Der deutsche Wortschatz – nunmehr rechnergestützt

70 Jahre nach der ersten Ausgabe erschien jetzt der „Dornseiff“ in völlig neuer Bearbeitung.

Der „Dornseiff“ bleibt in Leipziger Hand. Siebzig Jahre nach der ersten Ausgabe erschien jetzt „Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen“ von Franz Dornseiff in 8., von Uwe Quasthoff völlig neu bearbeiteter Auflage im Verlag Walter de Gruyter. Franz Dornseiff (1888-1960) war von 1948 bis 1960 Ordinarius für klassische Philologie und Direktor des Philologischen Instituts der Universität Leipzig. Privatdozent Dr. Uwe Quasthoff ist am Institut für Informatik der Universität Leipzig tätig und war durch seine elektronische Wortschatz-Sammlung von neun Millionen verschiedenen Wortformen für diese Wörterbucharbeit prädestiniert.

Dornseiffs Arbeiten, so der emeritierte Leipziger Germanistik-Professor Rainer Kößling, namentlich jene zu dem griechischen Dichter Pindar, genossen unter den Fachkollegen hohe Wertschätzung. Weiter reichende Bekanntheit und Verbreitung erlangte freilich sein „Deutscher Wortschatz nach Sachgruppen“. In zahlreiche Begriffsfelder geordnet, waren darin große Teile des deutschen Vokabulars erfasst und gegebenenfalls nach Stilebenen differenziert verzeichnet. Das Opus, zuerst 1934 veröffentlicht, erfuhr bis 1970 sieben, z. T. neu bearbeitete, Auflagen. Die Auflage von 1959, die letzte, die noch von Dornseiff selbst betreut worden war – bei den nachfolgendenden handelte es sich um unveränderte Nachdrucke – bildete auch den Ausgangspunkt für die von Uwe Quasthoff zu bewältigende Aufgabe, den deutschen Wortschatz unter modernen wissenschaftlichen Aspekten sowie mit den aktuellen technischen Methoden zu erfassen und neu zu bearbeiten.

Die Modernität liegt u. a. darin, dass der Informatiker Quasthoff, statt sich auf das mühselige, zeitraubende Geschäft mit den Zettelkästen einlassen zu müssen, auf den in einer Datenbank gespeicherten Wortschatz zurückgreifen konnte, der auch statistische Angaben zur Häufigkeit des Auftretens von Wörtern enthielt. Danach ließ sich recht objektiv entscheiden, welche Wörter in den neuen „Dornseiff“ aufgenommen werden und welche nicht. „Ein Kriterium dafür war, dass wir das Wort mehr als zwanzigmal in unserer Textsammlung von 500 Millionen laufenden Wörtern auffinden konnten“, sagte Dr. Quasthoff. Der sog. korpusbasierte Ansatz für das neue Wörterbuch besagt also, dass aus einer sehr großen Textmenge mittels Häufigkeitsanalyse Wörter für die Neuaufnahme ausgewählt werden. Damit werden automatisch große Bereiche der Alltagssprache abgedeckt. Regionales Wortgut sowie Gruppen- und Sondersprachen oder veraltete Wörter dagegen bleiben draußen.

In der jetzt vorliegenden 8. Auflage des „Dornseiff“ mit seinen rund 90 000 Einträgen ist gegenüber der 8. Auflage fast ein Drittel, nämlich die niederfrequenten Wörter und Wortgruppen, herausgenommen und durch neue ersetzt worden. Für die Einordnung der Wörter in eine der 970 Sachgruppen sind die in Quasthoffs Wortschatz-Korpus erfassten sog. Kollokationen hilfreich, also die Paare von Wörtern, die statistisch auffällig gemeinsam vorkommen, etwa Hund und Leine, Hund und bellen, aber auch Hund und Katze oder Hund und Herrchen. Quasthoff schätzt, dass die Zeiteinsparung durch die maschinelle Methode gegenüber der traditionellen Methode der Einordnung eines Wortes an der richtigen Stelle rund 90 Prozent beträgt.

Der Heidelberger Germanist Prof. Dr. Herbert Ernst Wiegand steuerte zum neuen „Dornseiff“ eine gewichtige lexikographisch-historische Einführung samt einer Auswahlbibliographie bei, zahlreiche Sprachwissenschaftler, unter ihnen auch Prof. Dr. Ingrid Wiese von der Universität Leipzig, unterstützten das Projekt. Ihnen allen sowie dem Verlag werden die Benutzer für das solide gearbeitete Werk sehr dankbar sein. Wer immer in seinen wissenschaftlichen Arbeiten oder literarischen Darstellungen sprachliche Präzision oder Variabilität erstrebt, findet im „Dornseiff“ mit dessen Fülle an Bezeichnungen und Informationen ein zuverlässiges, praktikables und inspirierendes Nachschlagwerk, eines, in dem man sich auch „festlesen“ kann.

Weitere Informationen: PD Dr. Uwe Quasthoff, Tel.: 0341/97-32233, E-Mail: quasthoff@informatik.uni-leipzig.de

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Volker Schulte idw

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