Wo bleibt der Ingenieurnachwuchs?
Seit einigen Jahren geht das Gespenst eines drohenden Ingenieurmangels um. Ein praktikabler Ausweg aus den zyklischen Mangel- und Überfüllungskrisen ist bis heute nicht gefunden. Nun werden Befürchtungen eines andauernden, mehr als konjunkturzyklisch bedingten Nachwuchsmangels laut.
Das Ingenieurstudium hat seit den 90er Jahren an Zugkraft verloren, ohne dass trotz verbesserter Berufschancen eine Wende dieser Entwicklung absehbar wäre. Über die Gründe dieses Attraktivitätsverlustes technischer Studiengänge gibt es seit Jahrzehnten immer wieder dieselben Erklärungsversuche und Schuldzuweisungen: die wechselnden Berufsaussichten, eine vermeintliche Technikfeindlichkeit der Jugend oder zu wenig Mathematik und Physik im Schulunterricht.
HIS hat in einem soeben erschienenen Aufsatz die geläufigen Erklärungsmuster für die Nachwuchsprobleme auf ihre Stichhaltigkeit überprüft und mit Ergebnissen aus seinen Untersuchungen zum Hochschulzugang, zum Studium und zum Studienabbruch konfrontiert. Mit Blick auf die Zeitreihen der Bildungsstatistik lassen sich einige Ursachen des Rückgangs in einer geringer werdenden Basis für Ingenieurstudiengänge finden. Insbesondere Entwicklungen im beruflichen Bildungswesen spielten im letzten Jahrzehnt eine wichtige Rolle. Auch das rasante Wachstum der Informatik, die ja eine immer bedeutendere Rolle innerhalb technischer Systeme einnimmt, hat Potenziale von den klassischen Ingenieurstudiengängen abgezogen. Die demographische Entwicklung Deutschlands im nächsten Jahrzehnt macht es wahrscheinlich, dass ohne rasche Gegensteuerung eine Situation eintreten kann, in der der benötigte Ingenieurnachwuchs nicht mehr in ausreichendem Umfang herangebildet werden kann. Zusammenfassend legt der Aufsatz den Finger auf einige wunde Punkte, u. a. die mangelhafte Ausschöpfung technischer Neigungen unter Frauen, das Fehlen einer einer pädagogisch angeleiteten Heranführung der Jugend an die Technik, veraltete Technikleitbilder, zu wenig Eigenattraktivität des Ingenieurstudiums insbesondere im Grundstudium, aber auch die Erosion des Nimbus des Ingenieurberufes als Aufstiegsberuf mit hoher Beschäftigungssicherheit.
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