EC-Kartenproblem zeigt: Deutsche Banken haben das M-Payment verschlafen

„Der Softwarefehler auf vielen Millionen deutscher EC- und Kreditkarten zeigt eindrucksvoll, wie es in Deutschland um Innovationen im Zahlungsverkehr bestellt ist.

Während selbst die stille Weiterentwicklung bestehender Zahlungsarten wie der EC-Karte nicht beherrscht wird, haben deutsche Banken und Sparkassen wirkliche Innovationen wie Mobile Payment gar nicht erst angefasst, im Gegensatz zu Nachbarländern wie Frankreich oder Italien.“

Das meint Dr. Key Pousttchi, Leiter der Augsburger Forschungsgruppe wi-mobile und Veranstalter der Konferenz „Mobile Communications – Technologien und Anwendungen“ (MCTA 2010), die am 1. und 2. Februar in Berlin den internationalen Stand beim Bezahlen mit dem Handy zeigen wird.

Der Kunde steht an der Kasse und will mit seiner EC-Karte oder Kreditkarte bezahlen und wird abgewiesen. Er lässt notgedrungen die Waren im Geschäft und geht zum Geldautomaten, um Bargeld abzuheben – auch hier kein Glück. Was klingt wie ein schlechter Scherz, ist zur Zeit Realität für Millionen Bank- und Sparkassenkunden in Deutschland. Bei Reisen ins Ausland empfiehlt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband „genügend Bargeld oder Reisechecks mitzuführen“ und findige Einzelhändler und Kunden versuchen, mittels eines Tesastreifens älteren Geldautomaten oder POS-Terminals vorzutäuschen, es sei kein Chip auf der Karte vorhanden und das Gerät so zur Nutzung der Informationen auf dem technisch überholten, aber immer noch vorhandenen Magnetstreifen zu bringen. Die Kreditwirtschaft versucht per Softwareupdate, denselben Effekt bei den Geräten zu erzielen: Der fortschrittliche Chip soll ignoriert und der alte Magnetstreifen wieder verwendet werden. Der Grund ist einfach – ein Austausch aller betroffenen Karten würde wohl mit einem höheren dreistelligen Millionenbetrag zu Buche schlagen.

Wo war der Systemtest?

Der aus Sicherheits- und Effizienzgründen eingeführte Chip auf den Karten war die größte technische Innovation im Zahlungsverkehr seit 20 Jahren. Hierbei wird jedoch nicht nur von einem ungesicherten Speichermedium (dem für jedermann auslesbaren Magnetstreifen) auf ein gesichertes Speichermedium übergegangen: Der Chip auf der Karte ist ein Computer, der über ein Betriebssystem verfügt und auf dem Software ausgeführt wird. Waren die Anwendungen also bisher rein serverbasiert und lasen nur einige wenige Daten von der EC- oder Kreditkarte, so laufen nun Teile der Anwendungslogik auf der Karte ab – eine erhebliche Änderung, die für den Kunden jedoch weitgehend unsichtbar ist. Der positive Effekt liegt auf der Hand, die Karte ist durch Betrüger nicht mehr sinnvoll kopierbar und die Zahlungsautorisierung läuft effizienter ab. Allerdings verlässt man sich nun auf Software, die auf dem Chip im Portemonnaie des Kunden liegt und nicht mehr zentral geändert werden kann – es sei denn durch Austausch der Karte. „Der Systemtest ist natürlich in solchen Fällen von entscheidender Bedeutung und war hier offensichtlich nicht vollständig“, so der Wirtschaftsinformatiker Dr. Key Pousttchi, der an der Universität Augsburg die Forschungsgruppe wi-mobile leitet und sich seit vielen Jahren mit Bezahlverfahren befasst. „Ein modernes Mobile-Payment-Verfahren beispielsweise ist robuster gegen ein derartiges Problem, da ein Update der Software über die Luftschnittstelle möglich ist.“

Banken und M-Payment in Deutschland – eine traurige Geschichte

Beim Mobile Payment und Mobile Banking, also der Verwendung des Mobiltelefons für Finanzdienste, machen die deutschen Banken und Sparkassen jedoch seit Jahren eher eine unrühmliche Figur. „Innovation und Kundenservice stehen in diesem Bereich bei Banken und Sparkassen nicht besonders hoch im Kurs“, so Pousttchi. „Die Kunden warten seit Jahren vergeblich darauf, dass hier endlich etwas voran geht.“ Und wenn dann Lösungen auf den Markt oder auch nur in die Testphase kommen, dann sind sie sehr häufig am Kundenbedürfnis vorbei entwickelt. Dabei eignet sich der mobile Kanal nicht nur für innovative Zahlungsverfahren, sondern auch idealtypisch für die Unterstützung der Kundenbeziehung der Finanzdienstleister. Voraussetzung ist jedoch die genaue Kenntnis der Stärken, Schwächen und Besonderheiten dieses Mediums.

Hieran scheitern deutsche Banken und Sparkassen bisher – wenn sie überhaupt darüber nachdenken. In Europa gehören sie damit zu den Schlusslichtern. Beispiele dafür, dass es auch anders geht, werden auf der 10. Konferenz Mobile Communications Technologien und Anwendungen (MCTA 2010) am 1. und 2. Februar in Berlin zu sehen sein.

Italien: Postbank als MVNO mit M-Payment

Die italienische Postbank betreibt seit 2009 unter dem Namen PosteMobile einen eigenen virtuellen Mobilfunkanbieter, der über die älteren Konzepte der Rabobank in den Niederlanden deutlich hinausgeht und seinen Kunden sowohl integriertes M-Banking als auch M-Payment und Remittance Services zur Verfügung stellt – mit beeindruckenden Nutzungszahlen von Seiten der Kunden.

Frankreich: NFC-Kooperation von Mobilfunkern, Banken und ÖPNV

Auf dem französischen Markt haben sich Mobilfunkanbieter, Banken und der öffentliche Nahverkehr zusammengeschlossen, um Mobile Payment und Ticketing auf einer gemeinsamen Basis zu realisieren. Verwendung findet dabei die Technologie Near Field Communication (NFC), die als wichtigste Schlüsseltechnologie für Mobile Payment in Proximity-Szenarien gilt, also Bezahlvorgänge mit physischem Kontakt zum Kunden. Nach mehr als drei Jahren steht nun der kommerzielle Launch bevor.

Workshop-und Konferenzprogramm zu M-Payment und M-Banking auf der Konferenz MCTA am 1. und 2. Februar in Berlin

Im Rahmen des MCTA-Workshop-Programms am 1.2. wird unter anderem Susanne Molkentin-Lacuve, Projektleiterin beim Mobilfunkbetreiber Bouygues Telekom und verantwortlich für die Zusammenarbeit mit Banken, Behörden, Einzelhändlern und ÖPNV beim NFC Payment und Ticketing, von ihren Erfahrungen berichten und aufzeigen, wie man bei Standardisierung, Kooperationsmodellen und Einführungsstrategien zu sinnvollen Lösungen gelangen kann, die in der Praxis zum Erfolg führen und welche Stolpersteine dabei zu beachten sind – vom Secure Element und Trusted Service Manager bis hin zum Ökosystem. Im Rahmen des MCTA-Konferenzprogramms am 2.2. wird unter anderem Giuseppe Portoricco, als Director MKT VAS Services verantwortlich für PosteMobile, erstmals im deutschsprachigen Raum vom integrierten Ansatz der italienischen Postbank zur Nutzung des mobilen Kanals und von der Reaktion der Kunden auf das Dienstangebot berichten.

Aber auch das übrige Konferenzprogramm verspricht spannend zu werden. Unter dem Motto „Science meets industry“ bietet die MCTA neben den Bereichen M-Payment, M-Banking, Mobile Business Processes und der Entwicklung von Mobilfunkmärkten ein breites Themenspektrum von Anwendungen wie Mobile Marketing, Mobile Ticketing und Mobile Entertainment. Das Programm beinhaltet Vorträge, Panels sowie je eine Case Study Session und eine Mobile Application Demo Session. Die Vorträge und Diskussionen auf der MCTA werden von einer Reihe hochrangiger Experten bestritten. Die MCTA ist der einzige Major Industry Event der Branche, der von einer Universität ausgerichtet wird.

Programm und Anmeldung

Die Konferenz findet am 01.02. (Workshop Day) und am 02.02.2010 (Conference Day) statt. Das Programm ist unter www.mcta.de einzusehen. Da die Anzahl der Plätze insbesondere im Workshop-Programm sehr begrenzt ist, wird eine frühzeitige Anmeldung unter http://www.mcta.de empfohlen. Anmeldeschluss ist am 20. Januar.

Informationen zur Konferenz:

Cornelia Noglinski
Tagungssekretariat MCTA 2009
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering
Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon +49 (821) 598 4449
cornelia.noglinski@wi-mobile.de
Pressekontakt:
Dr. Key Pousttchi
Forschungsgruppe wi-mobile
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering
Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon +49 (177) 6319508
presse@wi-mobile.de

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Klaus P. Prem idw

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