Neuer Forschungsansatz gegen resistente Schädlinge

Von 1845 bis 1849 führte in Irland die Große Hungersnot zum Tod von einer Million Menschen und ähnlich vielen Auswanderungen. Neben den sozialen Verhältnissen waren an der Katastrophe vor allem mehrere massive Kartoffelernteausfälle schuld, verursacht durch Phytophthora infestans, den Erreger der Kraut- und Knollenfäule.

Anderthalb Jahrhunderte später ist zwar das Genom des Schädlings sequenziert, doch noch immer vernichtet der Pilz regelmäßig in Kartoffeläckern mehr als ein Fünftel der Ernte. Bei Freilandtomaten verursacht Phytophthora infestans auch heute noch totale Ernteausfälle.

Meist bekämpfen Landwirte den Schädling mit einer Mischung aus Fungiziden mit unterschiedlichen Wirkmechanismen, die mehrmals in der Saison ausgebracht werden müssen. Gegen mehrere Wirkstoffgruppen, darunter Phenylamide und Carbamate, ist der Pilz bereits resistent. Seine Fähigkeit, schnell Resistenzen auszubilden, ist es auch, die bislang verhindert hat, dass Züchter eine dauerhaft gegen den Schädling widerstandsfähige Sorte entwickeln.

Jeden spezifischen Abwehrmechanismus, den Pflanzenforscher bislang der Kartoffel mitgegeben haben, hat der Pilz nach wenigen Jahren umgangen. Gegenwärtig setzen Züchter deshalb auf Sorten, die gegen Phytophthora teilresistent sind. Das bedeutet zwar auch teilweise Verluste der Ernte, reduziert durch die unspezifischen Wirkmechanismen aber das Tempo, mit dem der Pilz die Resistenz unterwandert.

Große Hoffnungen ruhen deshalb auf einem Forschungsansatz, den britische Wissenschaftler um Sophien Kamoun unlängst in Science vorgestellt haben: Sie untersuchten, wie sich das Genom von Phytophthora gewandelt hat, wenn sich durch den Wechsel der Wirtsart eine neue, eng verwandte Pilzart gebildet hat (neben P. infestans: P. ipomoeae, P. mirabilis, P. phaseoli); denn wann immer ein Schädling einen neuen Wirt befällt, spezialisiert die Evolution seine Angriffsmethoden.

Besonders viele Mutationen fanden die Forscher in Gen-armen Genomregionen, die sich durch häufige Wiederholungen kurzer Sequenzen auszeichnen. Solche Bereiche sind für ihre hohe genetische Variabilität bekannt. Wie sich herausstellte, sind die Gene in diesen Regionen größtenteils dann aktiv, wenn sich der Pilz auf einem pflanzlichen Wirt befindet – ein Hinweis darauf, dass diese Gene an der Wechselwirkung zwischen Wirt und Schädling beteiligt sind.

Das fanden die Wissenschaftler auch aufs gesamte Genom betrachtet bestätigt: Insgesamt wiesen 14,2 Prozent aller Gene Spuren einer Selektion auf. Bei den sogenannten 796 Effektorgenen aber, jenen Genen, die für die Infektion des Wirts verantwortlich sind, zeugten 300 und somit 37,7 Prozent von gerichteter Selektion. Überraschend viele Veränderungen entdeckten die Forscher zudem an Genen, die epigenetische Prozesse beeinflussen, speziell an Genen für Histon-Methyltransferasen. Diese Enzyme regulieren die Genexpression und könnten bei P. infestans das Aktivitätsmuster in den besagten Gen-armen Regionen steuern.

Die Studie belegt, dass sich das Genom eines Schädlings auf einen neuen Wirt einstellt – oder umgekehrt betrachtet, dass der Wechsel des Wirts die treibende Kraft der Evolution bei den untersuchten Phytophthora-Arten war. Die Bedeutung dieses Belegs geht jedoch weit über die Grundlagenforschung hinaus: Die Forscher haben mit ihrer Arbeit gezeigt, welche Effektorgene evolutionär besonders stabil sind, also wenig dazu neigen, sich veränderten Bedingungen anzupassen, wie sie bei neu gezüchteten Kartoffel- oder Tomatensorten vorliegen. Das macht diese Gene zu besonders viel versprechenden Zielen für die Resistenzzüchtung.

Überhaupt ist die Wechselwirkung zwischen Pflanzen und deren Schädlingen ein wichtiges Forschungsfeld geworden. Wenn Pflanzenforscher verstehen, welche Proteine des Schädlings welche Ziele in der Pflanze angreifen, oder wo umgekehrt Proteine der Pflanze Angriffsmechanismen des Schädlings blockieren, lassen sich die entsprechenden Gene gezielt aktivieren oder hemmen.

Genau diesen Ansatz verfolgt beispielsweise das GABI-Projekt PHENOME. Es untersucht, welche Gene in Gerste und Mehltau aktiv sind, wenn der Pilz die Pflanze befällt. Erhöht das An- oder Abschalten eines solchen Pflanzengens deren Resistenz, ließe sich die entsprechende Eigenschaft konventionell in Hochleistungssorten einkreuzen oder mittels Gentransformation übertragen. Gehört das relevante Gen zum Pilz, kann das Grundlage für ein Fungizid sein – oder, so der Ansatz bei GABI-PHENOME, die Gerste könnte so verändert werden, dass sie ein RNA-Molekül produziert, dass mittels Interferenz die Angreifermechanismen blockiert.

Quelle:
Genome Evolution Following Host Jumps in the Irish Potato Famine Pathogen Lineage. Sylvain Raffaele, et al. Science 330, 1540 (2010); DOI: 10.1126/science.1193070 (abstract).

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