Rentenmarkt: Historisch niedriges Zinsniveau

Angetrieben vor allem durch die Erwartung weiterhin vorhandenen Bewegungsspielraums der Notenbanken in den USA und Euroland, anhaltende Mittelzuflüsse in den Euroraum, Umschichtungen in sichere Staatsanleihe-Häfen infolge der Freddie Mac-Affäre sowie insgesamt noch wenig überzeugende Konjunkturdaten setzten Langläufer beidseits des Atlantiks zu einer Rallye an. Seit dem Zwischenhoch vom 21. März ermäßigten sich die US-Renditen um 81 Basispunkte auf 3,2 Prozent, hierzulande um 63 Basispunkte auf 3,6 Prozent. Die als Euro-Benchmark fungierenden Bundestitel rentieren nunmehr auf dem tiefsten Stand seit über zehn Jahren, die US-Pendants verzinsen sich so gering wie seit 45 Jahren nicht mehr.

Auf der Inflationsseite sind insbesondere dank gesunkener Energiepreise in den wichtigen Wirtschaftsräumen deutlich rückläufige Raten zu beobachten. Dabei markiert die vorläufige Mai-Zahl für Euroland mit +1,9 Prozent zugleich die EZB-Prognoseobergrenze für das kommende Jahr (Korridor 0,7 bis 1,9 Prozent), so dass die Vorgabe für Preisstabilität auf Sicht erfüllt ist und damit grundsätzlich die Tür für weitere Satzreduktionen offen steht. Die Zinssenkungshoffnungen werden gestützt von insgesamt mäßigen Wirtschaftsdaten. In Deutschland schienen der Ifo-Index vom Mai und die April-Auftragseingänge bereits eine Konjunkturstabilisierung zu signalisieren, spätere Daten wie die April-Industrieproduktion oder der Mai-Einkaufsmanagerindex fielen aber auch unter dem Eindruck der Eurostärke schwächer als erwartet aus, so dass eine Belebung bei Investitionsgütern auch im zweiten Quartal unwahrscheinlich ist. Entsprechend häufen sich die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrevisionen, die Deutschland im laufenden Jahr nur noch nahe dem Nullwachstum sehen. In der Tendenz ähnlich ergeht es dem gesamten Währungsraum, der zunehmend Symptome der deutschen Wachstumsschwäche zeigt. Eine offen diskutierte Aufweichung des Stabilitätspaktes oder ein europäisches Konjunkturpaket (im Gespräch ist ein Volumen von 1 Prozent des EU-BIP) dürften aber allein keinen Konjunktursommer bringen, so dass der Blick fest auf die USA gerichtet bleibt. Nach einem raschen Drehen der Stimmungsindikatoren für den Konsum und die Industrie präsentiert sich hier das reale Wirtschaftsbild jedoch eher noch gemischt. Vor allem belastet die Lage am Arbeitsmarkt (Mai 6,1 Prozent Erwerbslosenquote, höchster Stand seit 1994) das gesamtwirtschaftliche Klima. Das jüngste Beige Book bestätigt diese Einschätzung und steht damit, obwohl deflationäre Gefahren verneint werden, einer weiteren US- Leitzinsreduktion (nächste Sitzung am 24./25. Juni) nicht entgegen.

Investoren sollten sich dennoch fragen, ob angesichts enormer fiskalischer Stimulanz in den USA (jüngstes Steuerpaket allein mit geschätztem Wachstumsbeitrag von rund 2 Prozentpunkten im 2. Halbjahr 2003), weit geöffneter Geldmarktschleusen, steigender Staatsdefizite und erster Diskussionsansätze zum Aufbrechen der Verkrustung in der heimischen Politik (Vorziehen Steuerreform, Arbeitsmarktreform) historisch niedrige Langfristzinsen ein solides längerfristiges Fundament besitzen. Noch ist zwar eine rasche Zinswende nicht in Sicht, unter Chance-/Risiko-Aspekten sind aber allenfalls kürzere Laufzeiten zu empfehlen.

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Hans Beth Landesbank Rheinland-Pfalz

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