Das Haar in der Suppe – Knochen im Ackerboden!

Knochensplitter von Landtieren (links) und aus Melasseschnitzeln (rechts) in polarisiertem Licht unter dem Mikroskop (Vergrößerung 200-fach). Zu erkennen sind die typischen "Lakunen" (längliche, dunkel erscheinende Vertiefungen) auf den Oberflächen Foto: R. Modi, Uni Hohenheim

Ergebnisse des Expertengespräches „Abbauverhalten von tierischen Reststoffen im Boden“ vom 25.01.2005 im Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig

Als Folge der BSE-Krise dürfen Futtermittel für landwirtschaftliche Nutztiere keine Bestandteile tierischen Ursprungs mehr enthalten. Diese, zunächst bis 2006 befristete EU-Verordnung, soll unterbinden, dass „Fleisch-Knochen-Mehl“ (FKM) (häufig einfach auch nur als „Tiermehl“ bezeichnet), in die Futtertröge gelangt. Unter FKM versteht man die erhitzten, getrockneten und vermahlenen Reste von tierischen Schlachtkörpern. Die wiederum machen etwa ein Drittel aller entsorgungspflichtigen tierischen Schlachtabfälle aus, unter die auch Blut, Federn und sonstige, üblicherweise nicht in Nahrungsmitteln verwendete oder aus hygienischen Gründen zu beseitigende Bestandteile der Tierkörper fallen. FKM darf weiterhin als Düngemittel verwendet werden, aber auch hierfür nur FKM der so genannten Kategorie III, welches nur aus nicht vermarktetem oder vermarktbarem, aber dennoch für den menschlichen Genuss geeignetem Material hergestellt worden sein darf („fit for human consumption“).

Kontrolliert wird die Einhaltung des Verfütterungsverbotes durch die Futtermittelverkehrskontrolle, indem mittels Mikroskopie in Futtermittelproben u.a. nach Knochenfragmenten und anderen tierischen Bestandteilen, wie Muskelfasern, Haaren oder Federresten, gesucht wird. Wichtig für die Identifizierung von Knochen sind dabei die an der Oberfläche erkennbaren „Lakunen“ (Foto 1). Wird auch nur ein winziger und als solcher sicher anzusprechender Knochensplitter (Foto 1) in einer Futtermittelpartie gefunden, wird eine unerlaubte Beimischung tierischer Bestandteile vermutet und die gesamte Partie muss vernichtet werden („Nulltoleranz“). Genau das passierte am 23. November 2004 in Irland, wo die Behörden die Einfuhr von 1.645 Tonnen deutschen Futtermittels aus Zuckerrübenschnitzeln nach einem Fund von Knochenfragmenten blockierten. Ausgelöst durch das Europäische Frühwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) wurden dann in der Folgezeit auch in Deutschland vermehrt ähnliche Futtermittelproben durchmustert und „nicht immer, aber immer öfter“, Knochenfragmente gefunden.

In diesem Kontext diskutierten Experten/Innen aus Wissenschaft, Untersuchungsstellen und Behörden am 25.01.2005 im Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig über Herkunft und Nachweismöglichkeiten für Knochenfragmente in Feldfuttermitteln.

Reste von Tierkörpern enthalten organische (weiches Gewebe, Knorpel, Horn, Haare) und mineralische (Knochen) Bestandteile. Während die organischen Bestandteile im Boden binnen 1-2 Jahren (weiches Gewebe) bis 5-8 Jahren (Horn, Haare) fast völlig abgebaut sind, überdauern Knochen weitaus längere Zeiträume. Die Dauer ist im Wesentlichen abhängig von Säuregrad (pH-Wert) und Durchfeuchtung des Bodens. Knochen und Knochenfragmente sind ein normaler Bestandteil von Böden, sie entstammen verendeten oder z.B. bei Erntemaßnahmen getöteten Kreaturen, Resten der „Mahlzeiten“ und Exkrementen von Räubern (z.B. Füchse, Greife). Bei pH-Werten > 6 ist auch in Zeiträumen von mehreren hundert Jahren keine nennenswerte Auflösung von Knochenmaterial im Boden zu erwarten. In kalkhaltigen Böden bleiben Knochen sogar zeitlich fast unbegrenzt erhalten: MEYER und BECKER (Uni Göttingen) schätzten in drei Vierteln der von ihnen untersuchten Böden das Inventar an Knochen auf 9-98 Tonnen je ha in 0-30cm Tiefe.

Die derzeit durch das Verfütterungsverbot auflaufenden Mengen an FKM stellen europaweit ein beträchtliches Entsorgungsproblem dar, was dann auch die Verwendung als Düngemittel attraktiv macht, denn den bisher erzielten Preisen von etwa 200 ¤ pro Tonne FKM als Futtermittel stehen jetzt Entsorgungspreise von etwa 200 ¤ für die Verbrennung jeder Tonne FKM entgegen. Die mit FKM-Düngung in den Boden gelangenden Knochenmengen liegen aber durchaus in natürlichen Größenordnungen: die praxisübliche Anwendung von 2 Tonnen FKM je ha bringt nach Modellrechnungen von SCHENKEL (Uni Hohenheim) in etwa soviel Knochen je m2 in den Boden ein, wie 10 Mäusekadaver (ca. 15g).

Knochenmaterial kann durch mit dem Erntegut aufgenommene Tiere, aber auch mit äußerlich anhaftendem oder in Knollenfrüchte eingewachsenem Bodenmaterial (Foto 2) aus Ackerböden in die Nahrungskette gelangen. Die Experten stimmten darin überein, dass es derzeit weder mit der von der EU als Standardmethode vorgeschriebenen Mikroskopie, noch mit neuesten molekularbiologischen Verfahren (PCR, Polymerase Chain Reaction) möglich ist, eindeutig Identität, Herkunft und Alter von Knochenfragmenten in Böden und Feldfuttermitteln zu bestimmen.

Als Fazit stellen die Wissenschaftler fest, dass wegen des ubiquitären Vorkommens von Knochen in Böden und unabhängig vom Einsatz knochenhaltiger Düngemittel (wie z.B. FKM), mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, Knochenmaterial in allen Feldfrüchten mit Bodenanhaftungen (gleich ob umwelt-, oder technisch- bedingt) nachzuweisen ist. Hierdurch werden derzeitige Nachweismethoden und insbesondere die Nulltoleranz von Knochen in Futtermitteln, aber auch die Rahmenbedingungen für die Verwendung von FKM zu Düngungszwecken in Frage gestellt.

Kontakt:

Prof. Dr. Dr. Ewald Schnug, Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL), Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig, E-Mail: pb@fal.de

Media Contact

Margit Fink idw

Weitere Informationen:

http://www.fal.de/

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