Wieder "Maloche auf Zollverein": Forscher arbeiten in der Kokerei

Bis 1986 war sie die „verbotene Stadt“ im Norden von Essen: Das Areal der Zeche Zollverein, heute UNESCO-Weltkulturerbe, durfte nur ein Teil der Bevölkerung betreten.

Über- und Untertage verrichteten dort Kohlearbeiter Schwerstarbeit unter tosendem Lärm und Kohlendreck. Die einst mit giftigen Nebenprodukten der Kohleaufbereitung bestäubte „Kathedrale der Arbeit“ soll heute vor dem Verfall bewahrt werden und ist gleichzeitig Quelle von Umweltschadstoffen.

Ein Konflikt vieler Industriedenkmale. Wie künftig der Erhalt und Umgang mit den kulturhistorischen Anlagen aussehen kann, soll nun am Beispiel der Kokerei „auf Zollverein“ geprobt werden. Mit Hilfe der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) entwickelt das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum einen innovativen Aktionsplan für umweltgeschädigte Industriedenkmale. Den vom UNESCO-Welterbezentrum geforderten Überwachungs- und Betreuungsplänen soll damit nun Rechnung getragen werden. Die DBU hilft mit 104.000 Euro.

„Zum einen sind diese Industrieanlagen nie für eine langfristige Existenz geplant worden. Und zum anderen sind sie über Jahre reinen Giften ausgesetzt gewesen“, fasst Dr. Stefan Brüggerhoff vom Deutschen Bergbau-Museum die Ausgangslage zusammen. Die 600 Meter lange Kokereianlage, die Nebengebäude und der Boden, auf dem sie stehen, seien stark von Teeren, Schwefelverbindungen und anderen organischen Stoffen belastet. Bis zu 5.000 Tonnen Koks seien hier am Tag produziert worden. Das hinterlasse Spuren, so Brüggerhoff. Die stillgelegte Kokerei sei heute Wind und Wetter ausgesetzt, und Regen spüle die Schadstoffe in den Boden. So werde die Natur, die sich mittlerweile das Gelände zurück erobere, belastet. „Gleichzeitig stecken wir aber in dem Dilemma, diese Anlagen als Kulturerbe und für Besucher zu erhalten. Und das, ohne einen speziellen Denkmalschutzplan für Industrieanlagen zu haben“, so Brüggerhoff weiter.

Gemeinsam mit dem Westfälischen Landesmuseum für Industriekultur in Dortmund soll jetzt erstmalig ein wegweisender Aktionsplan für Industriedenkmale erarbeitet werden. Darin sollen unter anderem prinzipielle Vorgehensweisen für die Sanierung abgeleitet, Arten von Anstrichen vorgeschlagen, Umwelteinflüsse erfasst oder auch die Entsorgung von Altlasten vorgegeben werden. Brüggerhoff: „Dabei wird es dann die Kunst sein, zwischen erhaltender Denkmalpflege und verändernder Architektur zu vermitteln.“ Die Interessen von Besuchern sollen auch bedacht werden. Man wolle schließlich keine „Denkmal-Käseglocke“ im Revier, denn nur die Nutzung solcher Anlagen ermögliche auch deren Erhalt.

Die Erfahrungen, die im Erhalt anderer Anlagen gemacht wurden, sollen ausgenutzt werden und in das Konzept einfließen. Das Hochofenwerk Henrichshütte in Hattingen sei so ein erfolgreiches Sanierungsobjekt. „Das Know-How aus Hattingen können wir auf Zollverein auch gebrauchen“, so Brüggerhoff. Der Maßnahmenkatalog, der am Ende des Projektes veröffentlicht werde, soll nur vorübergehend sein, weil sich die Denkmalpflege durch die vielen Beispiele weiter entwickle und nicht statisch sei. Vielmehr soll eine Internetplattform den fortlaufenden Prozess und die Diskussionen um den Umgang mit den gewaltigen Anlagen veranschaulichen.

Seit sich der rußgeschwärzte Himmel über dem Kohlerevier gelichtet hat, pilgern zahlreiche Besucher zu dem bekanntesten Industriedenkmal im Ruhrgebiet, um sich die einst modernste Steinkohleförderanlage der Welt anzusehen. Im Kulturhauptstadt Jahr 2010, in dem Zollverein als Empfangsort eine wichtige Rolle spielen soll, werde ein erster Zwischenstand des Projektes „auf Zollverein“ vorgestellt. Brüggerhoff: „So wie das Ruhrgebiet durch die Kultur ein neues Profil erhält, könnte auch die Denkmalpflege ein neues Profil durch unsere Arbeit hier auf Zollverein erhalten.“

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Franz-Georg Elpers idw

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