Schnelltest spürt Schäden an Brücken auf

Rund 38.000 Brücken gibt es im deutschen Straßennetz. Immer mehr davon sind extern vorgespannte Betonbrücken, die mit dem neuen Schnelltest überprüft werden können.<br><br>Foto: Institut für Massivbau und Baustofftechnologie am KIT<br>

Straßenbrücken sind enormen Belastungen ausgesetzt. Vor allem der Schwerlastverkehr macht ihnen zu schaffen. Um Schäden rechtzeitig zu erkennen, müssen sie regelmäßig visuell begutachtet und alle sechs Jahre detailliert überprüft werden – das schreibt die deutsche Norm DIN 1076 vor, welche die Überwachung und Prüfung von Straßenbauwerken hinsichtlich Standsicherheit, Verkehrstauglichkeit und Dauerhaftigkeit regelt.

Die bislang dafür existierenden Verfahren sind aufwändig und teuer, zudem müssen die Brücken teilweise für den Verkehr gesperrt werden. Für Spannbetonbrücken mit externen Spanngliedern könnte sich das bald ändern: Professor Lothar Stempniewski und sein Mitarbeiter Dipl.-Ing. Steffen Siegel vom Institut für Massivbau und Baustofftechnologie (IMB) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben einen Schnelltest entwickelt, mit dem Brücken bei laufendem Verkehr innerhalb nur eines Tages auf Schäden an den Spannseilen untersucht werden können. Die Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH unterstützt das KIT bei der Vermarktung und sucht nun Anwender und Lizenznehmer für das neuartige Messverfahren.

Spannbetonbrücken sind in Deutschland weit verbreitet, seit rund 20 Jahren werden die meisten größeren Talbrücken mit externen, also nicht in den Beton eingegossenen Spanngliedern gebaut. Dabei befindet sich unterhalb der Fahrbahn ein Hohlkasten aus Beton, in dem dicke Stahlseile verlaufen. Dieser Spannstahl gibt dem gegen Zugkräfte wenig widerstandsfähigen Beton die nötige Stabilität. Schäden an den Stahlseilen können daher fatale Folgen für die gesamte Brücke haben und werden meist viel zu spät entdeckt.

Das unter der Leitung von Professor Lothar Stempniewski entwickelte Verfahren zur Messung der Schwingung bei externen Spanngliedern wurde 2009 als europäisches Patent angemeldet, mittlerweile werden die ersten Brücken damit überprüft. Die Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH hat die Patentierung begleitet und berät das KIT bei der Vermarktung der innovativen Messmethode. „Das Verfahren gibt einen schnellen Überblick über den Zustand der erfassten Brücken. Es ist kostengünstig durchführbar und zeigt den Verantwortlichen direkt nach der Messung, ob eine Brücke genauer überprüft und gegebenenfalls saniert werden muss“, erklärt TLB-Innovationsmanager Dr.-Ing. Hubert Siller.

Das Prinzip des neuen Verfahrens ist einfach: Es misst die Schwingungen in den Spannseilen und vergleicht die Ergebnisse mit Werten aus früheren Messungen. „Wenn die Spannkraft eines Seiles nachlässt, nimmt die Frequenz ab. Ungewöhnliche Veränderungen der Frequenz deuten folglich auf Schäden an den Drähten oder Litzen hin“, erklärt Steffen Siegel. Das patentierte Verfahren erfasst die Frequenzspektren mit einer Genauigkeit von 0,01 Hz und ist bei allen hierzulande verwendeten Arten von externen Spanngliedern einsetzbar.

Voraussetzung für das Aufspüren von Abweichungen ist die sogenannte Nullmessung, also die Erfassung eines Ausgangswertes. Über mehrere Messungen hinweg kann der Zustand der Spannglieder recht gut abgeschätzt werden und im Zweifelsfall im Anschluss eine um ein vielfaches teurere Detailuntersuchung durchgeführt werden. In Zusammenarbeit mit dem KIT hat die Firma ZINS Ziegler Instruments GmbH ein Messgerät entwickelt, das die erfassten Werte speichert und bei späteren Messungen Frequenzveränderungen aufzeigt. „Die Ergebnisse liegen sofort vor, zudem ist das Gerät einfach zu bedienen. Daraus ergeben sich massive Zeit- und Kostenersparnisse bei der Prüfung von externen Spanngliedern“, sagt Steffen Siegel.

Derzeit werden drei Brücken in Baden-Württemberg überprüft, weitere Brücken in Deutschland und im europäischen Ausland sollen folgen. Der neue Schnelltest hat ein enormes Potential: Die Messungen sind im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren wie Ultraschall, Radiografie oder magnetinduktiver Prüfung wesentlich einfacher und um bis zu 95 Prozent kostengünstiger. Zudem liefern sie sofort verwertbare Ergebnisse.

Die Forschungen am KIT laufen derweil weiter, denn das patentierte Verfahren eignet sich auch zur Überprüfung von externen Windenergieanlagen (sogenannte Hybridtürme), von seilabgespannten Konstruktionen wie Stadiondächern und von Schrägseilbrücken wie beispielsweise der Rheinbrücke bei Karlsruhe. Bis das Verfahren für diese speziellen Anwendungsbereiche marktreif ist, werden aber wohl noch einige Monate vergehen.

Interessenten können sich an den TLB-Innovationsmanager Dr.-Ing. Hubert Siller wenden (Telefon 0721 790040, Mail: hsiller@tlb.de).

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Annette Siller idw

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