Kasseler Wissenschaftler entwickeln zerstörungsfreie Prüfverfahren für betagte Bauwerke

Nicht alle Bauwerke sind für die Ewigkeit. Zum Beispiel nicht die große Zahl von Brücken, die in Deutschland nach dem Krieg entstanden sind. Sie sind besonders sicherheitsrelevant und kommen jetzt in ein Alter, in dem sie sorgfältig auf Korrosionsschäden geprüft werden müssen. Denn Brücken aus Spannbeton sind aus Gründen der Statik von Stahlkabeln durchzogen, die in zementgefüllten Hüllrohren verlaufen. Hat sich in diese Füllung etwas Luft eingeschlichen, haben wir das Problem: Der Rost beginnt zu nagen, und zwar dort, wo man ihn so gar nicht zu Gesicht bekommt.

Eigentlich haben damit die Bauingenieure eine Nuss zu knacken, Lösungen aber kommen von Kasseler Elektroingenieuren, die in Zusammenarbeit mit den Bauingenieuren dabei sind, den Beton gewissermaßen gläsern zu machen. “Gläserner Beton” ist die populäre Bezeichnung für ein Forschungsvorhaben, in das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), einer der wichtigsten Finanziers von Forschung in Deutschland, erhebliche Summen investiert, in diesem Fall in eine Forschergruppe, die sich aus Mitgliedern der Universitäten Stuttgart, Dortmund, Darmstadt, der Bundesanstalten für Materialprüfung in Berlin und Weimar, des Fraunhofer-Instituts Zerstörungsfreie Prüfverfahren in Dresden und der Universität Kassel zusammensetzt. Hier leistet Dr. Karl-Jörg Langenberg, Professor für Theoretische Elektrotechnik mit seinen Forschungen zwei Beiträge, um die Sicherheit der Brücken zu erhalten. Zunächst gilt es, die Hüllrohre mit den Stahlkabeln überhaupt aufzuspüren. Ihre Lage ist in den kritischen älteren Brücken nämlich keineswegs dokumentiert. Langenberg und seine Mitarbeiter nutzen dazu eine Art Bodenradar, das elektromagnetische Wellen aussendet, die ein Echo erzeugen, wenn sie auf ein stählernes Hindernis treffen. Als Ultraschall kennen dies nicht nur alle werdenden Eltern aus der Medizin. Während allerdings der menschliche Körper ganz überwiegend aus Wasser besteht, hat der Beton mit unterschiedlichen Körnungen und kleinen Luftbläschen erheblich größere Tücken. So kommt es, dass mit dem Aufspüren der Rohre noch kein Bild über ihren inneren Zustand gewonnen werden kann. Die Lösung fanden Langenberg und seine Mitarbeiter Dr. Klaus Mayer und Dr. René Marklein in der Erdbebenforschung, aus der man weiß, dass sich die Stöße in zwei Wellen ausbreiten, den primären, schnellen, und den sekundären, langsameren. Ähnlich den sekundären Erdbebenwellen schicken die Kasseler Wissenschaftler mit so genannten Prüfköpfen mechanische Wellen durch den Beton und berechnen das Ausbreitungsverhalten. Ihr Echo erwies sich für diesen Baustoff als geeignet, um im Computer ein brauchbares Bild seines Inneren zu erzeugen und damit verlässliche Hinweise auf kritische Stellen mit Luftlöchern zu geben.

Mit diesen Prüfmethoden können Brücken in Zukunft rasch und elegant untersucht werden, ohne dass menschliche Experten jeden Quadratzentimeter des Bauwerks einer Sicht- und Schallprüfung unterziehen. Für die Kasseler Wissenschaftler ist die Aufgabe damit allerdings noch nicht erledigt. Denn es gilt, dem Computer ein Rechenverfahren vorzugeben, das die empfangenen Echos in leicht und eindeutig interpretierbare Bilder umsetzt, in dem Störsignale, wie sie zum Beispiel durch die in den Beton eingelassenen Stahlgeflechte erzeugt werden, keine Rolle mehr spielen.

Partner im Forschungsverbund wie die Bundesanstalten für Materialprüfung in Berlin und Weimar oder die Deutsche Bahn als Unterstützer der Forschergruppe, die als Betreiberin einer riesigen Zahl von Brücken ein besonderes Interesse an diesen neuen Verfahren hat, prüfen die in Kassel gewonnenen theoretischen Erkenntnisse vor Ort. Die Mitglieder der Forschungsgruppe in Darmstadt und Dortmund arbeiten an Herstellungsverfahren, die Lufteinschlüsse in Beton vermeiden und in Stuttgart und Dresden werden ergänzend zu den Kasseler Verfahren akustische Methoden erprobt. 1,5 Mio. Euro hat die DFG der Forschergruppe jetzt für drei Jahre bewilligt, nachdem für einen ersten Dreijahreszeitraum schon einmal 1 Mio. zur Verfügung gestanden hatte. Viel Geld, das für die Sicherheit unserer Verkehrswege aber sicher gut angelegt ist.

Info Universität Kassel, Prof. Dr. Karl-Jörg Langenberg, Fachbereich 16 tel 0561-804-6368, fax -6489

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Karl-Jörg Langenberg Universität Kassel

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