Nachhaltige Entwicklung nicht verheizen!

Not macht erfinderisch: sei es der Klimawandel oder die Verknappung fossiler Brenn- und Kraftstoffe. Lag der Anteil erneuerbarer Energien zur Jahrtausendwende noch bei unter 3%, hat er sich binnen 3 Jahren fast verdoppelt und soll in 2010 12%, in 2020 sogar 20% erreichen. Vieles von dem, was an landwirtschaftlichen Produkten bisher verkocht, verbacken und gegessen wurde, wird nun entweder zuerst vergast bzw. verflüssigt und anschließend verheizt oder direkt verbrannt.

So landet heimischer Hafer in Zukunft fast vollständig in schwedischen Heizkraftwerken, denn Hafer zeigt von allen heimischen Getreidearten die günstigsten Eigenschaften beim Verbrennen. Die Landwirtschaft in den neuen EU-Mitgliedstaaten des Ostseeraums wird in den kommenden Jahren mit erheblichen Umstrukturierungsprozessen konfrontiert. Viele kleinere Betriebe werden ihren Lebensunterhalt nicht mehr allein aus der Produktion von Nahrungsmitteln erwirtschaften können, sondern existenziell auf Alternativen angewiesen sein. Als erfreulicher Nebeneffekt forcierter Produktion von Bioenergie sollen Arbeitsplätze im ländlichen Raum erhalten werden, möglicherweise sogar neue entstehen.

So viel versprechend eine Umorientierung landwirtschaftlicher Produktion auf Bioenergie als Beitrag zur Lösung von Klima-, Energie- und Beschäftigungsproblemen auch klingen mag, bleibt doch die Sorge, inwieweit diese Entwicklung dem Gebot der Nachhaltigkeit entspricht, welches eine Entwicklung fordert, die „Bedürfnisse der jetzigen Generationen deckt, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken, zu beschränken“. Zu Aspekten der nachhaltigen Entwicklung bei der Erzeugung von Bioenergie fand im Rahmen der Ratspräsidentschaft Deutschlands ein Seminar der Arbeitsgruppe für Nachhaltige Landwirtschaft der Agenda 21 für den Baltischen Raum (Task Force Sustainable Agriculture (TFSA)) am 22. Februar 2007 im Internationalen Zentrum der Universität Rostock statt. Dabei wurde dem Bodenschutz besondere Bedeutung beigemessen.

Für einzelne baltische Staaten wurden Prognosen für die zukünftige Entwicklung der Produktion von Bioenergie aufgestellt und diskutiert. Gemessen am Energiehunger unserer Gesellschaft sind die Möglichkeiten einer Ausdehnung der Bioenergieproduktion nicht unbegrenzt: Deutschland wird seine Flächen für die Produktion von Ölraps (Biodiesel) (Foto 1) von jetzt 1,5 Millionen ha auf maximal 1,8 Millionen ha ausweiten können. Im Gegensatz dazu stehen im östlichen Europa noch riesige Flächenpotentiale zur Verfügung (z.B. Ukraine 3,5 Millionen ha, Russland >18 Millionen ha), deren Produktion wegen des höheren, weil subventionierten Preises leicht in die EU fließen könnte. Insbesondere in ärmeren Ländern kann die politische Bevorzugung der Bioenergieproduktion daher leicht auch zu einer Verteuerung landwirtschaftlicher Produkte führen.

Unter dem Aspekt „Nachhaltigkeit“ ist das wichtigste Ergebnis des Seminars die Forderung, dass bei der Erzeugung von Bioenergie Anforderungen zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit (Foto 2) nicht herabgesetzt werden dürfen, um eine jederzeitige Wiederinbetriebnahme der Flächen für die Erzeugung gesunder Nahrungsmittel nicht zu gefährden und die Erneuerbarkeit der Bioenergie zu gewährleisten.

Die Präsentationen des Seminars (auf Englisch) finden sich auf http://www.baltic21.org/?meetings,table,agriculture_6

Kontakt: Prof. Dr. Dr. Ewald Schnug, Vorsitzender der TFSA/B21, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig, Tel.: 0531 596 2101; E-Mail: pb@fal.de; PD Dr. Bettina Eichler-Löbermann, Agrar- u. umweltwissenschaftliche Fakultät, Institut für umweltgerechten Pflanzenbau, Universität Rostock, Justus v. Liebig Weg 6, 18051 Rostock, Tel.: 0381 498 3064; E-Mail: bettina.eichler@uni-rostock.de

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Margit Fink idw

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