Forschung im Grenzbereich

„Wirklich so schnell ich kann?“, fragt die Versuchsperson, nachdem sie hinter dem Lenkrad eines 210 PS starken Renault Clio RS CUP Platz genommen hat.

Ende März begannen die ersten Testfahrten auf dem Gelände des ADAC-Fahrsicherheitszentrums Berlin-Brandenburg in Tegel im Rahmen des Promotionsvorhabens von Sebastian Welke, der im DFG-Graduiertenkolleg „prometei“ der TU Berlin (Prospektive Gestaltung von Mensch-Technik-Interaktion) promoviert. Durch ein EEG-basiertes Brain-Computer-Interface (BCI), mit dem Hirnströme abgeleitet werden können, versucht er die Intentionen beziehungsweise Handlungen eines Fahrers vorherzusagen.

Dazu untersucht Sebastian Welke, welche Veränderungen in den Daten des Elektroenzephalogramms (EEG) einer bewussten Handlung vorausgehen. Viele Prozesse im Gehirn laufen unbewusst ab. Welche Indikatoren in den EEG-Daten aber zeigen zuverlässig kognitive Prozesse an, die in Verbindung zu Handlungen des Fahrers im Fahrzeug stehen? „Die EEG-Daten werden unter anderem auch durch die Bewegung des Fahrzeugs und der Versuchsperson selbst beeinflusst. Das macht die Interpretation problematisch“, so der junge Wissenschaftler. „Wenn wir jedoch entsprechend viele mögliche Störquellen synchron mit den EEG-Daten aufzeichnen, können diese später durch spezielle Algorithmen weitgehend aus den EEG-Daten herausgerechnet werden.“

Dafür wurden im Fahrzeug neben dem EEG umfangreiche Messsysteme eingebaut, die auch die Quer- und Längsbeschleunigung, Gaspedalstellung, Drehzahl, Geschwindigkeit, Lenkwinkel sowie die Temperatur im Inneren aufnehmen. Zusammen mit drei im Fahrzeug verbauten Kameras blieb somit keine der Handlungen des Fahrers unbeobachtet.

Um auch EEG-Daten des Fahrers aus dem fahrdynamischen Grenzbereich zu erhalten, wurden Teile aus professionellen Fahrertrainings in die Teststrecke integriert. Diese Daten sollen Aufschluss darüber geben, ob sich kognitive Prozesse beispielsweise bei einem Kontrollverlust über das Fahrzeug durch Hirnströme abbilden lassen und ob man sie in Echtzeit erkennen kann. Erste Ergebnisse konnten bereits mit internationalen Wissenschaftlern diskutiert werden.

Geplant sind auch EEG-Studien im realen Stadtverkehr. Hierzu wird derzeit ein VW Touran, eine Spende der Volkswagen AG, am Fachgebiet Mensch-Maschine-Systeme umgebaut. Betreut wird dieses ambitionierte Promotionsvorhaben durch PD Dr.-Ing. Thomas Jürgensohn (Institut für Straßen- und Schienenverkehr/Kraftfahrzeuge) und Prof. Dr.-Ing. Matthias Rötting (Fachgebiet Mensch-Maschine-Systeme).

Das Graduiertenkolleg „prometei“
Das Graduiertenkolleg „prometei“ (Prospektive Gestaltung von Mensch-Technik-Interaktion) ist am Zentrum Mensch-Maschine-Systeme der TU Berlin angesiedelt und entwickelt Methoden, Verfahren und Werkzeuge, um bereits in frühen Phasen der Gestaltung technischer Systeme Probleme der Mensch-Maschine-Interaktionen berücksichtigen zu können. Zentrale Fragen werden interdisziplinär und domänenübergreifend bearbeitet. Es wird seit Oktober 2004 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit rund 1,9 Mio Euro gefördert (derzeit 15 Stipendiaten, neun Betreuer, sechs Mentoren. Sprecher: Prof. Dr. Manfred Thüring, Prof. Dr.-Ing. Matthias Rötting).

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Weitere Informationen erteilen Ihnen gern: Dipl.-Ing. Sebastian Welke, TU Berlin, Zentrum Mensch-Maschine-Systeme (ZMMS), Graduiertenkolleg „prometei“, Franklinstr. 28/29, 10587 Berlin, Tel.: 0172/3875497, E-Mail: sebastian.welke@tu-berlin.de; Prof. Dr.-Ing. Matthias Rötting, TU Berlin, Zentrum Mensch-Maschine-Systeme, Tel.: 030/314-79520, E-Mail: roet-ting@mms.tu-berlin.de; Prof. Dr. Manfred Thüring, TU Berlin, Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft, Fachgebiet Kognitionspsychologie und Kognitive Ergonomie, Tel.: 030/314-21420. E-Mail: thuering@gp.tu-berlin.de

Weiterführende Links:

Homepage des Zentrums Mensch-Maschine-Systeme:
www.mms.tu-berlin.de/
Homepage des Graduiertenkollegs „prometei“:
www.zmms.tu-berlin.de/prometei/
Weitere Informationen:
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http://www.zmms.tu-berlin.de/prometei/
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Dr. Kristina R. Zerges idw

Weitere Informationen:

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