Waldwirtschaft erbringt höhere Produktivität durch Artenvielfalt

Untersuchungsfläche im Mischwald mit Douglasien, Tannen und Buchen im bayerischen Flachland. (Foto: Leonhard Steinacker/ TUM)

In Wäldern ist die weltweit größte Artenvielfalt zu finden, doch Waldrodung und -zerstörung sowie der Klimawandel setzen der Hälfte aller Baumarten schwer zu. Obwohl der Erhalt des Baumbestandes und eine nachhaltigere Waldbewirtschaftung weltweit viel diskutiert und durch umweltpolitische Maßnahmen gefördert werden, geht der Artenschwund mit seinen schwerwiegenden Folgen weiter. Die nun in „Science“ veröffentlichte Studie zeigt wie mit der Artenvielfalt auch die Holzzuwächse weltweit sinken.

„Die Studie setzt einerseits aufgrund ihrer geostatistischen Methodik und globalen Reichweite neue Maßstäbe. Es wurde ein immenser Datenumfang zu Biodiversität und Produktivität aus fast 50 Ländern weltweit verarbeitet, was in diesem Wissenschaftsfeld noch keiner gemacht hat“, sagt Mitautor Professor Hans Pretzsch vom Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der Technischen Universität München (TUM).

Andererseits verliehen die Forschungsergebnisse dem Brundtland Report und den Helsinki sowie Montreal Resolutionen weiteren Nachdruck. „Denn das Fazit unserer Studie ist, dass zum Beispiel bei einem Rückgang der Baumartenanzahl um zehn Prozent die Holzproduktion des Waldes im Mittel um sechs bis sieben Prozent einbricht. Und die Produktivitätsverluste nehmen bei weiteren Artenverlusten exponentiell zu“, sagt Pretzsch. Sein Team hat einen umfassenden Datensatz von Inventuren und langfristigen Versuchsflächen von Rein- und Mischbeständen in Mitteleuropa beigesteuert.

Experimentelle Daten über einen Zeitraum von mehr als 150 Jahren

„Die Inventuren und Versuchsflächendaten von über 150 Jahren zeigen, wie die Holzzuwächse parallel zur Artenanzahl zurückgehen“, erklärt Professor Pretzsch – „und wie sie bei der Umwandlung von Waldmonokulturen hin zu Mischbeständen wieder ansteigen können.“ Gerade in den 50er- und 60er-Jahren sei hierzulande verstärkt auf Waldmonokulturen mit nur einer Art wie etwa Fichte oder Kiefer gesetzt worden, „davon nehmen wir seit einigen Jahren bewusst wieder Abstand. Inzwischen ist in den Waldbaurichtlinien vieler Länder festgeschrieben, dass sich Bestände möglichst immer aus zwei oder drei Arten aufbauen sollten.“

Durch die in Science veröffentlichte Studie, in die die wichtigsten globalen Waldökosysteme einbezogen worden seien, werde deutlich, dass Mischbestände neben vielen ökologischen und sozialen Vorteilen auch einen materiellen Benefit in Form einer erhöhten Produktivität erbringen können.

Geschätzter Verlust beträgt zwischen 166 bis 490 Milliarden US-Dollar jährlich

Die Autoren haben hypothetisch errechnet, was passiert, wenn weltweit die Arten so wie in den vergangenen Jahren zurückgehen: Werden weltweit weiterhin natürliche Mischwälder abgeholzt und in Monokulturen aus beispielsweise Eukalyptus oder Kiefer umgewandelt, dann geht die Produktivität kontinuierlich zurück.

Bei einer Artenverarmung von 99 Prozent sinkt auch der Ertrag, was einem Wertverlust von 166 bis rund 490 Milliarden US-Dollar pro Jahr entspräche. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass diese hohen Verluste mehr als das Doppelte der jährlichen weltweiten Aufwendungen zum Erhalt der Biodiversität betrage. Hinzu kommen andere Wertverluste durch Reduktion der Biodiversität, wie etwa durch eine verminderte genetische Vielfalt, Schutz- und Erholungsfunktionen, die noch weit über die verminderte Holzproduktion hinausgehen.

Die Ergebnisse der Studie dienen der Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (UN IPBES) und dem United Nations Convention on Biological Diversity (UNCBD) als wichtige quantitative Grundlage für den intelligenten Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern.

Video:
http://www.minuteearth.com/biodiversity

Fotos zur Veröffentlichung in Mediatum: https://mediatum.ub.tum.de/1328858

Publikation:
Liang, J., Crowther, TW., Picard, N., Wiser, S., Zhou, M., Alberti, G., Schulze, E.-D., McGuire, A.D., Bozzato, F., Pretzsch, H., de-Miguel, S., Paquette, A., Hérault, B., Scherer-Lorenzen, M., Barrett, C.B., Glick, H.B., Hengeveld, G.M., Nabuurs, G.J., Pfautsch, S., Viana, H., Vibrans, A.C., Ammer, C., Schall, P., Verbyla, D., Tchebakova, N., Fischer, M., Watson, J.V., Chen, H.Y.H., Lei, X., Schelhaas, M.-J., Lu, H., Gianelle, D., Parfenova, EI., Salas, C., Lee, E., Lee, B., Kim, HS, Bruelheide, H, Coomes, DA, Piotto, D, Sunderland, T, Schmid, B, Gourlet-Fleury, S, Sonké, B, Tavani, R., Zhu, J., Brandl, S., Vayreda, J., Kitahara, F., Searle, E.B., Neldner, V.J., Ngugi, M.R., Baraloto, B., Frizzera, L., Bałazy, R., Oleksyn, J., Zawiła-Niedźwiecki, T, Bouriaud, O, Bussotti, F, Finér, L, Jaroszewicz, B, Jucker, T, Valladares, V, Jagodzinski, A.M., Peri, P.L., Gonmadje, C., Marthy, W., O'Brien, T., Martin, E.H., Marshall, AR, Rovero, F, Bitariho, R, Niklaus, PA, Alvarez-Loayza, P, Chamuya, N, Valencia, R, Mortier, F, Wortel, V., Engone-Obiang, N.L., Ferreira, L.V., Odeke, D.E., Vasquez, R.M., Lewis, S.L. and Reich, P.B.: Positive Biodiversity–Productivity Relationship Predominant in Global Forests, Science 2016. DOI: 10.1126/science.aaf8957

Anmerkung:
Der am 14. Oktober 2016 in der Zeitschrift Science veröffentlichte Forschungsbericht stellt die erste große Arbeit des weltweit vernetzten Wissenschaftlerteams dar, das offiziell unter dem Namen Global Forest Biodiversity Initiative (GFBI) agiert. Die im Jahr 2016 gegründete internationale und fachübergreifende Forschungsgemeinschaft mit verschiedenen Akteuren zielt auf ein besseres Verständnis von Mustern und Prozessen auf breiter Ebene im Zusammenhang mit den vier Milliarden Hektar bewaldeten Ökosystemen unseres Planeten ab. Für ausführlichere Informationen siehe: http://www.GFBinitiative.org/

Kontakt: 
Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Pretzsch
Technische Universität München
Lehrstuhl für Waldwachstumskunde
Hans-Carl-von-Carlowitz Platz 2
85354 Freising
Tel: +49 (8161) 71-4710
E-Mail: h.pretzsch@lrz.tum.de

https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/kurz/article/33457/

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Dr. Ulrich Marsch Technische Universität München

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