Eröffnung der Gesamtfahrzeug-Crashanlage

Sind die leichteren Autos sicher? Welches neue Material eignet sich am besten, um die Crashsicherheit zu erhöhen? Dies und vieles mehr testen Fraunhofer-Forscher mit Hilfe der Gesamtfahrzeug-Crashanlage. Sie ermöglicht Tests mit einer Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometern an Fahrzeugen mit bis zu drei Tonnen Gewicht. Heute erfolgt im baden-württembergischen Efringen-Kirchen der erste Versuch.

Airbag, Stoßstange und Instrumententafel bis hin zum gesamten Fahrzeug crashen die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut EMI. Sie werten nach dem Versuch aus, wie sich das Verhalten von Fahrzeugen und deren Komponenten bei einem Unfall verhält. Mit ihrem Know-how, den Analysen und neuen Erkenntnissen unterstützen sie die Entwicklung von energiesparenden, leichten Autos mit Verbrennungsmotoren und alternativen Antrieben.

»Wir haben mit der neuen Crashanlage einen sehr flexiblen Prüfstand geschaffen, der höchsten Anforderungen genügt. Jetzt können wir nicht nur Bauteile, sondern auch Gesamtfahrzeuge testen. Damit bieten wir der Automobilindustrie ein umfassendes Konzept für die Entwicklung von sicheren Autos«, erklärt Professor Klaus Thoma, Leiter des Fraunhofer EMI. »Unsere Wissenschaftler testen seit über zehn Jahren einzelne Bauteile in der Komponenten-Crashanlage, eine Eigenentwicklung des Instituts. Diese langjährigen Erfahrungen können sie nun auch auf Gesamtfahrzeuge anwenden«, freut sich Thoma.

Crashtests sind trotz Computer-Simulationen nach wie vor die zuverlässigste Methode, um PKWs auf ihre Sicherheit zu überprüfen. Eine Besonderheit der neuen Anlage: sie ist mit umfangreicher Spezial-Messtechnik ausgerüstet. Hier wird die Kompetenz des Instituts bei der Erfassung hochdynamischer Vorgänge genutzt. Die Experten setzen beispielsweise spezielle Hochgeschwindigkeitskameras ein sowie eigen entwickelte Beschleunigungsaufnehmer und erfassen die dynamischen Verformungen der Materialien dreidimensional.

Das EMI-Crash-Zentrum
»In der 500 Quadratmeter großen Testhalle können wir unterschiedliche Crashszenarien mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde bei einer Maximallast von 3000 Kilogramm realisieren. Varianten von Frontal-, Heck und Seitenaufprall auf feststehende, starre oder deformierbare Hindernisse sind möglich. Das kann ein anderes Fahrzeug, ein Baum oder der Dummy eines Fußgängers sein«, erklärt Dr. Ingmar Rohr, Abteilungsleiter Werkstoffdynamik. „Die Crashwand misst in Bruchteilen von Sekunden dreidimensional die Kräfte, die auf jedes einzelne der Wandsegmente wirken. Durch die Messungen erhalten wir ein exaktes Bild darüber, an welcher Stelle eines Fahrzeugs die größte Last auftrifft.«

Sieben Hochgeschwindigkeits-Videokameras zeichnen den Versuch auf, damit die Forscher ihn anschließend in 3D-Filmen auswerten können. Um schattenfreie Bilder zu bekommen, beleuchten Strahler mit einer Leistung von 90 000 Watt den Versuch – das Licht ist heller als 2000 handelsübliche Glühbirnen. Der durch Sicherheitsglas abgetrennte Kontrollraum über der Anlage gleicht der Kommandozentrale im Raumschiff Enterprise: Wissenschaftler steuern von hier oben nicht die Reise durch das Weltall, sondern die Versuche in der Testhalle und werten die präzisen Bilder sowie vielfältigen Messdaten des Crashs aus. Software-Tools helfen ihnen dabei, die Daten mittels numerischer Simulation aufzubereiten, damit die im Experiment erlangten Erkenntnisse für weitere virtuelle Szenarien am Computer zur Verfügung stehen.

Leichtbau und Elektromobilität und Sicherheit
Die Fahrzeuge von morgen sollen sicherer und gleichzeitig energiesparender werden. Die Automobilindustrie setzt dabei auf neue, leichte Materialien wie Verbundwerkstoffe oder moderne Stähle und auf alternative Antriebe. Die Werkstoffe und Motoren können nicht nur virtuell, sondern müssen in Crashtests auch real beweisen, dass sie den geforderten Ansprüchen genügen. Das Hauptproblem von Elektrofahrzeugen sind ihre geringe Reichweite, das hohe Gewicht der Batterie-Packs und die Sicherheit bei Unfällen. Größere Reichweiten verlangen eine höhere Energiedichte der Batterie, was wiederum eine größere Gefahr bei einem Zusammenstoß bedeutet. Auch für die Elektromobilität wird die Fraunhofer-Anlage wichtiges, neues Know-how bringen.

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