Dem ’’Exportschlager’’ Berufsausbildung in Afrika auf der Spur

Das duale System der Berufsausbildung gehörte lange Zeit zu den „Exportschlagern“ Deutschlands. Theorie in der Berufsschule kombiniert mit Praxis im Betrieb sind der Schlüssel zum Arbeitsleben – so lautete der Anspruch. Ob und inwieweit sich der in einem Entwicklungsland wie Togo umsetzen lässt, erkundet die Soziologin Karin Jansen von der Universität Leipzig.

Im Schuljahr 2000/01 lernten 747 Lehrlinge in der Gewerbeschule CRETFP (Centre Regionale d’Enseignement Technique et Formation Professionelle) in Togos Hauptstadt Lomé; landesweit hielten 294 Werkstätten Kontakt zu dem Regionalen Berufsausbildungszentrum. Acht Jahre zuvor hatte die Schule, finanziell unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit in Bonn, ihre Arbeit mit 250 Lehrlingen aufgenommen. Vor allem junge Männer wurden seitdem in acht Berufen wie zum Beispiel Auto-, Zweirad- und Betriebsmechaniker, Schweißer, Schreiner und Blechgestalter ausgebildet. Die stärkere Einbindung junger Frauen scheiterte ebenso an fehlenden Sanitäranlagen wie am überlieferten Rollenverständnis, das ihnen „klassische“ Bereiche wie das Friseur- und Schneiderhandwerk zuwies. Doch gleich ob Junge oder Mädchen – der Wert der Ausbildung, die mit einer Gesellenprüfung abschließt, muss sich in der togoischen Wirtschaft erst noch zeigen.

Den hochgesteckten Zielen und Erwartungen steht die Realität Togos entgegen: „Oft können Lehrlinge oder auch Schüler nicht zur Ausbildung kommen“, schildert Karin Jansen die Situation. Einigen fehle das Schulgeld, andere müssten arbeiten gehen, um zum Unterhalt der Familie beizutragen oder die eigene Ernährung zu sichern, und manche leiden auch Hunger. Zudem müssen die staatlichen (Berufschul-)Lehrer häufig auf ihr Gehalt warten, suchen sich andere Erwerbsquellen und können sich nur ungenügend auf den Unterricht vorbereiten. Dies erschwert einen effizienten, regelmäßigen Unterricht ebenso wie es die Motivation von Schülern und Lehrlingen sowie Ausbildern untergräbt.

Traditionell suchen sich junge Togoer einen Betriebsinhaber oder Handwerker, um bei ihm in eine praktische Lehre zu gehen. Dafür wird der Patron bezahlt – mit Naturalien, Arbeitsleistung und Geld. Die offiziell limitierte Lehrzeit erstreckt sich auf diese Art häufig über acht oder gar zehn Jahre. An diesem Punkt setzt die Gewerbeschule CRETFP auf doppelte Weise an: Unmittelbar bildet sie Lehrlinge, vor allem aus dem informellen Sektor, in einem dualen System aus und markiert somit eine Reform des nationalen Berufsprogramms. Und mittelbar unterstützt sie das Bestreben, die organisatorischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen des Handwerkerstandes zu verbessern.

Doch die Leipziger Soziologin, die derzeit am Zentrum für Höhere Studien ihre Promotion über „Die Auswirkungen der Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel der beruflichen Bildung in Togo“ vorlegt, kennt die Lage vor Ort aus eigener Anschauung. Ihre Studien beruhen unter anderem auf 250 Interviews, die sie mit Kleinunternehmern, Lehrlingen und angestellten Handwerkern in Lomé geführt hat. Als Leitfaden hatte sie dabei die Frage im Blick: Wo bleiben die Lehrlinge aus der dualen und aus der informellen Ausbildung nach ihrer Lehre? Ist es ein Vorteil, anhand eines geregelten Lehrplans gleichermaßen in Praxis und Theorie eingewiesen zu werden, an modernen Maschinen ausgebildet zu werden und die Lehre nach drei Jahren mit einem Abschluss beenden zu können? Oder stehen Lehrlingen beider Ausbildungsformen am Ende vor dem gleichen Problem, in Togo keinen industriellen Arbeitsplatz, sondern allenfalls einen Hilfsjob zu finden?

Im Ergebnis stehen die einen nicht wesentlich besser da als die anderen. Weniger die Art und Dauer einer Ausbildung entscheidet über den künftigen Berufsweg junger Togolesen. Vielmehr hängt der individuelle Nutzen des erworbenen Wissens davon ab, ob ein ausgelernter Geselle genügend finanzielle Mittel für den Aufbau eines eigenen Handwerks oder Kleinbetriebes hat. Da in den gesellschaftlich prägenden Großfamilien Geld jedoch vornehmlich als finanzielle Unterstützung in das familiäre System fließt, quasi als „soziales Kapital“ angehäuft wird, fehlt es im Gegenzug schlichtweg an ökonomischem Kapital. An dieser Grundstruktur vermag eine Lehrlingsausbildung nach dualen Prämissen nichts zu ändern. Daniela Weber

Weitere Informationen:
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Karin Jansen
Telefon: 0341 97-30297
E-Mail: Jansen@rz.uni-leipzig.de

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