Künstliche Intelligenz im Baubüro: Forscher entwickeln Software für vernetztes Dokumentenmanagement

Tausende von Dokumenten, Hunderte Personen, Dutzende Firmen – und ein System, das Dokumente intelligent vernetzt, Planänderungen erfasst und so den Überblick behält: Bis Ende 2011 wollen Wirtschaftsinformatiker der Universität Hohenheim eine Software entwickeln, die diesen speziellen Anforderungen der Baubranche Dank künstlicher Intelligenz gerecht wird.

Kooperationspartner der Forscher sind die Software-Unternehmen CTO Balzuweit GmbH und Jesselle GmbH. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt insgesamt 172.000 Euro für das Verbundprojekt zur Verfügung. Das Projekt gehört damit zu den Schwergewichten der Forschung an der Universität Hohenheim.

Bei Bauvorhaben können schon kleine Planänderungen große Wirkungen haben. Wird beispielsweise nur ein Fenster von der Ost- in die Südwand verschoben, wirkt sich das gleich auf mehrere am Bauvorhaben Beteiligte aus. Oft findet sich diese Information nur in einem von bis zu Tausenden Baudokumenten wieder.

„Künftig erkennt die Software alle von dieser Änderung betroffenen Bauvorgänge. Sie ruft alle zugehörigen Dokumente auf, etwa Aufträge, Kalkulationen und Rechnungen, und benachrichtigt die Beteiligten“, berichtet Dr. Jörg Leukel, der projektverantwortliche Wirtschaftsinformatiker der Universität Hohenheim.

Bislang erledigen dies spezialisierte Sachbearbeiter, die einen kompletten Überblick über das gesamte Bauvorhaben haben müssen. „Trotzdem ist für sie die gezielte Suche nach Bauvorgängen und die Information der Beteiligten sehr zeitintensiv und mühsam“, so der Wirtschaftsinformatiker.

Neue Software vernetzt Dokumente

Die einzelnen Baudokumente stehen inhaltlich in einer Beziehung zueinander. Sie betreffen zum Beispiel denselben Bauabschnitt oder dasselbe ausführende Bauunternehmen. „Jedoch gehen viele inhaltliche Beziehungen von Gewerken nicht deutlich aus den Dokumenten hervor. Was fehlt ist die Vernetzung“, erklärt Dr. Leukel das Problem.

Die Lösung: Die Wissenschaftler entwickeln Methoden, um inhaltliche Beziehungen zwischen Baudokumenten automatisiert zu erkennen. Dazu dient zum einen ein sogenanntes Wissensmodell, das die möglichen inhaltlichen Beziehungen der Dokumente untereinander abbildet. Zum anderen werden Verfahren benötigt, um unterschiedlichste Baudokumente systematisch auszuwerten und Dokumentinhalte zu erfassen.

Die Hohenheimer erweitern die Funktionalität heutiger Dokumentenmanagement-Systeme (DMS). Solche Systeme erfassen bereits heute Dokumente elektronisch durch Scannen, Texterkennung und Zuordnung zu Unternehmen und Projekten. Zukünftig soll zuerst erkannt werden, ob es sich um ein Angebot, eine Rechnung, einen Auftrag oder ähnliches handelt. Anschließend erfolgt die inhaltliche Analyse und Zuordnung zu Bauvorgängen.

Dr. Leukel erläutert an einem Beispiel: „Kommt es zu einer Reklamation, muss der Vorgang heute noch von Hand aus allen Dokumenten recherchiert und rekonstruiert werden. Unser Ansatz stellt eine intelligente Suchfunktion bereit, die alle mit der Reklamation in Beziehung stehenden Geschäftsdokumente findet und schnell und vollständig ausgibt. Die Fehlerrate soll so gering sein, dass die richtigen Dokumente zu 99% dabei sind.“

ProBauDok – Schlüssel zur Effizienz

Dr. Leukels Projekt heißt „ProBauDok – Kooperatives, semantisch sensitives Dokumentenmanagement in industriellen Bauprojekten“.

„Unser Ziel ist ganz klar: Wir möchten über Methoden der Wissensverarbeitung das in verteilten Baudokumenten enthaltene Wissen dem Projektmanagement zugänglich machen. Zukünftige Softwaresysteme sollen auf diese Weise helfen, dass Unternehmen effizienter mit großen Informationsmengen umgehen und die richtigen Informationen erhalten“, so Dr. Leukel.

Wissensmodell für Geschäftsdokumente
Die Hohenheimer Wissenschaftler entwickeln ein neuartiges Wissensmodell für Geschäftsdokumente und erweitern es um bauspezifische Inhalte.

Aus denselben Bausteinen soll auch in Zukunft das Web 3.0 entstehen. Dr. Leukel: „Es ist auch bekannt als Semantic Web und wird auf Wissensmodellen beruhen. Heutige Suchmaschinen benutzen kein Wissensmodell. Sie suchen nur nach Begriffen, die nicht untereinander vernetzt sind.“

„Wissensmodelle bilden die Basis für Dokumentenmanagement-Systeme der neuen Generation. Das heißt, dass Dokumente nicht mehr rein sprachlich beschrieben werden, sondern das Programm verschlagwortet sie mit künstlicher Intelligenz und sortiert sie in die richtige zeitliche Reihenfolge. Dies ist nur mit semantischen Technologien zu erreichen“, erklärt der Wissenschaftler.

Hintergrund: Schwergewichte der Forschung

Rund 26 bzw. 32 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Forscher der Universität Hohenheim allein in den beiden vergangenen Jahren – jeweils rund 20% mehr als im Vorjahr. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem Drittmittelvolumen von mindestens einer viertel Million Euro bzw. 125.000 Euro in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Media Contact

Florian Klebs idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-hohenheim.de/

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