Auf dem Prüfstand: Wie effizient sind nachgerüstete Abgasfilter für Dieselmotoren?

Feinstaub ist derzeit – wie alle Jahre wieder um diese Jahreszeit – in aller Munde. In der Magadinoebene im Tessin etwa wurde der Grenzwert in den vergangenen Tagen um rund das Doppelte überschritten. Einer der Verursacher ist der Verkehr, vor allem Dieselmotoren, deren Ausstoss an Russpartikeln deutlich über demjenigen von „Benzinern“ liegt. Abhilfe versprechen hier Partikelfilter, die seit einigen Jahren von verschiedenen Automobilherstellern ab Werk angeboten werden. Bei diesen so genannten OEM-Partikelfiltern (für „Original Equipment Manufacturer“) handelt es sich um „geschlossene“ Filter; die Dieselabgase müssen durch die Wände der Keramikfilter hindurchströmen. Die Porengrösse der keramischen Filtersubstanzen liegt dabei typischerweise um 20 Mikrometer. Frühere Messungen der Empa hatten ergeben, dass derartige Werksfilter mehr als 95 Prozent aller Kleinstpartikel zurückhalten können. Der Preis für sauberere Abgase ist ein leicht erhöhter Spritverbrauch, denn der Motor muss etwas mehr leisten, um den vom Filter verursachten Abgasgegendruck auszugleichen.

Doch was tun mit einem Dieselauto ohne Partikelfilter? Nachrüsten heisst die Devise; verschiedene Hersteller bieten Nachrüstfilter oder „Russkatalysatoren“ an. Diese so genannten „offenen“ Filter weisen eine Poren- bzw. Kanalgrösse von ca. einem Millimeter auf; die Filterwirkung beruht darauf, dass die Partikel nach Kontakt mit der Filterwand an der Oberfläche haften bleiben. Trotzdem filtern sie gemäss Hersteller bis zu 70 Prozent der Partikel aus den Abgasen – und das erst noch ohne Mehrverbrauch.

In Zusammenarbeit mit dem Touring Club Schweiz (TCS) wollten Claudio Rüdy und Silke Weimer von der Empa-Abteilung Verbrennungsmotoren wissen, ob die nachgerüsteten Filter tatsächlich halten, was ihre Hersteller versprechen. Auf dem Empa-Rollenprüfstand untersuchten sie die Abgasemissionen eines mit einem Partikelfilter nachgerüsteten VW Touran, Baujahr 2004, in verschiedenen (simulierten) Fahrsituationen. Unter anderem ermittelten sie Masse und Anzahl der Partikel im Abgas und bestimmten mit Hilfe eines so genannten „Scanning Mobility Particle Sizer System“ auch noch deren Grösse. „Wir wollten herausfinden, ob der Nachrüstfilter auch die als besonders gesundheitsschädlich geltenden Kleinstpartikel mit Durchmessern von unter 20 Nanometer herausfiltern kann“, erklärt Rüdy.

Die gute Nachricht: Der getestete Nachrüstfilter funktioniert; im vom Gesetzgeber zur Emissionsmessung vorgeschriebenen „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ sowie in einem dem realen Fahrverhalten besser nachempfundenen Fahrzyklus verringert er Gesamtmasse und Anzahl der Abgaspartikel um rund 40 Prozent. Bei Fahrten mit konstanter Geschwindigkeit – 50, 80 und 120 Kilometer pro Stunde – eliminierte der Nachrüstfilter zwischen 20 und 50 Prozent der Partikel. Und zwar unabhängig von der Grösse bzw. Kleinheit der Partikel. „Dass der Filter auch Partikel um zehn Nanometer abgeschieden hat, erstaunte uns schon“, bemerkt Rüdy. Er habe erwartet, dass vor allem grössere Partikel eliminiert würden.

Dagegen stiegen die Stickoxidemissionen um ein bis elf Prozent an, also genau diejenigen Schadstoffe, die von Dieselfahrzeugen ohnehin schon in relativ grossen Mengen ausgestossen werden. Und bei konstanter Geschwindigkeit sowie beim Autobahnteil des „realen“ Fahrzyklus führte der Filter zu einem Mehrverbrauch an Treibstoff von bis zu 3 Prozent; bei Tempo 120 km/h waren dies immerhin rund 0.2 Liter Diesel pro 100 Kilometer. „Die Nachrüstfilter sind also nicht ganz CO2-neutral“, so Rüdy.

Dass die ab Werk eingebauten OEM-Partikelfilter deutlich besser abschneiden, verwundert den Empa-Experten kaum. Bei diesen Filtersystemen wird unter anderem die Motorsteuerung auf eine maximale Filterleistung abgestimmt; zudem werden die Filter in regelmässigen Abständen gereinigt oder „regeneriert“, indem die festsitzenden Abgaspartikel bei höheren Temperaturen verbrannt werden. „All dies ist bei den Nachrüstfiltern, die anstelle eines Stück Auspuffrohrs eingebaut werden, nicht möglich“, erklärt Rüdy. „Zumindest nicht ohne grössere bauliche Massnahmen am Auto, etwa einem Wechsel des Motorsteuergeräts.“

Partikelfilter ist also nicht gleich Partikelfilter. Selbst wenn Broschüren einen „serienmässigen Partikelfilter“ anpreisen, handelt es sich dabei nicht selten um einen Nachrüstfilter. Claudio Rüdy empfiehlt daher, beim Kauf eines neuen Dieselfahrzeugs beim Händler genau nachzufragen, welche Filtertechnologie die Dieselabgase reinigt.

Fachliche Informationen
Claudio Rüdy, Verbrennungsmotoren, claudio.ruedy@empa.ch
Redaktionskontakt
Sabine Voser Möbus, Kommunikation, sabine.voser@empa.ch

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Sabine Voser idw

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