Was Hänschen nicht lernt? – IATuntersuchte Zusammenhänge zwischen Qualifikation und Lebensarbeitszeit

Gute Aus- und Weiterbildung sichert auch die Beschäftigungschancen Älterer


Wer besser qualifiziert ist findet nicht nur leichter eine Stelle, sondern hat auch später größere Chancen nach dem 55. Lebensjahr beschäftigt zu bleiben. Eine gute schulische und berufliche Bildung ist mittlerweile nicht nur „Eintrittsticket“ für den Arbeitsmarkt sondern längst auch Voraussetzung für die Verlängerung der „Aufenthaltsberechtigung“ im Beschäftigungssystem. Wie Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT /Gelsenkirchen) zeigen, steigen in allen 15 Ländern der alten EU die Beschäftigungsquoten sowohl der 25- bis 44-jährigen als auch der 55- bis 64-jährigen Männer und Frauen mit dem Qualifikationsniveau. „Die Qualifikation ist in den letzten Jahren zur neuen zentralen Dimension sozialer Ungleichheit in unserer Gesellschaft geworden!“ stellt IAT-Vizepräsident Prof. Dr. Gerhard Bosch fest.

Nicht zuletzt die langjährige Vorruhestandspraxis hat dazu beigetragen, dass in Deutschland, aber auch Österreich, Frankreich, den Niederlanden und Belgien vor allem geringer Qualifizierte über 55 Jahre keiner Beschäftigung mehr nachgehen. „Allerdings hat sich die Kultur des vorzeitigen Ruhestandes in diesen Ländern auch auf die Personen mit mittlerer Qualifikation ausgebreitet, während die hoch Qualifizierten zwischen 55 und 64 Jahren zumeist noch sehr hohe Beschäftigungsquoten aufweisen“, so der IAT-Arbeitsmarktforscher Dr. Sebastian Schief.

Gerade in Deutschland zeigt sich dieses Muster besonders stark. Bei den gering Qualifizierten, aber auch bei Frauen und Männern mit mittlerer Qualifikation liegt die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen in Deutschland um mehr als die Hälfte unter der der 45- bis 54-Jährigen. Das EU-Ziel einer Beschäftigungsquote für Ältere von 50 Prozent wird in Deutschland nur bei der relativ kleinen Gruppe der hoch qualifizierten Männer zwischen 55 und 64 Jahren erreicht. Zum Vergleich: Schweden erreicht diese Quote für Männer und Frauen in allen Qualifikationsgruppen und neben Portugal als einziges EU-Land auch bei den gering qualifizierten Frauen (52,3 Prozent).

Dass gering Qualifizierte früher in Rente gehen bedeutet im Übrigen nicht unbedingt, dass diese Gruppe eine kürzere Lebensarbeitszeit aufweist. Die gering qualifizierten 55- bis 64-Jährigen haben in Deutschland im Durchschnitt 3,3 Jahre früher als hoch Qualifizierte eine Erwerbstätigkeit aufgenommen.

Die Erwerbsbeteiligung einiger Gruppen von Ausländern liegt erheblich unter dem ohnehin schon niedrigen Niveau der Deutschen. So sind in Deutschland etwa nur noch 20 Prozent aller türkischen Männer zwischen 50 und 64 Jahren und kaum mehr als 10 Prozent der türkischen Frauen beschäftigt. Bei ihnen häufen sich verschiedene Risiken wie niedrige Qualifikation, vorherige Beschäftigung in Krisenbranchen und auf einfachen Arbeitsplätzen, die besonders von Rationalisierungen oder Verlagerungen betroffen sind. Hinzu kommt bei diesen Gruppen eine „starke Erwartenshaltung“ vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu können.

Das Qualifikationsproblem bei der Beschäftigung Älterer erstreckt sich auch auf die Weiterbildung. Es sind vor allem die gering qualifizierten Älteren, die von Weiterbildung ausgeschlossen sind. Arbeitsmarktpolitisch war das bislang kein Problem, da gerade diese Gruppe von Beschäftigten vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausschied. Es gibt aber auch große Gruppen von Personen mit mittlerer Qualifikation, die in arbeitsorganisatorisch und technisch wenig innovativen Betrieben gearbeitet haben und damit den Anschluss verloren haben. „Die Rentenreform muss bildungspolitisch, also durch Lernangebote vor allem für die geringer Qualifizierten unterfüttert werden, damit sie nicht nur die Arbeitslosigkeit Älterer ansteigen lässt“, so Prof. Bosch.

Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:

Prof. Dr. Gerhard Bosch
Durchwahl: 0209/1707-147

Dr. Sebastian Schief
Durchwahl: 0209/1707-152

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