber eher „inaktive“ Funktion etwa als Bestandteile von Zellmembranen schon lange bekannt ist. Erst seit Kurzem jedoch wird klar, dass Lipide auch eine aktive Rolle als Signalmoleküle für die inter- und intrazelluläre Kommunikation spielen und ihnen bei Entzündung und Schmerz sowie der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten wie Arteriosklerose, Diabetes oder Krebs eine wichtige Rolle zukommt. Der SFB „Krankheitsrelevante Signaltransduktion durch Fettsäurederivate und Sphingolipide“ verfolgt das Ziel, lipidvermittelte Signalnetzwerke umfassend von der molekularen und zellulären Ebene bis hin zur systemischen Ebene bei der Steuerung der Organfunktion und des Gesamtorganismus zu verstehen. Die einzelnen Komponenten dieser Signalwege stellen vielversprechende Zielstrukturen für Arzneimittel dar, sodass die neuen Erkenntnisse auch konsequent zur Entwicklung neuer Therapeutika genutzt werden sollen.
(Sprecherhochschule: Goethe-Universität Frankfurt/Main, Sprecher: Professor Dr. Josef M. Pfeilschifter; außerdem beteiligt: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung Bad Nauheim)

Um die Energiewandlung in komplexen Materialien geht es beim Forschungsvorhaben des SFB „Kontrolle von Energiewandlung auf atomaren Skalen“. Angestrebt wird hier ein verbessertes mikroskopisches Verständnis der elementaren Schritte der Energiewandlung in Materialien mit einstellbaren Anregungen und Wechselwirkungen. Modellhaft wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Teilschritte der Energiekonversion analysieren; dabei sollen auch neuartige Ansätze zur Beeinflussung und Steuerung von Energieübergängen erprobt werden.
(Sprecherhochschule: Georg-August-Universität Göttingen, Sprecher: Professor Dr. Christian Jooß; außerdem beteiligt: Technische Universität Clausthal, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie Göttingen)

Die Bedeutung von Pilzinfektionen wurde lange unterschätzt. Sie zählen heute zu den häufigsten Todesursachen in der industrialisierten Welt. Die starke Zunahme an schweren Erkrankungen mit pathogenen Pilzen in den letzten zwei Jahrzehnten sowie die immer noch weitgehende therapeutische Ohnmacht gegenüber diesen Krankheiten machen die Thematik des SFB/Transregio „Pathogene Pilze und ihr menschlicher Wirt: Netzwerke der Interaktion“ aktuell und drängend. Am Beispiel des Hefepilzes Candida albicans und des Schimmelpilzes Aspergillus fumigatus sollen die Infektionsprozesse ergründet werden, um neue anti-infektive Strategien zu entwickeln.
(Sprecherhochschule: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sprecher: Professor Dr. Axel Brakhage; außerdem beteiligt: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie e.V., Hans-Knöll-Institut (HKI) Jena)

Die Wechselwirkungen zwischen der Oberflächenbiosphäre und der Rolle von Organismen in den tieferen Erdschichten sind wissenschaftlich bislang kaum ergründet worden. Der neue SFB „AquaDiva: Forschungsverbund zum Verständnis der Verknüpfungen zwischen der oberirdischen und unterirdischen Biogeosphäre“ will diesem Forschungsdefizit begegnen. Er konzentriert sich auf den Bereich der „Kritischen Zone“, der unterhalb der intensiv durchwurzelten Bodenschicht beginnt. Dabei werden sowohl das Wasser (Aqua) als auch die Biodiversität (Diva) untersucht, um zu beantworten, welche Organismen dort leben und wie sie mit ihrem Lebensraum interagieren.
(Sprecherhochschule: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sprecherin: Professor Dr. Kirsten Küsel; außerdem beteiligt: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig, Institut für Photonische Technologien Jena, Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena)

Eine nanopartikelbasierte Tumortherapie soll innerhalb des SFB „Nanodimensionale polymere Therapeutika für die Tumortherapie“ entwickelt werden. Die Forscherinnen und Forscher wollen sich dabei auf die Tumorimmuntherapie fokussieren, da sie besonders geeignet erscheint, auch minimale Resterkrankungen, etwa versteckte Metastasen, dauerhaft eliminieren zu können. Der SFB nähert sich dem Forschungsgegenstand von zwei Seiten: Die Chemikerinnen und Chemiker befassen sich sowohl mit der synthetischen Machbarkeit als auch mit den Struktur-Eigenschaftsbeziehungen der Trägermaterialien. Ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Biomedizin wollen Konzepte zur optimalen Einsetzung solch neuer Träger im Sinne einer Kombinationstherapie zur Aktivierung des Immunsystems gegen den Tumor entwickeln.
(Sprecherhochschule: Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Sprecher: Professor Dr. Rudolf Zentel; außerdem beteiligt: Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz)

In den modernen Materialwissenschaften und ihren technischen Anwendungen spielen die inneren Grenzflächen zwischen Festkörpern eine maßgebliche Rolle, etwa in Halbleiterbauelementen. Der SFB „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ will deshalb ein mikroskopisches Verständnis der Struktur und der Dynamik vergrabener, innerer Grenzflächen in Materialien erlangen. Die Bedeutung innerer Grenzflächen wird sogar noch zunehmen, insbesondere in Bezug auf Hybridmaterialien aus anorganischen und organischen Stoffen. Solche Hybridmaterialien werden zum Beispiel zur Herstellung neuartiger Solarzellen und anderer elektronischer Bauelemente verwendet.
(Sprecherhochschule: Philipps-Universität Marburg, Sprecher: Professor Dr. Ulrich Höfer; außerdem beteiligt: Donostia International Physics Center San Sebastián, Spanien)

Der SFB „Chromatindynamik“ erforscht grundlegende Prinzipien dynamischer Struktureigenschaften des Chromatins, also des Materials, aus dem Chromosomen bestehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widmen sich den Mechanismen, die die Vielgestaltigkeit und Flexibilität des Chromatins bedingen und ihm die notwendige Plastizität verleihen, um auf Signale des Stoffwechsels, der Umwelt oder im Zuge von Entwicklungsprozessen zu reagieren. Bislang nahm man an, dass die in Proteine verpackte DNA – das Chromatin – die meiste Zeit in stabilen Zuständen im Zellkern vorliege. Neue Erkenntnisse gehen jedoch von einer wesentlich größeren Dynamik aus. Genau hier setzt die Grundlagenforschung des SFB an.
(Sprecherhochschule: Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprecher: Professor Dr. Peter Burkhard Becker; außerdem beteiligt: Helmholtz Zentrum München: Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt Oberschleißheim, Max-Planck-Institut für Biochemie Planegg)

Was bedeuten Ressourcen für Dynamiken des menschlichen Zusammenlebens? Diese Frage ist angesichts endlicher natürlicher Ressourcen wie Erdöl, Metalle oder Nahrungsmittel von enormer Bedeutung und wird nicht nur in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, sondern auch in den archäologischen Disziplinen diskutiert. Der SFB „RessourcenKulturen. Soziokulturelle Dynamiken im Umgang mit Ressourcen“ unternimmt nun den Versuch, den Ressourcenbegriff alter Kulturen mit der aktuellen Diskussion zu verknüpfen. Dazu vertreten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Hypothese, dass Ressourcen in der Regel nicht isoliert auftreten, sondern als Teil von „Ressourcenkomplexen“, also Kombinationen von Dingen, Personen, Wissen und Praktiken.
(Sprecherhochschule: Eberhard Karls Universität Tübingen, Sprecher: Professor Dr. Martin Bartelheim; außerdem beteiligt: Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie Mannheim, Landesamt für Denkmalpflege Konstanz)

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen erteilen die Sprecherinnen und Sprecher der Sonderforschungsbereiche.
Ansprechpartner in der DFG-Geschäftsstelle:
Dr. Klaus Wehrberger, Leiter der Gruppe Sonderforschungsbereiche, Forschungszentren, Exzellenzcluster,
Tel. +49 228 885-2355, Klaus.Wehrberger@dfg.de

Ausführliche Informationen zum Förderprogramm und den geförderten Sonderforschungsbereichen auch unter: www.dfg.de/sfb/

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Marco Finetti idw

Weitere Informationen:

http://www.dfg.de/sfb/

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