Endoskopie im Verbrennungsmotor

Neue Messmethoden erlauben Forschern einen Blick in den laufenden Motor

Die Ansprüche an die Autoindustrie steigen: Schneller, leiser, sauberer soll das Auto von morgen sein. Mit dieser Entwicklung müssen auch die Untersuchungsmethoden Schritt halten, die im Entwicklungsprozess eingesetzt werden. Wissenschaftler des Instituts für Kolbenmaschinen der Universität Karlsruhe leisten hierbei Pionierarbeit. Sie haben Messtechniken entwickelt, mit denen sie die Vorgänge im Brennraum eines Ottomotors untersuchen – bei laufendem Betrieb. Ihr Handwerkszeug haben sie der Medizin entliehen: Ein Endoskop erlaubt ihnen den Blick ins Motorinnere.

Eine Zündkerze bewegt sich nicht – diese Tatsache stellt die Konstrukteure von neuartigen Ottomotoren vor eine problematische Aufgabe. In herkömmlichen Ottomotoren wird ein Gemisch aus Luft und Kraftstoff per Ventil in den Brennraum eingeleitet. Die Zündkerze sorgt für die Zündung mit anschließender Verbrennung. Bei Dieselmotoren hingegen wird nur Luft in den Brennraum gebracht, der Kraftstoff hingegen über eine Düse direkt in den Brennraum eingespritzt. Die Zündung kommt hier durch eine starke Verdichtung und Aufheizung des Gemischs zustande.

Die Autoindustrie übernimmt diese Methode der Direkteinspritzung zunehmend auch für Otto-Motoren. Dabei ergibt sich folgendes Problem: Nach dem Einspritzen muss sich der Kraftstoff mit der Luft zu einer zündfähigen Mischung vermengen. Da die Zündung nur an einem Ort – dem der Zündkerze – möglich ist, funktioniert der Motor nur dann reibungslos, wenn es tatsächlich gelingt, die zündfähige Mischung beider Gase genau dorthin zu führen. Im anderen Fall kommt es zu Zündaussetzern, eine unvollständige Verbrennung des Kraftstoffs ist die Folge. Dr. Amin Velji, Geschäftsführer des Instituts für Kolbenmaschinen: „Im Dieselmotor haben wir das Problem nicht, hier kann das Gemisch an jedem Ort im Brennraum zünden. Beim Ottomotor aber brauchen wir die Zündkerze und die lässt sich örtlich eben nicht verändern.“

Die Faktoren, die auf die Güte der Gemischbildung und damit auf die Vollständigkeit der Verbrennung einwirken, sind vielfältig. Wissenschaftler vom Institut für Kolbenmaschinen der Universität Karlsruhe haben deshalb mehrere Messtechniken entwickelt, mit Hilfe derer sie die folgenden vier relevanten Vorgänge untersuchen: Die Strömung der Luft im Brennraum kurz vor der Kraftstoffeinspritzung, die Gemischbildung während und nach der Einspritzung selbst, die Zusammensetzung des Kraftstoff-Luftgemisches an der Zündkerze sowie die Flammenausbreitung während der Verbrennung.

Den Verbrennungsvorgang messen die Wissenschaftler endoskopisch: Die Flammenausbreitung wird von einem Endoskop, dessen Optik einen Winkel von 70 Grad erfasst, festgehalten und durch eine Photomultiplier (PM)-Kamera aufgezeichnet. Als Messgröße zeichnet das Endoskop die Eigenemission der OH-Radikale im UV-Bereich auf, die während der Verbrennung entstehen. Die für diese Untersuchungen verwendete Versuchsapparatur gibt es nur an der Universität Karlsruhe: Je nach Aufgabenstellung wird das Endoskop durch eine kleine Öffnung in den Brennraum eines mehrzylindrigen Serienmotor oder eines Einzylinderforschungsmotors eingeschoben. Die Optik besteht aus 10 000 Lichtleitern, welche die Signale mit einer Frequenz von 200 000 Bildern pro Sekunde an die PM-Kamera weiterleiten. Da das optische System im Brennraum extremen Bedingungen ausgesetzt ist, wird es über Druckluft ständig gekühlt.

Ein weiteres optisches Messverfahren wenden die Forscher des Instituts bei der Messung der Luftströmung im Zylinder kurz vor der Kraftstofffeinspritzung an: Bei der „Particle-Image-Velocimetry“ – kurz PIV – setzen sie der Luft so genannte Tracerpartikel zu, die mittels eines gepulsten Laserlichtschnitts beleuchtet werden. Eine senkrecht zur Messebene angeordnete Kamera nimmt das Licht, das an diesen Teilchen gestreut wird, auf. So wird ein zweidimensionales Feld an Partikeln aufgezeichnet. Die Geschwindigkeit der Teilchen finden die Wissenschaftler dadurch heraus, dass sie die Partikel zweimal kurz hintereinander belichten: Durch die Positionsänderung der Teilchen zwischen den beiden Belichtungen errechnen sie unter Berücksichtigung der dazwischen liegenden Zeit deren Geschwindigkeit. Das „Fenster“, durch das die Forscher bei dieser Messmethode ins Innere des Motors schauen, ist ein Glasring, der zu diesem Zweck in das Motorgehäuse eingelassen wird.

Ebenfalls durch einen endoskopischen Zugang oder mit Hilfe einer speziellen Zündkerze können die Wissenschaftler die Gemischqualität zum Zündzeitpunkt beurteilen: Die Zündfunkenemissionsspektroskopie erlaubt durch die Erfassung der aus dem Zündfunken ausgesendeten Strahlung die Bestimmung der lokalen Gemischzusammensetzung zum Zündzeitpunkt direkt an der Zündkerze.

Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen helfen, die innermotorische Verbrennung zu optimieren: So ordnen die Wissenschaftler beispielsweise der endoskopisch gemessenen Eigenemission der OH-Radikale eine gleichzeitig aufgenommene Messung der Drücke im Motor zu und untersuchen diese Zusammenhänge.

Media Contact

Dr. Elisabeth Zuber-Knost idw

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