Warum Steine für grundlegende Bildung wichtig sind – Ein bildungsdidaktischer Film für angehende Lehrer

Eltern bekommen meist noch eine zweite Chance: Zusammen mit ihren Kindern entwickeln sie wieder einen Blick für Details und die kleinen Wunder der Welt – nachdem sie oft das Staunen ihrer eigenen Kindheit vergessen haben. Dabei sind einfache Steine meist schon genug für eine spannende Entdeckungsreise. Schließlich sind sie eben nicht alle gleich, sondern unterscheiden sich in Größe, Farbe, Struktur und Gewicht. Wie weit reichend Steine auch im Grundschulunterricht eingesetzt werden können, zeigt jetzt ein bildungsdidaktischer Lehrfilm von Professor Maria-Anna Bäuml-Roßnagl, Department für Pädagogik und Rehabilitation der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. „Steine wandern durch viele Welten und sprechen ohne Worte“, meint Bäuml-Roßnagl. „Sie sind aber auch ein universaler Bildungsgegenstand. Das Allerweltsding Stein können die Kinder mit Hand, Fuß, Auge, Ohr, Herz und Geist erkunden.“


Anfassen, Beschreiben, Bearbeiten und Interpretieren: Die Studierenden für das Lehramt Grundschule dürfen im Seminar zum Bildungsgegenstand Steine selbst erst einmal machen, was ihre Schüler später auch erfahren sollen. Nicht nur Didaktik, auch die Fachperspektiven Philosophie/Ethik und Kunstpädagogik wurden für die Aufarbeitung der Thematik herangezogen. Aufnahmen, die während des Seminars gemacht wurden, sind die Grundlage des Films, der aus zwei Teilen besteht: „Steinphänomene in interdisziplinärer Perspektive“ zeigt Mitschnitte des Seminars, und „Szenen zur Schulpraxis“ bietet Beispiele aus dem Unterricht. „Über mehrere Semester hinweg habe ich mit Kollegen und Studierenden gemeinsam das Material für dieses außergewöhnliche Filmkonzept entwickelt“, berichtet Bäuml-Roßnagl. „Besonders interessant war für mich der Grund, warum viele Studierende in das Seminar kamen: Sie haben sich an positive Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit mit Steinen gemacht haben, erinnert.“

Seminar und Film wollen den angehenden Grundschullehrern eine Möglichkeit eröffnen, die besondere Wahrnehmung von Kindern zu nutzen. Steinerlebnisse sind Anlass für subjektive Lebensdeutung und objektive Wissensaneignung. Ein Thema, das angesprochen werden kann, ist beispielsweise die Gewalt, sind Steine doch oft die erste „Waffe“, die Kinder untereinander mit Absicht oder aus Versehen einsetzen. Am Anfang des Lernens mit Hilfe der Steine steht für Kinder die „leibsinnliche Exploration“. Bäuml-Roßnagl spricht in diesem Zusammenhang von einem „Fühldenken“, das das Verstandesdenken ergänzt. „Beim Kind kommt immer zuerst die sinnliche Primärerfahrung“, meint sie. „Dann erst sollten wissenschaftliche Fakten folgen. Das ermöglicht multisensorisches Lernen – letztlich den Königsweg des Lernens.“

Die Möglichkeiten, Steine in den Unterricht einzubringen, scheinen fast unbegrenzt. Kinder können sie ertasten, mit Farbe gestalten oder „Steinmusik“ machen. Mit Hilfe der Steine können die Kleinen auch ihre eigene Welt erklären. Ein Beispiel im Film zeigt eine Seminarteilnehmerin im Unterricht: Steine stehen dabei stellvertretend für die Familienmitglieder der Kinder, die so einen Teil ihrer eigenen Umwelt ausdrücken konnten. Sie legen mit Steinen ein Soziogramm ihrer häuslichen Lebenswelt. Große Steine repräsentieren die Eltern oder etwa erwachsene Geschwister, kleine Steine stehen für die Kinder. Ein Schüler aber verlangt nach einem mittelgroßen Stein: „Wir haben nämlich einen Hund.“

Steine als Kultur- und Erinnerungsträger können beispielsweise im Fach Sachkunde eine Rolle spielen, wenn Denkmäler und Grabsteine angesprochen oder sogar besucht werden. So kann veranschaulicht werden, dass eine Qualität der Steine für den Menschen schon immer besonders wichtig war: Sie scheinen für die Ewigkeit geschaffen. So sollen Denkmäler aus Stein eben das Vergessen von Personen und Ereignissen verhindern. Ein anderes Beispiel sind Steinhäuser, die Schutz vor der Natur bieten sollen. Auch hier steht die Stabilität der Steine im Vordergrund.

Dies kann ein Übergang zur Frage sein, woher Steine kommen und damit zu ihrer Wissenschaft, der Geologie, führen. Was lässt sich anhand der Steine über die Geschichte der Erde ablesen, und welche Prozesse haben zur Bildung der Steine und ihrer Vielfalt geführt? Im Film weist eine Schülerin darauf hin, dass Sand nur der Überrest von Steinen ist, die das Meer in kleine und kleinste Teile zerlegt hat. Ganz für die Ewigkeit gemacht sind also auch Steine nicht. So kann das Thema Vergänglichkeit des Lebens und der Welt auch in der Grundschule vorsichtig eingeführt werden. Steine sind ein Bildungsgegenstand, der die Alltagswelt der Kinder mit nahezu allen Fachbereichen in der Schule über alle Stufen der Grundschule hinweg verknüpfen kann. Sie sind außerdem ein so universaler Bildungsgegenstand, dass sie für Menschen in allen Kulturen und in allen Lebensphasen bedeutsam sind. (suwe)

Weitere Informationen zum hochschuldidaktischen Lehrfilm „Steine als Bildungsgegenstand“:
www.paed.uni-muenchen.de/~baeuml-rossnagl/SteinealsBildung.html

Ansprechpartnerin:

Prof. Dr. Maria-Anna Bäuml-Roßnagl
Department für Pädagogik und Rehabilitation
Tel: 089/2180-5103
Fax: 08803/60539-(privat)
E-Mail: baeuml-rossnagl@lrz.uni-muenchen.de

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