Zu wenig Innovation in Nordhessens Betrieben

Die Unternehmen in Nordhessen schöpfen ihr Innovationspotential nicht aus. Wenn es gilt, neue Produkte zu entwickeln, sie auf dem Markt einzuführen, neue Produktionsverfahren einzurichten oder die Betriebsorganisation zu verbessern, schneiden die in der Region ansässigen Betriebe im Vergleich mit ihren Wettbewerbern in prosperierenden Regionen schlecht ab.

Das ist das Ergebnis einer Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Frank Beckenbach, Fachgebiet Umwelt- und Innovationsökonomik an der Universität Kassel. Die Studie basiert auf einer Befragung von 1783 Unternehmen in Nordhessen, die im Jahr 2006 durchgeführt wurde. Die Projektmitarbeiterinnen Maria Daskalakis und Martina Kauffeld-Monz haben die Antworten aus 527 zurückgesandten Fragebögen zu den Innovationsaktivitäten der Unternehmen ausgewertet und analysiert.

Zwar geben 82 Prozent der Unternehmen an, in den vergangenen drei Jahren Neuerungen eingeführt zu haben, wovon die Wissenschaftlerinnen nahezu die Hälfte als „hoch bis höchst innovativ“ einstufen. Allerdings entwickeln nur ein Drittel der innovierenden Unternehmen tatsächlich neue Produkte. „Aber gerade diese neuen Produkte tragen wesentlich zur Steigerung des Umsatzes und damit auch zur Beschäftigung in der Region bei“, sagt Prof. Dr. Frank Beckenbach. Als Vergleichsregion haben die Kasseler Forscher die Region Jena gewählt, die zu den entwicklungsstärksten der neuen Bundesländer zählt. Auffällig ist, dass in Jenaer Unternehmen ein größerer Teil der Mitarbeiter mit Innovationen betraut ist (37 gegenüber nur 20 Prozent in Nordhessen) und dass ein mehr als doppelt so hoher Anteil des Umsatzes für Innovationen aufgewendet wird (19 gegenüber 8 Prozent). Ein weiteres Indiz dafür, dass Jena bei den Innovationen die Nase vorn hat, ist der Vorsprung beim Umsatz mit neuen Produkten und Dienstleistungen: 28 Prozent des Umsatzes Jenaer Unternehmen, die Produkt- und Dienstleistungsinnovationen durchgeführt haben, entfallen darauf, nur 16 Prozent sind es bei den nordhessischen Unternehmen.

Zwei wesentliche Faktoren haben die Forscher für die Unterschiede zwischen den Jenaer und den nordhessischen Betrieben ausgemacht: Wenn Neuentwicklungen anstehen, gehen die Betriebe in der Region Jena wesentlich häufiger Kooperationen mit anderen Betrieben ein als diejenigen in Nordhessen. Außerdem werden in Jenaer Betrieben deutlich mehr Akademiker beschäftigt als in nordhessischen (44 gegenüber nur 16 Prozent). Der eklatante Mangel an akademisch ausgebildetem Personal wird von nordhessischen Unternehmen ausdrücklich betont und ist ebenso wie die relativ geringe Quote von Schulabgängern mit Hochschulzugangsberechtigung und die niedrige Studierendenquote (immer im Vergleich zu der Region Jena) ein Problem, dem sich Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in verstärkter Form annehmen müssen. Die Autoren sehen in diesen Problemfeldern einen entscheidenden Nachteil für die nordhessischen Betriebe und ihre Innovationsfähigkeit. Den Zugang zu neuem Wissen, das sich in den Köpfen von Akademikern aufbaut, könnten sich die Betriebe allerdings auch auf anderem Wege erschließen. „Wie die Ergebnisse zeigen“, sagt Dipl. Oec. Maria Daskalakis, „resultiert der Nutzen von Innovationskooperationen auch daraus, dass die Kooperationspartner komplementäres Wissen aufweisen“.

Wie Kooperationen die Innovationsfähigkeit steigern können, zeigt sich an einer weiteren Vergleichsgruppe der Untersuchung: Als Ausgründungen aus der Universität Kassel hervorgegangene Unternehmen weisen deutlich stärkere Innovationsaktivitäten auf, haben mehr Beschäftigte mit Hochschulabschluss und pflegen intensive Kontakt mit anderen Unternehmen. Diese jungen Firmen von geringer Größe bauen sich in der Kasseler Untersuchung zum positiven Beispiel für die Etablierten auf. Mit ihrer guten Vernetzung untereinander und zur Universität sowie ihrer hohen Akademikerquote weisen sie Merkmale auf, die den etablierten Betrieben in Nordhessen im Vergleich zu den Jenaer Unternehmen fehlen. „Die Ausgründungen haben Prozesse in Gang gesetzt, die man auf die 'Normalunternehmen' übertragen sollte“, sagt Prof. Dr. Beckenbach und verweist dazu auf Einrichtungen wie das Regionalmanagement und die Arbeitsstelle UniKasselTransfer. Neben der Initiative und Bereitschaft der Unternehmen ist aber auch die Politik gefragt, wenn es gilt, Strukturvoraussetzungen für mehr Innovation und damit erweiterte und gesicherte Entwicklungschancen in den nordhessischen Betrieben zu schaffen.

Dipl.-Oec. Maria Daskalakis, Dipl.-Oec. Martina Kauffeld-Monz: Die Innovationskraft der Unternehmen in Nordhessen. Ergebnisse einer Befragung der Forschungsprojekte „RIS“ und „Innopart“. (Gefördert von der VW-Stiftung). Kassel, Oktober 2007

Info
Universität Kassel
Maria Daskalakis
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
tel (0561) 804 3809, -3883 (Sekretariat)
mobil 01784771813
e-mail Daskalakis@wirtschaft.uni-kassel.de

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