Warum Belohnung beim Lernen hilft: RUB-Forscher in BRAIN

Belohnungen spielen in vielen alltäglichen Lernprozessen lebenslang eine große Rolle: Hat eine Handlung eine positive Konsequenz, werde ich sie wieder so ausführen, hat sie eine negative Auswirkung, ändere ich sie beim nächsten Mal ab. Welche Hirnmechanismen dieser Art des Lernens zu Grunde liegen, haben Dr. Christian Bellebaum und Prof. Dr. Irene Daum (Abteilung Neuropsychologie des Instituts für Kognitive Neurowissenschaft der RUB) in Kooperation mit der Neurologischen Klinik des Klinikums Dortmund untersucht.

Sie baten Patienten zum Test, die einen Schlaganfall erlitten und Schädigungen in den sog. Basalganglien zurückbehalten hatten. Die Patienten lernten zwar durch Belohnung, hatten aber mehr Schwierigkeiten als Gesunde, wenn es ums Umlernen einmal gewohnter Verhaltensweisen ging. Anhand der genauen Lokalisation der Störung lassen sich solche Probleme voraussagen und sollten im klinischen Alltag berücksichtig werden, empfehlen die Forscher. Ihre Ergebnisse sind Titelstory der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift BRAIN.

Die Erfahrung erfolgreicher Spekulanten

Lernprozesse laufen auf unterschiedliche Weise ab: Während wir etwa beim Fahrradfahren durch zunehmende Übung die Bewegungsabläufe immer weiter verbessern (prozedurales Lernen), knüpfen wir beim geographischen Wissen zum Beispiel bewusst neues an altes Wissen an (deklaratives Lernen). Komplexere Lernprozesse sind schwieriger zu fassen: So beruhen die Entscheidungen erfolgreicher Börsenspekulanten z.B. häufig einerseits auf Faktenwissen. Andererseits reflektieren sie auch langjährige Erfahrungen, die spätere Entscheidungen beeinflussen, ohne dass genau gesagt werden kann, warum. „Bestimmte Strategien, z.B. bei der Zusammenstellung von Wertpapierdepots, sind von Erfolg gekrönt und andere von Misserfolg begleitet“, erläutert Dr. Bellebaum. „Diese Art des Lernens wird als 'belohnungsbasiertes Lernen' bezeichnet und besteht vor allem aus einer Verknüpfung von Handlungen und ihren positiven oder negativen Konsequenzen.“ Diese Zuordnungen gelten nicht notwendigerweise zu 100 Prozent; eine bestimmte Entscheidung ist oft mit mehr oder weniger Erfolg verbunden, häufig in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren, die in die Entscheidung einbezogen werden müssen.

20 Cent für die richtige Farbwahl

Die Forscher wollten wissen, welche Gehirnbereiche für das belohnungsbasierte Lernen zuständig sind. Ihr Verdacht: die Basalganglien, mehrere unterhalb der Großhirnrinde gelegene Kerngebiete, die funktionell an motorischen, kognitiven und limbischen Regelungen beteiligt sind. In der Studie untersuchten sie deshalb, wie gut Patienten, die einige Monate oder Jahre zuvor einen Schlaganfall in den Basalganglien erlitten hatten, aus Belohnungen lernen können. Sie konfrontierten die Versuchspersonen und eine Kontrollgruppe mit einem computergestützten Auswahltest, bei dem sie Kombinationen von verschiedenen Farben und Mustern wählen konnten. Als Belohnung für eine richtige Wahl erhielt der Proband jeweils 5 bzw. 20 Cent. Der Zusammenhang zwischen Muster und Farbe war probabilistisch, d.h. eine bestimmte Kombination führte nur in 80 Prozent der Fälle zu Belohnung.

Umlernen bereitet Patienten Probleme

Zunächst zeigte sich, dass die Patienten gut in der Lage sind, Zusammenhänge zwischen abstrakten Mustern und Farben auf der Basis von Belohnung und nicht-Belohnung zu lernen und dass sie schneller lernten, wenn sie für eine Entscheidung 20 Cent erhielten als wenn sie nur 5 Cent bekamen. „Wenn allerdings die Zusammenhänge umgekehrt wurden, d.h. wenn bei einem geometrischen Muster bisher Entscheidung A, aber aktuell Entscheidung B richtig war, hatten die Patienten Schwierigkeiten, umzulernen“, fasst Dr. Bellebaum zusammen. „Diese Probleme gingen vor allem darauf zurück, dass die Patienten Schwierigkeiten hatten, aus dem Ausbleiben einer erwarteten Belohnung zu lernen.“

Lernprobleme im klinischen Alltag berücksichtigen

Eine genauere Analyse der Testergebnisse weist darauf hin, dass unterschiedliche Teilgebiete der Basalganglien mit der Verarbeitung unterschiedlicher Aspekte des belohnungsbasierten Lernens in Verbindung stehen, wie etwa das Umlernen etablierter Gewohnheiten oder das Lernen aufgrund von positiven und negativen Konsequenzen. „Je nach genauer Lokalisation einer Störung sind somit spezifische Probleme beim Lernen auf der Grundlage von Handlungskonsequenzen zu erwarten, die weitere Entscheidungen beeinflussen und im klinischen Kontext berücksichtigt werden sollten“, so Christian Bellebaum. So könnten beispielsweise für das Erlernen neuer Zusammenhänge gezielt deklarative Lernstrategien angesprochen werden, die häufig nicht beeinträchtigt sind. Dies gelte sowohl für Schlaganfallpatienten als auch für Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie der Parkinsonschen Krankheit. Schwierigkeiten beim belohnungsabhängigen Lernen könnten sich stark auf den Alltag auswirken, denn die entsprechenden Mechanismen spielten in sehr vielen Bereichen eine wichtige Rolle. Beruflich und privat sei es von Vorteil, nur solche Verhaltensweisen oder Strategien weiterzuverfolgen, die langfristig „Belohnung“, also Erfolg versprechen.

Titelaufnahme

Bellebaum C, Koch B, Schwarz M, Daum I. (2008). Focal basal ganglia lesions are associated with impairments in reward-based reversal learning. Brain. 131(3):829-41, http://brain.oxfordjournals.org/, doi:10.1093/brain/awn011

Weitere Informationen

Dr. Christian Bellebaum, Institut für Kognitive Neurowissenschaft, Abt. Neuropsychologie, Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24631, christian.bellebaum@rub.de

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Dr. Josef König idw

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