Rentenmarkt: Starke Nerven an der Zinsfront gefragt
Seit den kräftigen Renditeschüben ab Mitte Juni haben sich die international agierenden Bondinvestoren ungeachtet der fortbestehenden Niedrigzinsrhetorik der US-Notenbank auf ein neues Paradigma mit mehr Kapitalnachfrage im Zuge höherer Verschuldung und anziehender Konjunktur eingestellt. Nicht zuletzt durch Sicherungsgeschäfte der großen Hypothekenanbieter zog bei günstigen Wirtschaftsdaten das Renditeniveau der 10jährigen US-Staatspapiere auf zuletzt über 4,5% an (höchster Stand seit Juli 2002), während die Verzinsung der Bundesanleihen deutlich moderater auf das Niveau von April bei 4,2% nachfolgte und ihren seit über einem Jahr bestehenden Vorsprung an die Treasuries abgab.
Die jüngste Verfestigung des Aufschwungsvertrauens in der mit Abstand weltgrößten Volkswirtschaft (z.B. ISM-Einkaufsmanagerindizes für Industrie und Services mit 51,8 bzw. 65,1 Punkten über der Expansionsschwelle) resultiert u.a. aus den anstehenden massiven Steuerrabatten der amerikanischen Regierung, zinsgetriebener Konsumnachfrage und merklichen Investitionserleichterungen. Volkswirte erwarten ab den kommenden Monaten bis einschließlich 2004 ein beschleunigtes BIP-Wachstum von gut 3,5%, wobei die hoch verschuldeten Privathaushalte allerdings ein Nachfragerisiko (rückläufige Hypothekenrefinanzierung) darstellen. Anders als im Rentencrash-Jahr 1994 sind diesmal zugleich die ungenutzten Wachstumsreserven der US-Volkswirtschaft höher und verhindern neue Arbeitsplätze und Inflation. Dies erlaubt der inzwischen vermehrt kritisierten Fed, eine Beibehaltung des tiefsten Leitzinsniveaus seit 1958 (1,0%) für beträchtliche Zeit in Aussicht zu stellen und ein Anziehen der Zinszügel trotz Unruhe am Bondmarkt zu vertagen.
Im Gegensatz zu erkennbaren konjunkturellen Belebungsanzeichen aus Japan (BIP im 2. Quartal +0,6%) bleiben in der Eurozone Erholungssignale noch rar (Stagnation im 2. Quartal nach +0,1%, Einkaufsmanagerindex Juli mit 48,0 weiter unter 50er Marke). Bei währungsbedingt gedämpften Erwartungen an den Außenbeitrag liegt der Fokus auf Binnenimpulsen aus Sozialsystemreformen und Steueranstößen. Mit der neuen Weichenstellung ist zwar auf Jahresfrist ein Verlassen der Wachstumstalsohle möglich, dennoch sollte in 2004 die Expansionsrate lediglich halb so kräftig wie jenseits des Atlantiks ausfallen, wobei sich gleichzeitig die Haushaltslage wichtiger Euroländer verschärfen dürfte. Weitere Zinssenkungshoffnung ist dennoch nicht unberechtigt, da billige Importpreise, moderate Nachfragekräfte und Basiseffekte für eine günstige Inflationsentwicklung (Juli-Inflationsrate 1,9 nach 2,0 Prozent) unterhalb der neuformulierten EZB-Stabilitätsmarke von „nahe 2%“ sorgen dürften.
Insgesamt stellen nach dem von Japan und Amerika ausgehenden Bruch des jahrelangen Abwärtstrends für die 10jährigen Renditen nunmehr auch die beliebten Staatsanleihen keinen gänzlich sicheren Hafen mehr dar. Zwar dürften periodisch auftretende Zweifel an der Nachhaltigkeit der globalen Wirtschaftserholung den Rentenpapieren zwischenzeitlich auch Unterstützung bzw. nachgebende Renditen bescheren. Anleger mit Schwerpunkt bei längeren Laufzeiten sollten jedoch trotz inzwischen attraktiverer Angebote ihre Engagements begrenzen, um flexibel auf die gegenwärtigen Kapitalmarktkapriolen reagieren zu können.
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