GhK-Agrarwissenschaftler: Neuorientierung der Agrarpolitik konsequent vorantreiben


Der Fachbereich Landwirtschaft, Internationale Agrarentwicklung und Ökologische Umweltsicherung der Universität Gesamthochschule Kassel begrüßt die nun eingeleitete grundsätzliche Neuausrichtung der Agrarpolitik nachdrücklich.

Witzenhausen. Der Fachbereich Landwirtschaft, Internationale Agrarentwicklung und Ökologische Umweltsicherung der Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) in Witzenhausen begleitet seit über 20 Jahren kritisch die Entwicklung in der Landwirtschaft und hat in dieser Zeit immer wieder auf Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft hingewiesen. Bemängelt wurden u.a. der Einsatz von Fütterungsantibiotika in der Tiermast, tierquälerische Zucht- und Haltungsmethoden sowie die vom Intensivpflanzenbau ausgehenden Gefährdungen von Boden, Wasser und Atmosphäre.

Mittlerweile ist der gesamte Fachbereich in Witzenhausen zu einem Zentrum für Lehre und Forschung in Ökologischer Landwirtschaft ausgebaut worden und bietet den europaweit einzigen Vollstudiengang für Ökologische Landwirtschaft an. Die nun folgende Pressemitteilung geht auf den einstimmigen Beschluss des Fachbereichsrats zurück, den dieser am 16. Februar als Reaktion auf die Regierungserklärung von Bundeslandwirtschaftsministerin Künast gefasst hat:

Der Fachbereich begrüßt die nun eingeleitete grundsätzliche Neuausrichtung der Agrarpolitik nachdrücklich. Die von Ministerin Renate Künast in ihrer Regierungserklärung vom 8. Februar vorgeschlagenen Maßnahmen und Ziele wie Förderung von Regionalität oder Flächenbindung der Tierhaltung sind im Kern richtig und längst überfällig. Selbstverantwortliches Handeln und Gestalten in der Landwirtschaft muss wieder ermöglicht werden. Die Landwirtschaft braucht Rahmenbedingungen für eine ökologisch- und sozialverträgliche Entwicklung, die den Anforderungen der Zukunft gerecht wird und Arbeit im ländlichen Raum bietet.

Zur Umsetzung dieser Ziele müssen jedoch folgende Forderungen ergänzend zu den von Frau Ministerin Künast vorgeschlagenen umgesetzt werden:

· Neuorientierung der Nutztierhaltung
Die Nutztiere als Mitgeschöpfe zu betrachten, heißt konkret die Haltungs- und Fütterungssysteme müssen an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden und nicht die Tiere kurzfristigen Gewinninteressen. Geschieht dies, dann ergeben sich Präventiveffekte, die ggf. den Einsatz von Antibiotika und Chemotherapeutika auf den echten Krankheitsfall beschränken lassen.

· Neuorientierung des Pflanzenbaus
In die Neuorientierung der Landwirtschaft muss neben der tierischen Erzeugung auch die pflanzliche Erzeugung mit einbezogen werden. Die Belastungen von Boden, Wasser und Atmosphäre durch Pflanzenschutzmittel sowie N- und P-Dünger erfordern im Sinne des Verursacherprinzips deutliche Maßnahmen zur Begrenzung ihres Einsatzes.

· Verbot der Gentechnik in der Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft
Der Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft birgt nicht kalkulierbare Gefahren für die Menschen und das Ökosystem. Er ist ökologisch und sozial nicht zu rechtfertigen und sollte weltweit unterbleiben. Die Einzigartigkeit und Vielseitigkeit der Pflanzen und Tiere muss erhalten werden.

· Rechtliche Rahmenbedingungen an neue Ziele anpassen
Die derzeit gültigen rechtlichen Rahmenbedingungen fördern die Konzentration im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft und behindern somit die regionale Entwicklung. Das Regelwerk für die handwerkliche Verarbeitung und Vermarktung muss eine ökologisch und regional ausgerichtete Landwirtschaft ermöglichen und dementsprechend angepasst werden. Damit werden kleineren Betrieben qualitative Entwicklungsperspektiven geboten, auch als Alternative zum „Wachsen oder Weichen“.

· Ganzheitlichkeit
Der landwirtschaftliche Betrieb kann nicht allein als gewinnmaximierendes Einzelunternehmen gesehen werden. Er muss als Teil eines stabilen Ökosystems betrachtet werden, das volkswirtschaftliche Folgekosten minimiert.

· Landwirtschaft als Bildungsaufgabe verstehen
Um das Problembewusstsein für die Landwirtschaft in der Gesellschaft zu schärfen, muss das Thema Landwirtschaft und Ernährung deutlich stärker als bisher in die schulische Bildung integriert werden. Die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft für die Gesellschaft, die über die reine Produktion von Lebensmitteln hinausgehen, wie die Pflege, der Erhalt und die Weiterentwicklung der Kulturlandschaft, müssen erkannt und entsprechend honoriert werden.

· Umorientierung in der Forschung
Die Grundsätze zur Vergabe von Forschungsfördermitteln müssen neu überdacht werden und den neuen agrarpolitischen Zielen entsprechen. Für die Ausdehnung und Weiterentwicklung des Ökologischen Landbaus müssen die Forschungsmittel hierfür deutlich aufgestockt werden. Wer morgen 20 % Öko-Landbau will, muss heute mindestens 50 % der Forschungsmittel in diesen Bereich lenken. Die wissenschaftlichen Beiräte des BMV müssen mit Fachwissenschaftlern besetzt werden, die die neue Agrarpolitik qualifiziert beraten können.

· Globale Verantwortung
Die weltweiten Wirkungen nationaler und europäischer Agrarpolitik sind zu beachten. Entsprechende ökologische und soziale Standards müssen bei den WTO-Verhandlungen weltweit definiert und durchgesetzt werden.

Kontakt und Informationen:
Prof. Dr. Holger Wildhagen, Dekan des FB 11 der Universität Gesamthochschule Kassel, Tel.: (05542) 98-1212 /-1211, E-Mail: dekfb11@wiz.uni-kassel.de

Prof. Dr. J. Heß (Fachgebiet Ökologische Land- und Pflanzenbausysteme der GhK)
Ist heute unter: 0177/5911315 oder (05542) 98-1587 telefonisch erreichbar.
E-Mail: jhesz@wiz.uni-kassel.de

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Ingrid Hildebrand idw

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