Mit Offshoring in die Sackgasse – Aktuelle Studie zur Auslagerung von IT-Dienstleistungen
Wenn Siemens oder SAP, IBM oder T-Systems Software in Indien entwickeln lassen, dann ist das ein Beispiel für Offshoring. Mit diesem Stichwort verbindet sich derzeit eine lebhafte, kontroverse Debatte über die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Dr. Andreas Boes untersucht in Zusammenarbeit mit Ellen Becker (beide ISF München) in seiner Studie „Herausforderung Offshoring“, wie es bei IT-Dienstleistern in Deutschland damit aussieht.
Sie geben einen differenzierten Einblick in die Strategien und den Entwicklungsstand der Internationalisierung und befassen sich mit deren Folgen für Beschäftigte: kundennahe und kundenferne Jobs, Software-Entwickler und IT-Berater. Ihr Fazit: Wenn Unternehmen Offshoring als Drohkulisse nutzen, um Lohnkostensenkungen durchzusetzen, gefährden sie ihre eigene Internationalisierung. Denn um erfolgreich zu sein, benötigen Internationalisierungsstrategien die aktive Unterstützung der IT-Beschäftigten. Verlagerungsdrohungen sind dafür eine schlechte Basis.
Die am ISF München durchgeführte Studie „Herausforderung Offshoring“ stützt sich vor allem auf Intensiv-Interviews mit Beschäftigten, Managern, Arbeitnehmer-, Gewerkschafts- und Unternehmensverbandsvertretern. Anhand dieses reichhaltigen Materials zeigen die Sozialwissenschaftler auf, dass Offshoring Ausdruck eines tiefer liegenden Umbruchprozesses ist: Die Branche durchlebt eine neue Ära der Standardisierung und Industrialisierung von IT-Dienstleistungen. Gleichzeitig werden mit leistungsfähigen Informations- und Kommunikationsnetzen hochqualifizierte Arbeitskräfte in Ländern mit einem weit niedrigeren Lohnniveau direkt erreichbar. Nicht nur einfache Tätigkeiten, sondern auch komplexe Aufgaben wie Software-Entwicklung werden so auslagerbar.
Der Aufbau einer funktionierenden internationalen Produktion stellt die Unternehmen ebenso wie die Beschäftigten vor schwierige Aufgaben. Statt diese gemeinsam anzugehen, wird unter dem Stichwort „Offshoring“ einer kurzfristigen Kostensenkung das Wort geredet und die Verlagerungsdrohung als Mittel genutzt, um die Lohn- und Sozialstandards in Deutschland zu senken. Unter der Hand geraten die Unternehmen so in einen Zielkonflikt. Boes macht detailliert die Gefahren deutlich, die vor allem mit der Strategie der „Drohkulisse“ einhergehen: Es droht ein Akzeptanzverlust gerade bei den hoch qualifizierten Beschäftigten, der dramatische Konsequenzen für den Erfolg der Internationalisierung haben kann. Das Fazit der Autoren: „Die Orientierung auf Kostensenkung und Verlagerung von Arbeitsplätzen droht den Unternehmen genau die sozialen Grundlagen zu entziehen, welche sie zur erfolgreichen Bewältigung des erforderlichen Restrukturierungsprozesses eigentlich benötigen.“
„Herausforderung Offshoring“ umfasst 168 Seiten und ist in der edition der Hans-Böckler-Stiftung erschienen (Band 120).
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