Bauphysik für bessere Noten: Schulsanierung am Gymnasium Miesbach

Generationen von Schülern leiden darunter: Lärm, stickige Luft, schlechtes Raumklima. Die Gebäudemängel vieler Schulen beeinträchtigen den Unterricht. Kleinste Geräusche verstärken sich derart, dass Schüler abgelenkt werden und die Lehrer schlecht verstehen. Häufig kommt Straßenlärm hinzu, weil die Luft im Klassenzimmer wieder stickig ist, sich die Heizung nicht regulieren lässt und die Fenster geöffnet werden. All dies stört den Unterricht und beeinflusst nachweislich die Aufmerksamkeit und damit die Lernleistung der Schüler. Besser sind bauphysikalisch optimierte Schulgebäude: Doch wegen des Rückgangs der Schülerzahlen und der leeren Haushaltskassen werden kaum noch neue Schulen gebaut. Um den Bestand weiter nutzen zu können, muss er saniert werden. Im Vordergrund steht derzeit meist nur die energetische Sanierung, denn dadurch lässt sich der Primärenergieverbrauch an Schulen deutlich senken. Das IBP geht einen Schritt weiter und entwickelt einen Leitfaden, der beschreibt, wie Schulen energetisch, raumklimatisch, akustisch und hygienisch optimal ausgerichtet werden können.

Modellhaft wird nun das Gymnasium Miesbach saniert. »Dabei geht es nicht nur um Wärmedämmung, Dichtheit der Gebäudehülle sowie Wärme- und Lichterzeugung, sondern ebenso um Charakteristika des Schulbetriebs wie hohe Personendichte, schnelle Raumwechsel, laute Umgebung, jährlich neue Nutzer«, erklärt Prof. Klaus Sedlbauer, Leiter des IBP, den umfassenden Ansatz der Bauphysiker. Die Konzeptionsphase beginnt im Juni 2006 und umfasst ein Volumen von 125 000 Euro. Die Hälfte davon wird als Förderung bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt beantragt, die andere Hälfte, die auf den Landkreis als Schulträger entfällt, wird von der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee zur Verfügung gestellt. Neben der Qualität des Unterrichts hat die bauliche Qualität der Schulräume einen großen Einfluss auf die Lehr- und Lernleistung. Verschiedene Studien zeigen, dass eine optimalen Raumkonditionierung die Lernleistung von Schülern deutlich steigert. Dabei spielen besonders die thermische und akustische Behaglichkeit sowie die empfundene Luftqualität eine wichtige Rolle.

Durch die energetische Sanierung wird der Primärenergieverbrauch des Gebäudes deutlich reduziert. Dabei werden die Energieaufwendungen für Heizzwecke, zur Warmwasserbereitung und zur Lüftung von Gebäuden inklusive der hierzu notwendigen Anlagentechnik untersucht. So wird auch darauf geachtet, dass die Schüler möglichst optimal bei Tageslicht arbeiten können. Das spart Energie und wird angenehmer empfunden als künstliches Licht. Problem ist im Sommer die Abschattung, damit sich die Räume nicht aufheizen. Sie darf nicht dazu führen, dass in den Klassenzimmern das Licht eingeschaltet werden muss. Die Sanierung leistet somit einen Beitrag zum ökologisch wie ökonomisch nachhaltigen Betrieb der Schule.

Lärm: Schüler und Lehrer empfinden die akustischen Bedingungen in Unterrichtsräumen sehr unterschiedlich. Die Störungen kommen von lauten Schallquellen (Außen- und Fremdgeräusche), die über mehrere Ausbreitungswege (Außenbauteile, Fenster sowie Trennwände und -decken) hörbar werden und sich mit dem Eigengeräusch (Sprache) überlagern. Da je nach Hör- und Sprachvermögen die Schüler und Lehrer ihr Eigengeräusch instinktiv anheben, kann eine verheerende Lautstärkespirale entstehen. Neue Untersuchungen haben ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen der Raumakustik im Klassenraum und dem Verhalten von Schülern besteht. Ideal positionierte Schallabsorber sorgen im sanierten Klassenzimmer für optimale Verständlichkeit und Aufmerksamkeit.

Luftqualität: Einen ebenso starken Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Schülern hat die Luftqualität. Eine erhöhte Kohlendioxidkonzentration führt auf längere Dauer zu Müdigkeit. Doch auch andere Substanzen wie flüchtige organische Verbindungen (VOCs), Staub, Partikel, Allergene, mikrobiologische Verunreinigungen, Stickoxide oder Ozon beinträchtigen die Leistungsfähigkeit oder gar die Gesundheit der Raumnutzer. Zu einer erhöhten Konzentration von VOCs kommt es, wenn emittierende Quellen vorhanden sind und nicht genügend gelüftet wird. Quellen können Bodenbeläge, Teppiche, Farben, Möbel aber auch technische Geräte sein. Staub, Partikel, Allergene, Stickoxide und Ozon kommen über die Außenluft in die Räume, aber auch durch die Raumnutzer selbst. Erhöhte Luftverunreinigungen führen zu schlechterem Abschneiden bei Leistungstests oder gar zu gesundheitlichen Beschwerden.

Projektleiter Dr. Andreas Holm, ehemals Schüler des Gymnasiums Miesbach, ist überzeugt, dass integrale Schulsanierungen auch dazu beitragen können, die Schulleistung deutscher Schüler zu verbessern: »Um einseitigen Sanierungen vorzubeugen, müssen Betreiber, Nutzer, Planer und Behörden als Alternative zu herkömmlichen Sanierungsplänen mit dem Leitfaden zur integralen Weiterentwicklung von Schulgebäuden vertraut gemacht werden. Daraus sind kurzfristige ebenso wie nachhaltige Vorteile allen Beteiligten sofort ersichtlich.« Der Leitfaden beinhaltet neben dem Konzept der integralen Planung, auch Durchführung und anschließende Bewertung der einzelnen Modellvorhaben. Mit dem Gymnasium Miesbach beginnt nun die erste modellhafte Sanierung in Süddeutschland.

Media Contact

Dr.-Ing. Andreas Hagen Holm Fraunhofer-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.ibp.fraunhofer.de

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