Max-Planck-Gesellschaft gründet Institut in Köln

Welche biologischen Vorgänge bestimmen die Lebenszeit und wie laufen sie ab? Diese und andere Fragen zum natürlichen Alterungsprozess stehen im Mittelpunkt der Grundlagenforschung, wie sie am neuen Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns künftig betrieben werden soll. Jetzt hat der Senat der Max-Planck-Gesellschaft einen entscheidenden Schritt für die Realisierung dieses Forschungsvorhabens getan. Auf seiner Sitzung am 28. Juni 2007 in Kiel beschloss er – vorbehaltlich der Sicherstellung der Finanzierung – die Gründung des neuen Instituts am Standort Köln. Für die Leitung des Max-Planck-Instituts sollen drei international anerkannte Spitzenforscher berufen werden: Prof. Linda Partridge, Prof. Adam Antebi und Prof. Nils-Göran Larsson. Die Kölner Forschungseinrichtung komplettiert das Dutzend der Max-Planck-Institute in Nordrhein-Westfalen – und unterstützt den Aufbau eines Life Science Clusters mit weltweiter Strahlkraft.

Das Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns wird sich mit den ganz grundsätzlichen biologischen Prozessen beschäftigen, die den „normalen“ Alterungsvorgang bei Lebewesen steuern. Damit unterscheidet sich das Kölner Institut von Einrichtungen, die sich überwiegend auf klinische oder pathologische Vorgänge konzentrieren. Im Vordergrund steht die Grundlagenforschung anhand von Modellorganismen. Hier gehört zu den wichtigsten Labor-Erkenntnissen der vergangenen Jahre, dass Veränderungen in einzelnen Genen die Lebensspanne dieser Organismen verlängern können. So stellte sich beispielsweise heraus, dass sich Mutationen in Genen des Insulin-Signalpfades erheblich auf die Lebenszeit von Maus, Fadenwurm und Fruchtfliege auswirken.

Die Maus Mus musculus, die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, der Fadenwurm Caenorhabditis elegans oder die einzellige Brauhefe Saccharomyces cerevisae eignen sich besonders zur Erforschung der Wechselwirkung zwischen der Veränderung von Erbanlagen und ihren Auswirkungen auf die Gestalt des Individuums, weil alle Gene dieser Modellorganismen bekannt sind. Weitere Vorteile sind ihre kurze Lebensspanne sowie ihre hohe Fruchtbarkeit. So besteht der ein Millimeter kleine Fadenwurm gerade einmal aus etwa 1000 Zellen, ist in drei bis vier Tagen ausgewachsen und lebt nur drei bis vier Wochen. Nicht zufällig ist dieser Winzling zum bevorzugten „Arbeitstier“ der Genforschung und der Altersforscher geworden. Inzwischen weiß man, dass über 100 seiner Gene Auswirkungen auf die Lebenserwartung haben.

Das Institut soll zunächst mit einem Kollegium aus drei Direktoren starten, die mit ihren bisherigen Forschungen an Modellorganismen wesentliche Beiträge für die Alternsforschung geleistet haben. Unter Leitung von Prof. Linda Partridge soll sich ein Arbeitsbereich auf die Evolutionsbiologie, Entwicklungsbiologie und Genetik vor dem Hintergrund von Langlebigkeit bei der Fruchtfliege Drosophila konzentrieren. Mit der 57-jährigen Britin will das Institut eine der weltweit führenden Evolutionsbiologinnen gewinnen – u.a. ist sie Mitglied der Royal Society, der European Academy of Sciences, der EMBO und Ehrendoktor der Universität von St. Andrews. Seit 1994 hat sie die Weldon-Professur für Biometrie am University College London inne und ist Direktorin des Centre for Ecology and Evolution. Studium und Promotion (1974) erfolgten an der Universität Oxford, wobei sie sich ursprünglich für Ornithologie interessierte. In der Mitte der 1970er Jahre wechselte sie ihr Forschungsgebiet. Ihre erste Veröffentlichung in Nature 1981 widmete sich den Kosten der Fortpflanzung bei der Fruchtfliege. Sie zeigte, dass Sex das Leben männlicher Fruchtfliegen verkürzt. Der Schritt von der Erforschung der Reproduktionskosten zur Altersforschung erschien naheliegend. Ihren Durchbruch zu diesem Thema erfuhr sie mit Veröffentlichungen in Science 2001 und 2004, in denen sie die Bedeutung von Insulin-Signalpfaden für die Lebensspanne beschrieb. In weiteren Publikationen in Science widmete sie sich der Frage, ob und wie eine bestimmte Ernährung das Leben verlängern kann. 2006 publizierte sie, dass nicht eine verringerte Kalorienzufuhr die Lebensspanne vergrößert, sondern eine reduzierte Zufuhr von Proteinen und Lipiden in dieser Hinsicht weitaus wirksamer ist. Für ihre Arbeiten hat sie höchste internationale Auszeichnungen erhalten.

Das zweite Aufgabengebiet des Instituts zur Biologie des Alterns soll sich der Erforschung der molekularen Signalwege und ihrer Interaktion mit der Umwelt widmen, die bei Caenorhabditis elegans die Dauer von Entwicklung, Reifung und Alterung beeinflussen. Für die Leitung dieser Abteilung will die Max-Planck-Gesellschaft mit Professor Adam Antebi ebenfalls einen internationalen Spitzenforscher gewinnen. Geboren 1961 in Cleveland, Ohio, erhielt er 1992 für Studien an Hefe die Doktorwürde in Biologie am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts. Als Postdoc beschäftigte er sich an der Johns Hopkins University in Baltimore, Maryland, mit der Genetik des Fadenwurms. 1997 wurde er Leiter einer Selbständigen Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Sein Labor arbeitete an der hormonellen Regulation der Abfolge von Lebensstationen und der Langlebigkeit bei C. elegans. Seit 2004 führt er diese Forschung als Assistant Professor im Huffington Center on Aging im Baylor College of Medicine in Houston, Texas, fort.

Im dritten Forschungsbereich soll es um den Einfluss von Mutationen auf die grundlegende Energiebilanz in den Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zelle, und in der Folge auf die Lebensdauer von Säugern am Mausmodell gehen. Für diesen Bereich wird als international anerkannter Experte und dritter Direktor am neuen Institut der schwedische Forscher Professor Nils-Göran Larsson zur Berufung in Aussicht genommen. Nach seinem Studium an der Universität Göteburg, wo er 1992 an der medizinischen Fakultät promovierte, arbeitete Larsson als Postdoc am Department of Developmental Biology an der Stanford University of Medicine (California). 1997 kehrte er nach Schweden zurück und ging an das Karolinska Institutet in Stockholm, wo er als Dozent für medizinische Genetik arbeitete. 2002 erhielt er dort eine Professur für Mitochondriale Genetik. Seit 2004 gehört er der am Karolinska Institutet beheimateten Nobelversammlung an, die den Nobelpreis für Medizin und Physiologie vergibt. Außerdem ist er Mitglied der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften.

Die bisherigen Planungen sehen für das Institut eine fünfjährige Aufbauphase vor; bis zum Jahr 2012 sollen dann insgesamt vier Abteilungen sowie vier Selbständige Nachwuchsgruppen ihre Arbeit aufgenommen haben. Den rund 100 Mitarbeitern – Wissenschaftlern, Verwaltungsangestellten und Technikpersonal – steht im Endausbau ein jährlicher Betriebshaushalt von etwa 15 Millionen Euro zur Verfügung. Für den Standort Köln hat sich die Max-Planck-Gesellschaft entschieden, „weil Nordrhein-Westfalen über ein beträchtliches Wissenschaftspotenzial verfügt und auch die Voraussetzungen für ein erfolgversprechendes Forschungscluster in den Life Sciences bietet. Vor allem die Universität zu Köln wird einen wesentlichen Beitrag zu diesem Cluster leisten“, erläutert Prof. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. So hat die Kölner Universität im Rahmen der Exzellenzinitiative den Antrag auf ein Exzellenzcluster zum Thema Alternsforschung eingereicht. Mit den zusätzlichen Geldern können weitere Wissenschaftler-Stellen besetzt werden. Umgekehrt werden die neuen Max-Planck-Direktoren an die Medizinische Fakultät der Universität angebunden. Zudem plant die Hochschule ein Masterprogramm in diesem Bereich. Den Wissenschaftsverbund ergänzen ferner die Max-Planck-Institute für Neurologische Forschung in Köln, für Molekulare Physiologie in Dortmund und für Molekulare Biomedizin in Münster sowie das bis dahin neu ausgerichtete Forschungszentrum caesar in Bonn. Das neue Max-Planck-Institut im Bunde ist künftig auch räumlich bestens eingebettet: Auf dem Campus wird es direkter Nachbar der Universität zu Köln sein.

Media Contact

Dr. Bernd Wirsing Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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