Bauwerke sicher planen, bauen, überwachen

Ob Eissporthallen, Brücken oder Gebäude – immer wieder stürzen plötzlich Bauwerke ein. Sind solche Katastrophen überhaupt vermeidbar?

„Ja, daran wird gearbeitet“, sagt Prof. Dr. Friedhelm Stangenberg, über zwölf Jahre hinweg Sprecher des Sonderforschungsbereichs 398. Auch ein Prüfingenieur kann nur die Schäden beurteilen, die er wahrnehmen kann. Ideal wäre es deshalb, wenn sich der „Gesundheitszustand“ eines Bauwerks regelmäßig abrufen ließe. Auch dafür haben die SFB-Ingenieure mit einem realistischen Lebensdauermodell nun die Grundlagen geschaffen.

Ob die simulierte Alterung dem tatsächlichen Alterungszustand entspricht, überprüfen sie derzeit an Referenzbauwerken – etwa beim Abbau der fünfzig Jahre alten Hünxer Kanalbrücke.

RUBIN im Internet
Den gesamten Beitrag mit Bildern finden Sie im Internet unter
http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin/sfb398/
Lebensdauer und Monitoring
Ziel des Sonderforschungsbereichs 398 ist eine Präventivstrategie, mit der sich die Lebens- und damit Nutzungsdauer eines Bauwerks bereits in der Planungsphase (Entwurf) berücksichtigen lässt. Dafür sollen die Ergebnisse des SFB in Normen und schließlich in Regelwerke fließen – das entsprechende europäische Regelwerk (Euro-Code) sieht bereits Platzhalter für die noch fehlenden Normungen vor. „Es ist ein Instrument für die Bauwerksplaner, die dann wissen, wie viel Sicherheit sie quasi an den Anfang packen müssen“, sagt Stangenberg. Die Ansprüche an die Lebensdauer eines Bauwerks können ganz unterschiedlich sein und reichen von einem (Temporäre Bauten) bis über 150 Jahre (Staumauern). Lebensdauermodelle unterstützen aber auch das Monitoring, mit dem sich Alterungsvorgänge über die gesamte Lebensdauer verfolgen lassen.

Rechenexempel Lebensdauerabschätzung

Die in Bochum entwickelte Lebensdauerabschätzung bildet das gesamte Tragwerk in einem Strukturmodell ab, das Unsicherheiten in den Material-, Schädigungs- und Geometrieparametern berücksichtigt. Diese komplexe Tragwerksberechnung mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente wurde durch spezielle Rechentechniken möglich: Die Ingenieure nutzten sog. Breitbandreduktionstechniken und setzten geeignete Gleichungslöser ein. Eine das gesamte Modell abbildende Steifigkeitsmatrix (Sparse-Matrix) setzte erst die notwendige Rechenkapazität frei und durch das sog. dreidimensionale Mehrschichtenschalenelement (spez. Finite-Elemente-Typ) ließen sich große Strukturen in Geometrie und Verformung beschreiben.

Alternde Brücken: von der „Geburt“ bis zum Abbau

Die Simulation startet quasi bei Geburt der Brücke und endet mit ihrem Abbau. Doch was ist ein theoretisches Konzept ohne realitätsnahe Prüfung und Erprobung wert? Je besser die Simulation den wirklichen Zustand einer Brücke beim Abbau prognostiziert, desto realistischer ist auch das Modell. Mit der Hünxer Brücke stand den Ingenieuren ein erstes Referenzbauwerk zur Verfügung, anhand dessen sich der simulierte Endzustand mit den tatsächlichen Alterungsschäden vergleichen und das Modell optimieren ließ. Dabei führten die Ingenieure zahlreiche Simulationen durch, d.h. einzelne Schätzungen der Lebensdauer des Tragwerks unter definierten Bedingungen. Erst aus der Gesamtheit aller Simulationen berechnen sie einen Erwartungswert der Lebensdauer und seine Streuung.

Zunehmend belastet: von der Dampfwalze zum Gigaliner

Das anhand einer Straßenbrücke aus Stahlbeton/Spannbeton dargestellte Modell zur Lebensdauerprognose (Bsp. Tragwerksversagen) ist auf vielfältige Kriterien und Bauwerke anwendbar. Weil auf Brückenbauwerke in den kommenden Jahren zunehmend höhere Lasten „zurollen“ werden, gewinnt eine realitätsnahe Lebensdauerabschätzung in diesem Bereich besondere Bedeutung. Stellte in den 50er Jahren noch die schwere Dampfwalze den „worst case“ für eine Brücke dar, so geht es heute um eine immer größer werdende Zahl von Schwer- und Sondertransporten bis hin zu der aktuell diskutierten Zulassung von Gigalinern auf unseren Verkehrswegen.

Weitere Themen im SFB-RUBIN

Weitere Themen in RUBIN: „Garantiert sicher – planen, bauen, überwachen“, Interview mit Prof. Dr. Friedhelm Stangenberg (Sprecher des SBF 398); „Die an den Fundamenten rütteln: Langzeitverformungen bei Offshore-Windenergieanlagen“ (Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik, TU Karlsruhe); „Straßen im Stress: Wie Betonbauwerke auf dynamische Belastung reagieren“ (Lehrstuhl für Baustofftechnik); „Der Beton lebt: Lebensdauerprognose von Betontragwerken“ (Baumechanik/Baudynamik, Universität Kassel, Lehrstuhl für Statik und Dynamik, Ruhr-Universität Bochum); „Eigendynamik unerwünscht: Wie Druckwellen von Hochgeschwindigkeitszügen wirken“ (Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwesen, Ingenieurbüro Niemann&Partner, Bochum); „Müde Metalle: Lebensdaueranalysen zyklisch beanspruchter Stahltragwerke“ (Lehrstuhl für Statik und Dynamik), „Mit Zufällen rechnen: Stochastische Strukturoptimierung bei der Lebensdauerprognose“; SFB 398: Projekt-Überblick;

RUBIN „SFB 398“ ist erhältlich am Lehrstuhl für Entwurf und Konstruktion – Massivbau der Ruhr-Universität, Sekretariat: Tel. 0234/32-25980, E-Mail: gisela.wegener@ruhr-uni-bochum.de

Weitere Informationen

Prof. Dr.-Ing. Friedhelm Stangenberg, Dipl.-Ing. Mark Alexander Ahrens, Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwesen der Ruhr-Universität, Tel.: 0234/32-25980, E-Mail: friedhelm.stangenberg@rub.de, Alexander.ahrens@rub.de

Redaktion: Barbara Kruse

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