Chemie am Bau: Polymere, Photokatalysatoren und andere Finessen

Präventiver Betonschutz spielt im Bauwesen und Straßenbau eine immer größere Rolle, um Schäden an Betonbauwerken, verursacht durch Umwelteinflüsse, zu vermeiden. Dem Frost-Tausalz-Angriff kann mit Silicon- oder Silanprodukten entgegengewirkt werden. Aber auch Autobahnbrücken profitieren bezüglich ihrer Sicherheit von den Kenntnissen der Bauchemiker. Erfolgreich können jetzt Tiefenhydrophobierungen durchgeführt werden, so dass also kein Wasser und Tausalz mehr in die Brückenbauwerke aus Beton eindringen und dort Korrosionsprozesse auslösen können.

Für Mörtel und Betone stellen Polymerdispersionen wichtige Additive dar. U.a. wird zurzeit darüber geforscht, welche Größe und Struktur Latex-Nanopartikel auf Styrol/n-Butyacrylat-Basis haben sollten, um die Haltbarkeit und die mechanischen Eigenschaften von Mörtel und Betonen zu optimieren. Beton-Polymer-Verbundmaterialien können aber auch Polymer- oder Kohlenstofffaser verstärkte Betone sein. Autobahnbeläge oder säurebeständige Abwasserrohre werden aus solchen Verbundmaterialien gefertigt.

Wenn von Chemie am Bau die Rede ist, denkt man meist an die Kunststoffschäume zur Isolierung – vor allem zur Wärmedämmung, aber auch zur Lärmminderung oder elektrischen Isolierung. An erster Stelle der handelsüblichen Wärmedämmstoffe steht Polyurethan-Hartschaum. Er wird für Außenwände zunehmend in Wärmedämm-Verbundsystemen mit Trockenmörtel eingesetzt. Konventionell aufgeschäumte Polymere werden in Zukunft wohl durch nanoporöse Schäume ersetzt, zu mindest bei der Wärmedämmung; denn ihre Wärmeleitfähigkeit ist sehr gering. Die ideale Porengröße beträgt hier ungefähr 100 bis 150 Nanometer, während der konventionelle Schaum Porendurchmesser von 40 bis 100 Mikrometern aufweist, also etwa tausendmal größere Poren hat. Was in der Forschung schon bestätigt wurde, lässt sich industriell noch nicht nutzen: Man konnte bislang kein geeignetes Verfahren für die Herstellung nanoporöser Schäume finden.

Fluormodifizierte Polyurethan Dispersionen eignen sich, besser als die reinen Polyurethane, um Oberflächen vor Chemikalien, Korrosion, Wind und Wetter zu schützen. Sie weisen auch hervorragende mechanische Eigenschaften auf. Alle Eigenschaften lassen sich durch die Menge an Fluor im Polymer oder durch Zugabe unterschiedlicher Monomerer gut steuern. Die Polymere lassen sich also maßschneidern.

Behälter zur Lagerung von Trinkwasser sind häufig mit zementgebundenen Beschichtungsmaterialien ausgekleidet, die aber leicht durch physikalisch-chemische Prozesse, beispielsweise Wechselwirkungen mit den im Wasser gelösten Bestandteilen oder pH-Wert Absenkung, geschädigt werden können. Dies wiederum begünstigt eine Besiedlung mit Mikroorganismen in Form von Biofilmen – die hygienische Lagerung von Trinkwasser ist nicht mehr gewährleistet. Derzeit wird erforscht, wie sich solche Biofilme mikrobiell zusammensetzen und welche Stoffe diese Mikroorganismen produzieren. Die Charakterisierung der Biofilmpopulation erfolgt molekularbiologisch durch Untersuchung des Erbgutes (DNA).

Zahlreiche Bauprodukte enthalten heute Photokatalysatoren. Sie verleihen Oberflächen einen selbstreinigenden Effekt, so dass Keramikfliesen, Dachziegel, Glas oder seit kurzem auch Außenfarben mit Photokatalysatoren zur Selbstreinigung versetzt werden. Aber es war bisher nur der Außenbereich, wo diese Katalysatoren wirkten, weil sie UV-Licht benötigen. Nachdem man entdeckt hatte, dass die Photokatalysatoren auch die Außenluft in verkehrsreichen Stadtzentren verbesserten, war ein Ziel der Forschung, auch Schadstoffe in der Innenraumluft photokatalytisch abzubauen. Und es gelang tatsächlich, Photokatalysatoren zu entwickeln, die auf gewöhnliche Innenraumbeleuchtung oder auf diffuses Tageslicht ohne UV-Anteil ansprechen. Hierzu wurde Titandioxid gezielt mit Kohlenstoff dotiert. Dank einer gelungenen Zusammenarbeit von Hochschule und Industrie dauerte die Forschungs- und Entwicklungsarbeit an diesem Projekt nur 18 Monate. Von unabhängigen Forschungsinstituten wurde bestätigt, dass Schadstoffe und Gerüche (z.B. Zigarettenrauch) durch die neuen VLC (Visible Light Catalysator) reduziert werden. Privathaushalte, vor allem aber Hotels, Restaurants, Schulen, Krankenhäuser und Industriebetriebe können nun die Raumluft signifikant verbessern.

Die Eigenschaften von Gipsbaustoffen, deren Basis Calciumsulfat-Dihydrat ist, lassen sich durch Carboxylsäuren gezielt einstellen. Bei der Umwandlung (Hydratation) von Calciumsulfat-Halbhydrat zu Gips verzögern sie je nach Menge und Art das Abbinden und damit den Gefügeaufbau. Als Carboxylsäuren werden z.B. eingesetzt: Citronensäure, Äpfelsäure, Bernsteinsäure oder Weinsäure. Die Reaktionsmechanismen bei der Erhärtung zu Gips versteht man erst, seit man moderne physikalische oder physikalisch-chemische Untersuchungsmethoden hier anzuwenden versteht.

Solche modernen Untersuchungsmethoden sind besonders wichtig für die Überwachung und Wartung von Bauwerken, gelingt es doch mit ihnen, für die Bausubstanz schädliche Prozesse frühzeitig zu entdecken und zu beheben. Das gewährleistet Sicherheit für Bauwerk und Nutzer und verringert die Kosten für die Instandhaltung. Von Bedeutung für den chemischen Gesundheitszustand von Betonbauwerken sind die drei Kenngrößen: pH-Wert, Feuchtigkeit und Chloridkonzentration. Der pH-Wert im Beton beträgt in der Regel 12,5. Sinkt er ab, deutet das auf einen möglichen chemischen Angriff hin. Feuchtigkeit ist an vielen chemischen Prozessen im Beton beteiligt und dient als Transportmedium für unterschiedliche Stoffe. Eine hohe Chloridbelastung, beispielsweise durch Tausalze, greift den Beton an. In der Entwicklung befinden sich optische chemoselektive Sensoren für die Bauwerksüberwachung. Beschichtungen auf Beton werden häufig ebenfalls durch chemische Reaktionen angegriffen. Zur Diagnose solcher Schäden dienen diverse chemische Analysentechniken.

In Karlsruhe tauschen sich Wissenschaftler darüber aus, welche Analysestrategien bei welchen Problemen und welche Werkstoffe die besten sind. Es gilt, durch Forschung neue, noch leistungsfähigere und dauerhafte Werkstoffe für das 21. Jahrhundert zu entwickeln.

Die Gesellschaft Deutscher Chemiker gehört mit über 27.000 Mitgliedern zu den größten chemiewissenschaftlichen Gesellschaften weltweit. Sie hat 25 Fachgruppen und Sektionen, darunter die Fachgruppe Bauchemie mit knapp 300 Mitgliedern. Die Fachgruppe besteht seit 1997. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bauchemische Kenntnisse zu bündeln, zum Informationsaustausch beizutragen und neue Impulse für Forschung und Entwicklung zu geben.

Media Contact

Dr. Renate Hoer idw

Weitere Informationen:

http://www.gdch.de

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