Starker Anstieg der Studierneigung in Sachsen-Anhalt

Bericht des Instituts für Hochschulforschung (HoF)

Im Oktober/November 2001 hat das Institut für Hochschulforschung Wittenberg e. V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg an 25 Gymnasien Sachsen-Anhalts eine Befragung zu den Bildungs- und Studienabsichten der künftigen Abiturienten durchgeführt. Dabei handelt es sich um die fünfte Erhebung seit 1991. Befragt wurden insgesamt rund 1500 Gymnasiasten der Klassenstufen 10 und 13.

Eine erste vorläufige Auswertung zeigt folgende Entwicklungen:

  1. Nachdem die Studierwilligkeit der Abiturienten in Sachsen-Anhalt, ähnlich wie in den anderen neuen Bundesländern, in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre bis auf 60 Prozent gesunken war, zeigt sich derzeit im Land ein stark gestiegenes Interesse an einem Hochschulstudium. 78 Prozent der SchülerInnen der Klassenstufe 13 (Abiturjahrgang 2002) beabsichtigen die Studienaufnahme. In der Befragung 1998 (Abiturjahrgang 1999) betrug dieser Anteil 64 Prozent (und erwies sich von hoher prognostischer Sicherheit).
  2. Rückläufig ist jedoch das Interesse für das Studium an Hochschulen in Sachsen-Anhalt wie auch in den anderen neuen Bundesländern. Das geht mit einer wieder gestiegenen Attraktivität eines Studiums an Hochschulen der alten Bundesländer einher. Dahinter steht in erster Linie die Hoffnung, nach Studienabschluss schneller auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, verbunden mit den Hoffnungen auf günstigere finanzielle Rahmenbedingungen (Vergütungen, auch beim Jobben während des Studiums).
  3. Andererseits sind die Befragten häufiger als in den Vorjahren der Meinung, dass das Studium in den neuen Bundesländern ein höheres Niveau sichert. Als Vorzug wird aber auch eine teilweise bessere Ausstattung der Hochschulen gesehen.
  4. Die Wahl des Studienortes bestimmen insgesamt in zunehmendem Maße der Ruf der Hochschule und die Möglichkeiten zum Jobben. Unverändert stark spielen dabei aber auch preiswerte Wohnmöglichkeiten eine wesentliche Rolle.
  5. Es bestehen sowohl in der Klassenstufe 13, vor allem aber in der Klassenstufe 10 Anzeichen dafür, dass sich die Unterschiede in der Studierwilligkeit zwischen den Geschlechtern verringern. Zwar ist die Studierwilligkeit der Jungen noch immer höher als die der Mädchen, die jedoch stärker angestiegen ist. Dennoch machen Frauen bereits heute mehr als die Hälfte der Studienanfänger aus Sachsen-Anhalt aus, bedingt durch die Tatsache, dass sie fast 60 Prozent der AbiturientenInnen stellen.
  6. Deutlich ist die Tendenz, ein Studium wieder häufiger unmittelbar nach Erwerb der Studienberechtigung bzw. Ableisten des Wehr-/Wehrersatzdienstes zu beginnen und längere Zwischenphasen (Lehre, Jobben) zu vermeiden.
  7. Die Erststudienwünsche der künftigen AbiturientInnen haben sich gegenüber 1998 verschoben. Deutlich höher ist das Interesse für die Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften, darunter vor allem für Informatik und Biologie (jeweils fast 10 %).
  8. Verdoppelt hat sich auch die Nachfrage für Publizistik und Medien. Mit nur 7 % weiter rückläufig ist dagegen das Interesse an den Ingenieurwissenschaften, 1998 betrug es noch 14 %. Offenbar sind die ausgezeichneten Entwicklungschancen in den Ingenieurberufen weit weniger bekannt als die in den IT-Berufen, dort u.a. hervorgerufen durch die öffentliche Greencard-Debatte.
  9. Reichlich ein Fünftel der künftigen Abiturienten plant derzeit kein Studium. Hauptgründe dafür sind das Bestreben, schnell wirtschaftlich selbständig und schnell praktisch tätig zu sein. Finanzielle Überlegungen spielen bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium insgesamt eine wichtige Rolle. Abiturienten aus Facharbeiterfamilien verzichten auch bei hoher Leistungsfähigkeit in höherem Maße auf ein Studium als jene aus Familien mit hoher Bildung und Qualifikation.
  10. Trotz der nach wie vor überdurchschnittlichen Herkunft der Abiturienten aus Familien mit hoher Bildung und Qualifikation, werden die Gymnasien in Sachsen-Anhalt in wachsendem Maße von Kindern aus Facharbeiterhaushalten besucht. Offenbar wird der Wert von Bildung für die Zukunftssicherung auch hier zunehmend wahrgenommen.
  11. Nach wie vor ist die Studierwilligkeit in hochschulfernen Regionen geringer als in hochschulnahen Regionen, allerdings sind die Unterschiede weniger ausgeprägt als noch vor drei Jahren.
  12. Reichlich die Hälfte der studierwilligen Gymnasiasten will eine Universität besuchen, ca. ein Viertel eine Fachhochschule – ähnlich wie in den Vorjahren. Fast verdreifacht hat sich dagegen das Interesse an den Berufsakademien (11 %) obwohl im Land keine entsprechenden Einrichtungen bestehen.

Für Sachsen-Anhalt scheint es wichtig, die gestiegene Studierwilligkeit auf die Hochschulen des Landes zu steuern. Dazu könnte unter anderem beitragen:
die nationale/internationale Anerkennung der Hochschulen des Landes, ihre Leistungen in Forschung und Lehre, aber auch die tatsächlichen guten beruflichen Entwicklungswege der Absolventen nicht nur in gezielten Werbeveranstaltungen, sondern allgemein öffentlich noch mehr zu präsentieren. Fortgeführt und weiterentwickelt werden sollten die in den letzten Jahren initiierten umfangreichen studienberatenden und -informierenden Aktivitäten des Landes und der einzelnen Hochschulen. Dabei sollte den hochschulfernen Regionen besondere Aufmerksamkeit gelten.

Prof. Dr. Reinhard Kreckel, Direktor des HoF


Informationen:
Institut für Hochschulforschung Wittenberg e. V.
an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Collegienstraße 62
06886 Lutherstadt Wittenberg
Tel.:(03491) 466 254
E-Mail: lischka@hof.uni-halle.de.

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Ingrid Godenrath idw

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