Forschungsprojekt: Echtzeit-Monitoring der Infrastruktur – Straßenqualität per Smartphone prüfen

Prof. Paul Havinga von der University of Twente University of Twente

Mobile Geräte wie Smartphones sammeln ununterbrochen Daten. Wie aber lassen sich daraus nützliche Erkenntnisse gewinnen? Und wie lassen sich diese Datenmengen sinnvoll um gezielt gewonnene Informationen ergänzen?

Diesen Fragen gehen die Forscher der Pervasive Systems Research Group nach. Ihr Ziel: Lösungen für die unterschiedlichsten Probleme entwickeln. Ob zur Beobachtung von Korallenriffen unter Wasser oder der Auffindbarkeit von Rollstühlen in Krankenhäusern – die Einsatzpalette ist breit. Einen Forschungsschwerpunkt bilden Infrastrukturprojekte wie Brücken, Tunnel oder Hochhäuser.

Drahtlose Sensoren

Erste Erkenntnisse brachte das europäische Forschungsprojekt „Genesi“ hervor. Dabei haben Forscher aus Enschede und anderen europäischen Universitäten drahtlose Sensoren während der Bauphase zweier Verkehrsprojekte getestet: der Brücke „Pont de la Poya“ in der Schweiz und einer Tunnelröhre für die U-Bahn in Rom. Schon während der Arbeiten konnten Daten gewonnen werden, die für den weiteren Baufortschritt genutzt wurden – vor allem, um Risiken einzudämmen.

Das Besondere: Nach Fertigstellung der Bauwerke blieben die Sensoren an Ort und Stelle – und liefern seitdem fleißig Daten, die Rückschlüsse auf den aktuellen Zustand ermöglichen. Die Zugkräfte, die auf die Brückenpfeiler einwirken, werden ebenso gemessen wie die Einflüsse von Windböen und wechselnden Wasserständen. Im neuen römischen U-Bahn-Tunnel werden unter anderem die Schwingungen dokumentiert, die durch den unterirdischen Gleisverkehr verursacht werden.

Wartungsplanung

Die Erkenntnisse aus Genesi führen zum nächsten Forschungsschritt: „Condition Based Monitoring“-Projekte, deren Ergebnisse die vorausschauende Wartungsplanung bestehender Bauwerke revolutionieren können. „Wir befestigen drahtlose Sensoren an vorhandenen Brücken und messen die Bewegungen in der Konstruktion, die beispielsweise durch Güterzüge verursacht werden. Die beiden für uns entscheidenden Fragen lauten: Wo platziert man die Sensoren, um die entscheidenden Daten zu erhalten? Und welche Daten sind wirklich relevant?“

Die Datenflut sei immens und müsse sinnvoll kanalisiert werden, bevor sie dem Betreiber der Objekte zur Verfügung gestellt werde. „Wir müssen die richtige Auswahl treffen, um relevante Informationen zu gewinnen. Daraus wiederum müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen, so dass wir entsprechende Handlungsempfehlungen geben können“, erläutert Havinga.

Damit gehen die Forscher ganz nebenbei auf einen aktuellen Trend ein: Immer häufiger wird die Instandhaltung von Infrastrukturobjekten auf Unternehmen übertragen. „Die wollen natürlich wissen, worauf sie sich einlassen. Deshalb sind Informationen zur zukünftigen Instandhaltung immens wichtig.“ Betrieben werden die Sensoren übrigens mit Sonnenenergie.

Daran schließen zwei Forschungsprojekte an, die von der University of Twente zusammen mit niederländischen Unternehmen betrieben werden. Eines befasst sich mit der Kontrolle der Straßenqualität per Smartphone.

„Heutzutage wird die Verfassung bestimmter Straßen vielleicht einmal in zwei Jahren kontrolliert. Dafür werden spezielle Messfahrzeuge angefordert, die ein genaues Bild des Zustandes aufzeichnen“, so der Professor. Hierfür seien zwar modernste Geräte im Einsatz; in Wiesbaden beispielsweise werden selbstfahrende Messfahrzeuge mit verschiedenen Kamerasystemen und mobilen Laserscannern eingesetzt. Doch ein Problem bleibt trotz aller modernen Ausstattung bestehen: Die Daten sind schnell veraltet.

Schlicht und kontinuierlich

Deshalb haben die Forscher der University of Twente einen Plan für eine kontinuierliche Messung entwickelt – und der Clou liegt in der Schlichtheit. „Im Grunde kann man mit jeden Smartphone eine App nutzen, die Daten zur Straßenqualität sammelt. Diese Informationen sind zwar vergleichsweise grob. Wenn man aber beispielsweise Berufspendler beauftragt, ihre tägliche Strecke von zu Hause zur Arbeit und zurück per Smartphone zu kontrollieren, erhält man sehr genaue und vor allem aktuelle Daten über den Zustand der Fahrbahn.

So lässt sich unter anderem die Entstehung von Spurrillen dokumentieren“, verdeutlicht Havinga. Und wer soll die Messungen durchführen? Hiermit, so der Forscher, könnte man die Mitarbeiter staatlicher Behörden beauftragen – oder auf das Engagement Freiwilliger setzen.

Gerade in Deutschland sieht Havinga großes Potenzial. „Das Straßennetz ist so groß, dass mit herkömmlichen Methoden nur ein Bruchteil aller Fahrbahnen regelmäßig geprüft werden kann. Wer häufiger in Deutschland unterwegs ist, weiß, dass Handlungsbedarf besteht.“ Deshalb böte die Messung per Smartphone eine ideale Ergänzung zu den bisherigen Methoden.

Ähnlich verhält es sich mit einem Projekt zur Überwachung der Schienenqualität. „Auf Gleisen müssen ebenfalls spezielle Messfahrzeuge eingesetzt werden, die nur zu bestimmten Zeiten ausgewählte Abschnitte kontrollieren.“ Auch hier bietet die Messung per Smartphone-App eine ideale Ergänzung. Doch wie soll die regelmäßige Messung erreicht werden? „Eigentlich ganz einfach: Schaffner, Lokführer und Zugführer sind ohnehin jeden Tag auf allen Strecken im Einsatz. Wenn sie mit dem Smartphone in der Tasche unterwegs – praktisch nebenbei – die entsprechenden Daten sammeln, erhalten wir ausgezeichnetes Material.“

Marktreife
Diese beiden Projekte sind nach Angaben von Havinga schon am weitesten fortgeschritten. Zwar müssten auch hier noch Fragen der Auswertung geklärt werden, aber „wir sind der Marktreife schon sehr nahe gekommen“. Somit könne die Instandhaltung von Brücken und Bahngleisen, Tunneln und Trassen künftig wesentlich effektiver geplant werden, wodurch sich immense Kosten einsparen ließen. Gute Aussichten für den nächsten Bundesverkehrswegeplan…

Media Contact

Alf Buddenberg idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.utwente.nl/en/research/

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