DFG richtet 16 weitere Schwerpunktprogramme ein

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 16 weitere Schwerpunktprogramme (SPP) ein. Dies beschloss der Senat von Deutschlands größter Forschungsförderorganisation jetzt auf seiner Frühjahrssitzung in Bonn.

Die neuen SPP sollen ab Anfang 2009 wichtige neue Fragestellungen in der Grundlagenforschung bearbeiten und so spürbare Impulse zur Weiterentwicklung der Forschung geben. Die Themen reichen dabei von der Wahrnehmung und Verarbeitung von Düften über Spray-Verfahren zur Gewinnung maßgeschneiderter Feststoffe bis zur ersten vollagrarischen Kultur, der Trichterbecherkultur; auch die Darstellungstheorie sowie das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit werden künftig im Rahmen von Schwerpunktprogrammen erforscht, ebenso Störungen in mobilen Kommunikationsnetzen und extraterrestrische Proben aus der STARDUST-Mission der NASA.

Die 16 neuen Schwerpunktprogramme wurden aus 48 eingereichten Konzepten ausgewählt. Sie werden ab Januar 2009 in einer ersten Förderperiode von zwei beziehungsweise drei Jahren mit jährlich insgesamt 28,8 Millionen Euro gefördert.

Das wichtigste Kennzeichen – und das Erfolgsrezept – der DFG-geförderten Schwerpunktprogramme ist die enge nationale und internationale Vernetzung der geplanten Forschungen. Ihr Arbeitsgebiet muss im Wesentlichen neu sein, in ihrer Thematik, der gewählten Methodik oder den eingegangenen Kooperationen sollen die Schwerpunktprogramme eine neue Qualität der Forschung erreichen. Auch die enge Einbeziehung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist Bestandteil aller Schwerpunktprogramme und Voraussetzung für eine Förderung. Die Schwerpunktprogramme arbeiten in der Regel sechs Jahre. Mit den nun bewilligten 16 neuen Einrichtungen fördert die DFG künftig insgesamt 120 Schwerpunktprogramme.

Die neuen Schwerpunktprogramme im Überblick:

Lebenswissenschaften

Mit der noch kaum bekannten positiven Seite von Mastzellen beschäftigt sich das Schwerpunktprogramm „Mast Cells – Promoters of Health and Modulators of Disease“. Bislang sind die Mastzellen hauptsächlich als Überträger schwerer pathologischer Phänomene wie Allergien oder dem anaphylaktischen Schock bekannt. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass Mastzellen auch wichtige nicht-pathologische, krankheitsabwehrende Funktionen haben. Diese sollen nun systematisch erforscht werden, was für die Immunbiologie und die Medizin ein gleichermaßen großes Zukunftspotenzial mit sich bringt. (Koordinatoren: Professor Marcus Maurer, Charité – Universitätsmedizin Berlin; Professor Thilo Biedermann, Universität Tübingen)

Die Meiose als besondere Form der Zellkernteilung ist bislang nur rudimentär erforscht, obwohl sie für das Verständnis der frühen Zellentwicklung und der Tumorbildung oder etwa für die Stammzellforschung elementar ist. Das Schwerpunktprogramm „Mechanism of Genome Haploidization“ will die meiotischen Prozesse in etablierten Modellorganismen wie der Hefe, dem Frosch oder der Maus untersuchen. Vor allem die Vernetzung zellbiologischer, biophysikalischer und strukturbiologischer Absätze soll der fundamentalen biologischen und medizinischen Bedeutung der Meiose gerecht werden. (Koordinator: Professor Rolf Jessberger, Technische Universität Dresden)

Wie Düfte wahrgenommen und verarbeitet werden, ist das Oberthema des Schwerpunktprogramms „Integrative Analysis of Olfaction“. Konkret will das Programm die Ursache und Bedeutung der zahlreichen Geruchsrezeptoren und -organe, die molekularen Mechanismen der Perzeption, Amplifikation und Transduktion und die Informationsverarbeitung bei verschiedenen Tieren und beim Menschen untersuchen. Auch der Einfluss der Geruchsinformation und der Geruchserinnerung auf das Verhalten soll geklärt werden. Einen weiteren innovativen Aspekt stellt auch die Einbeziehung der Olfaktorik für die Bildung und den Abruf von Gedächtnisinhalten dar. (Koordinator: Professor Giovanni Galizia, Universität Konstanz)

Die Interaktion zwischen Parasiten und ihren Wirten gilt als eine der wichtigsten Antriebskräfte der Evolution. Das Schwerpunktprogramm „Host-Parasite Coevolution – Rapid Reciprocal Adaptation and its Genetic Basis“ will den Mechanismus des gegenseitigen Anpassungsprozesses aufklären. Durch die Verknüpfung verschiedenster Ansätze soll dabei vor allem die Lücke zwischen den bestehenden theoretischen Modellen und Freilanduntersuchungen einerseits und molekulargenetischen Laboruntersuchungen andererseits geschlossen werden. Evolutionsbiologen und Bioinformatiker wollen hierzu ebenso beitragen wie Immunologen und Parasitologen. (Koordinator: Professor Joachim Kurtz, Universität Münster)

Physik/Mathematik

Zwei zukunftsträchtige und international stark beachtete Forschungsgebiete werden in dem Schwerpunktprogramm „Ultrafast Nanooptics“ zum ersten Mal zusammengeführt: die Ultrakurzpulstechnologie und die Nanooptik. Mit diesem neuen Ansatz sollen sowohl theoretisch als auch experimentell Nanoobjekte wie beispielsweise Metallpartikel oder optische Medien mit sehr schnellen Laserpulsen untersucht werden. Interdisziplinär ausgerichtet, vernetzt das Programm die Fachgebiete Physik, Chemie, Elektrotechnik und Biologie. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen sowohl wichtige Aspekte der Grundlagenforschung klären als auch die Grundlage für neuartige Anwendungen sein, so etwa in der Quanteninformationsverarbeitung und in der biologischen und chemischen Sensorik. (Koordinator: Professor Martin Aeschlimann, Universität Kaiserslautern)

Als eines der zentralen Gebiete der modernen Mathematik beschreibt die Darstellungstheorie die Realisierungen von Symmetrien mathematischer Objekte. Im Fokus des neu eingerichteten gleichnamigen Schwerpunktprogramms stehen hochaktuelle Fragen der Geometrisierung sowie ein vielversprechender neuer darstellungstheoretischer Ansatz der letzten Jahre, die sogenannte Kategorifizierung. Die Forscher des Schwerpunktprogramms „Darstellungstheorie“ sind nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch mit Mathematikern in Europa und in China eng vernetzt. Ihre Arbeiten sollen die strukturellen Grundlagen für die Nutzung mathematischer Methoden in zahlreichen Anwendungen, vor allem in der Physik und Chemie, weiter verbessern. (Koordinator: Professor Peter Littelmann, Universität Köln)

Chemie/Verfahrenstechnik

Völliges Neuland in der chemischen Festkörperforschung beschreitet das Schwerpunktprogramm „Kristalline Nichtgleichgewichtsphasen“. Diese nicht glasartigen Nichtgleichgewichtsphasen wurden bislang in keiner Form systematisch erforscht, dabei ist die Aufklärung der Keimbildung eine der faszinierendsten und wichtigsten offenen Fragestellungen in der chemischen Grundlagenforschung. Dies soll nun im Zusammenspiel zwischen theoretisch-konzeptionell und experimentell arbeitenden Gruppen systematisch angegangen werden, wobei insbesondere die Strukturforschung und in-situ-Charakterisierung sowie die Festkörpertheorie und Synthese kombiniert werden. (Koordinatoren: Professor Wolfgang Bensch, Universität Kiel; Professor Josef Breu, Universität Bayreuth)

Um maßgeschneiderte Feststoffe in Pulverform zu gewinnen, werden in der Industrie zunehmend sogenannte „Spray-Verfahren“ eingesetzt. Über die Prinzipien und Mechanismen, die solchen prozessintegrierten Zerstäubungsverfahren zugrunde liegen, ist jedoch bislang nur wenig bekannt. Sie will nun das neu eingerichtete Schwerpunktprogramm „Spray-Verfahren“ systematisch erforschen. Die Forschergruppen, die einen Antrag einreichen können, kommen aus der Verfahrenstechnik, Strömungsmechanik und Physikalischen Chemie. Mit dem angestrebten Erkenntnisgewinn im Grundlagenbereich sollen zugleich auch die Anwendungsmöglichkeiten der Spray-Verfahren deutlich erweitert werden. (Koordinator: Professor Udo Fritsching, Universität Bremen)

Geistes- und Sozialwissenschaften

Zurück ins fünfte und vierte Jahrtausend v. Chr. blickt das Schwerpunktprogramm „Frühe Monumentalität und soziale Differenzierung. Zur Entstehung und Entwicklung neolithischer Großbauten und erster komplexer Gesellschaften im nördlichen Mitteleuropa“. Das Programm befasst sich mit der Entstehung der ersten vollagrarischen Kultur, der sogenannten Trichterbecherkultur. Sie hat die nord- und westeuropäische Landschaft und deren Geschichte tief geprägt, ist bislang jedoch nur oberflächlich erforscht. Für die moderne Vorgeschichtsforschung sind die geplanten Arbeiten damit von ebenso großer Bedeutung wie etwa für die Geschichte schriftloser Kulturen. (Koordinatoren: Professor Johannes Müller, Universität Kiel; Professor Friedrich Lüth, Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt am Main)

Wie sich die Verbreitung und die Aufnahme von Wissenschaft in der Öffentlichkeit durch die modernen Informationstechnologien verändern, ist die zentrale Frage des Schwerpunktprogramms „Wissenschaft und Öffentlichkeit: Das Verständnis fragiler und konfligierender wissenschaftlicher Evidenz“. Ausgehend von dem immer einfacheren Zugriff auf wissenschaftliche Informationen und den damit verbundenen steigenden Erwartungen an die Problemlösungsfähigkeit von Wissenschaft fragt das Programm nach den Bedingungen und den Prozessen des Wissenschaftsverständnisses bei Laien. In enger Verbindung von Kommunikationswissenschaft, Wissenschaftssoziologie, Psychologie, empirischer Pädagogik und naturwissenschaftlicher Fachdidaktik will das Programm zunächst die wissenschaftsbezogene Informationssuche im Internet systematisch analysieren. Weitere Themenschwerpunkte sind die Rezeption von Wissenschaft in Massenmedien und Unterhaltungsangeboten sowie die Vermittlung wissenschaftlicher Denkweisen und Erklärungsmuster in Museen und Schulen. (Koordinator: Professor Rainer Bromme, Universität Münster)

Elektrotechnik/Informatik

Einen völlig neuen Umgang mit Störungen in mobilen Kommunikationsnetzen will das Schwerpunktprogramm „Communications in Interference Limited Networks (COIN)“ ermöglichen. Bislang geht es allein darum, solche Störungen so weit wie möglich zu unterdrücken. Das nun eingerichtete Schwerpunktprogramm zielt dagegen darauf ab, die Interferenzen zwischen verschiedenen Nutzern untereinander konsequent und aktiv zu nutzen. Dieser Paradigmenwechsel erfordert vor allem in der Übertragungstechnik die Lösung zahlreicher grundlegender Fragen, was hier durch die enge Vernetzung von Arbeiten aus der Netzcodierung und -optimierung mit Algorithmen und Sicherheitsaspekten erreicht werden soll. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen der künftigen Kommunikationstechnik wichtige Impulse verleihen. (Koordinatoren: Professor Ralf Kötter und Professor Wolfgang Utschick, beide Technische Universität München; Professor Johannes Huber, Universität Erlangen-Nürnberg)

Die Brücke von der Informationstheorie zur Biologie schlägt das Schwerpunktprogramm „Informations- und Kommunikationstheorie in der Molekularbiologie“ (InKoMBio). Ihm zugrunde liegt die Idee, molekularbiologische Vorgänge als Nachrichtenübertragungsprozesse anzusehen und mit mathematischen Methoden zu untersuchen, die aus der Informationstheorie stammen. Unter diesem neuen Blickwinkel werden vor allem Fragen der Speicherung, Verarbeitung und der Fehlerkorrektur von Informationen in biologischen Systemen betrachtet. Die daran beteiligten Mathematiker, Informatiker, Elektrotechniker, Biologen und Mediziner wollen so neue Möglichkeiten für das Verständnis zellkommunikativer Vorgänge eröffnen. (Koordinator: Professor Martin Bossert, Universität Ulm)

Geowissenschaften

Wie der Planet Erde und das Sonnensystem im Frühstadium entstanden ist – diese Frage fasziniert die Wissenschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen. Wesentliche neue Erkenntnisse erhofft man sich von den extraterrestrischen Proben aus Meteoritensammlungen und präsolarer Materie, die von der erfolgreichen STARDUST-Mission der NASA 2006 zur Erde gebracht wurden. Teile des extrem kostbaren und seltenen Materials sollen nun in dem Schwerpunktprogramm „The First 10 Million Years of the Solar System – a Planetary Materials Approach“ untersucht werden, und zwar im engen nationalen und internationalen Zusammenspiel von Kosmochemikern, Mineralogen, Geochemikern und Astrophysikern. (Koordinatoren: Professor Klaus Mezger, Universität Müncter; PD Mario Trieloff, Universität Heidelberg)

Materialwissenschaften und Werkstofftechnik

Das Schwerpunktprogramm „Nanostrukturierte Thermoelektrika: Theorie, Modellsysteme und kontrollierte Synthese“ verbindet Fragestellungen aus der Physik, der Nanotechnologie und Mikrosystemtechnik, der Mess- und Energietechnik sowie den Materialwissenschaften. Sein Ziel ist die Entwicklung von neuartigen thermoelektrischen Systemen auf der Basis von nanostrukturierten Materialien. Dies gilt derzeit als der aussichtsreichste Ansatz, um die Effizienz von Thermoelektrika zu erhöhen, was wiederum umfangreiche neue Anwendungsmöglichkeiten in der Energietechnik eröffnen würde, so etwa durch die direkte Nutzung von Abwärme. (Koordinator: Professor Kornelius Nielsch, Universität Hamburg)

Die Grundlagen für eine völlig neue Generation feuerfester Werkstoffe will das Schwerpunktprogramm „Feuerfest – Initiative zur Reduzierung von Emissionen“ schaffen. Die neuen Feuerfestwerkstoffe sollen an die Stelle der bisher üblichen kohlenstoffhaltigen Funktionsbauteile treten, die sich vor allem in Hochtemperaturkreisläufen immer wieder als anfällig erweisen. National wie international eng vernetzt, führt das Programm Chemiker, Physiker, Verfahrens- und Regelungstechniker, Plasto- und Bruchmechaniker, Werkstoffwissenschaftler und Mineralogen zusammen. Ihre Erkenntnisse sollen nicht zuletzt dazu beitragen, den Kohlendioxidausstoß weltweit deutlich zu senken. (Koordinator: Professor Christos G. Aneziris, Technische Universität Bergakademie Freiberg)

Das Schwerpunktprogramm „Biomimetic Research: Functionality by Hierarchical Structuring of Materials“ widmet sich dem Ziel einer Material- und Bauteiloptimierung allein durch hierarchische Materialstrukturierung beziehungsweise geometrische Skalierung. Dazu sollen bestehende Systeme biologischer Vorbilder detailliert mit fortgeschrittenen Methoden analysiert, Design- und Simulationsprinzipien erstellt und schließlich Fertigungsprozesse entwickelt werden. Die Erkenntnisse, die von Expertinnen und Experten aus der Biologie, der Physik, der Chemie, der Materialwissenschaften und Werkstofftechnik sowie der Konstruktions-, Fertigungs- und Prozesstechnik erarbeitet werden, haben eine erhebliche Relevanz für aktuell wichtige Fragestellungen, zum Beispiel im Bereich des Leichtbaus, der Energietechnik oder der Medizintechnik. (Koordinator: Professor Peter Fratzl, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung Potsdam).

Media Contact

Dr. Eva-Maria Streier idw

Weitere Informationen:

http://www.dfg.de

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