Pflanzenschutzmittel werden mit Augenmaß eingesetzt

Seit seinem Start 2007 sind im „Netz Vergleichsbetriebe Pflanzenschutz“ 35.000 Datensätze zusammengetragen und ausgewertet worden. Ziel der jährlichen Erhebungen ist es herauszufinden, ob Pflanzenschutzmittel in landwirtschaftlichen Praxisbetrieben in Deutschland sinnvoll eingesetzt werden und ob es Einsparpotenziale gibt.

An den Untersuchungen beteiligen sich alle Bundesländer. In repräsentativen Betrieben aus dem gesamten Bundesgebiet werden die Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln in Hauptkulturen und andere pflanzenschutzrelevante Informationen erfasst. Entgegen dem gängigen Vorurteil, es werde „zu viel gespritzt“, zeigt die Analyse der fachlichen Bewertungen durch die Pflanzenschutzdienste der Länder, dass die Maßnahmen überwiegend gezielt und maßvoll erfolgen. Es wird meist auf das regionale Auftreten von Schaderregern wie Pilze oder Insekten reagiert und nicht pauschal gehandelt.

„Die Betriebe führen – bis auf wenige Ausnahmen – die Behandlungen mit Augenmaß durch und versuchen Mittel einzusparen“, sagt Prof. Dr. Bernd Freier vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Kleinmachnow. Die Auswertung der so genannten Behandlungsindices (BI) zeige, dass im Ackerbau die Aufwandmengen für Herbizide, Fungizide und Wachstumsregler im Verlauf der Erhebung reduziert wurden, z. B. im Winterweizen im Mittel um 32 %, 42 % bzw. 55 %.

Der Anteil der Pflanzenschutzmittel-Anwendungen, die dem notwendigen Maß entsprachen, lagen im Durchschnitt der vier Jahre bei 88 % in Winterweizen, bei 89 % in Wintergerste, bei 86 % in Winterraps, bei 89 % im Freilandgemüsebau, bei 94 % im Obstbau (Tafelapfel), bei 98 % im Weinbau und bei 98 % im Hopfenbau. Trotz dieser positiven Bilanz gibt es laut Freier Einsparungspotenziale, zum Beispiel bei den Insektizidanwendungen in den drei Ackerbaukulturen Winterweizen, Wintergerste und Winterraps. Auch echte Teilflächenapplikationen waren im Ackerbau selten. Sie machten nur ca. 2 % aller Maßnahmen aus. „Hier sehen wir Handlungsmöglichkeiten, denn die gezielte Anwendung auf Teilflächen (Precision Farming) ist eine der Grundforderungen des Integrierten Pflanzenschutzes“, so Freier.

Schaut man sich die ermittelten Behandlungsindices an, sind die Unterschiede zwischen den Jahren sehr moderat. Zwischen den Regionen und vor allem zwischen den Feldern innerhalb einer Region gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. Als Einflussfaktoren auf die Behandlungsindices analysierten die Wissenschaftler des JKI für die Ackerbaukulturen Schlaggröße und Betriebsgröße, Ackerzahl, Ertrag, Vorfrucht, Bodenbearbeitung, Aussaattermin, Resistenzeigenschaften der Sorte sowie die benutzten Entscheidungshilfen. Außerdem wurden die Kosten der Pflanzenschutzmittel-Anwendungen ermittelt, die ein wichtiges Argument für die Landwirte sind, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zu begrenzen. Die Ergebnisse aus dem „Netz Vergleichsbetriebe Pflanzenschutz“ liefern Argumente für die Beratung zum integrierten Pflanzenschutz in Deutschland. Der Integrierte Pflanzenschutz orientiert sich an dem Leitsatz, so viel wie nötig und so wenig wie möglich chemische Pflanzenschutzmittel einzusetzen – ein erklärtes politisches Ziel.

Ihr wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Bernd Freier
Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Institut für Strategien und Folgenabschätzung
Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow
Tel.: 033203 / 48-322
E-Mail: bernd.freier@jki.bund.de
Hintergrundinfo:
Das Vergleichsbetriebsnetz ist ein gemeinsames Projekt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), der Landeseinrichtungen des Pflanzenschutzes und des Julius Kühn-Instituts, dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Es wurde 2007 etabliert und ist Bestandteil des „Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP).
Erhebungsjahr 2010
http://pub.jki.bund.de/index.php/BerichteJKI/issue/archive
Im Ackerbau wurden 2010 die Pflanzenschutzmaßnahmen in 86 Betrieben mit insgesamt 766 Feldern (vorrangig Winterweizen, Wintergerste, Winterraps) analysiert, im Freilandgemüsebau in 20 Betrieben mit 53 Feldern (Weißkohl, Möhren, Spargel und Zwiebeln), im Obstbau (Tafelapfel) in 20 Betrieben mit 59 Anlagen und im Weinbau in 9 Betrieben mit 27 Bewirtschaftungseinheiten. Außerdem wurden die Pflanzenschutzmaßnahmen in zwei Hopfenanbau-Betrieben mit insgesamt 10 Anlagen ausgewertet. Die Daten und Expertenbewertungen wurden nach einer Plausibilitätsprüfung in einer Oracle-Datenbank abgelegt und statistisch analysiert.

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Stefanie Hahn idw

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