Bauarbeitsmärkte im Wandel
Internationale Arbeitstagung am Institut Arbeit und Technik vergleicht Strukturen, Arbeitsbeziehungen und Herausforderungen für die kommenden Jahre
Der Bauarbeitsmarkt steht seit gut einem Jahrzehnt unter starkem Druck. Es wird weniger gebaut – auch in den neuen Bundesländern ist der Boom vorbei -, hohe Überkapazitäten haben den Preiswettbewerb erheblich verschärft. Wer auf den deutschen Großbaustellen noch mithalten will, engagiert ausländische Subunternehmer mit niedrigeren Standards und Preisen, auch die illegale Beschäftigung hat im Zuge der Transnationalisierung der Bauarbeitsmärkte deutlich zugenommen. Die Auswirkungen auf die sozialen Regulierungssysteme sind erheblich.
Diese Prozesse finden in verschiedener Form überall in Europa und Übersee statt. Da vergleichende Untersuchungen zu diesen Entwicklungen bislang kaum vorliegen, organisierte das Institut Arbeit und Technik jetzt erstmals einen internationalen Vergleich der veränderten Strukturen und Beziehungen auf den Bauarbeitsmärkten und ihren Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme. Wissenschaftler aus elf Ländern diskutierten am 19./20. Oktober auf einer internationalen Arbeitstagung im IAT in Gelsenkirchen über „Bauarbeitsmärkte im Wandel“ und Strukturen, Arbeitsbeziehungen und Herausforderungen in den kommenden Jahren.
Mit dem Wandel des Bauarbeitsmarktes in Deutschland steht das von den Verbänden des Baugewerbes seit Jahrzehnten aufgebaute bauspezifische Regulierungssystem, das wirtschaftliche Effizienz und sozialen Ausgleich verbindet, auf dem Prüfstand. „Tariflichen Standards und Gesetzen wird im Zuge der internationalen Arbeitsmarktdynamik die nationalstaatliche Basis entzogen“, stellen die IAT-Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch und Klaus Zühlke-Robinet fest. Unterhöhlt wird das bislang einheitliche Tarifgefüge des Baugewerbes in Deutschland zudem durch das enorme wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen West und Ost, das durch die Wiedervereinigung entstanden ist.
Zentrale Regulierungsinstanz für den „Bau“ sind die Sozialkassen, die gemeinsam von den Sozialpartnern getragen werden. Die Leistungen der Kassen – Sicherung der Urlaubsvergütung, Zusatzversorgung im Alter, Lohnausgleich im Winter, Finanzierung der Berufsausbildung – werden durch alle Betriebe mittels einer Umlage finanziert. „Eine wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit dieses Systems ist, dass die Sozialpartner über ein umfassendes Verhandlungsmonopol auf dem Branchenarbeitsmarkt verfügen und bundesweit gültige Tarifverträge abschließen“, stellen die IAT-Wissenschaftler fest. Das gesetzliche Verbot der Leiharbeit und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz mit dem Instrument der tariflichen Mindestlöhne für Arbeitnehmer der Baubranche sollen „Schmutzkonkurrenz“ und das „Trittbrettfahren“ tariflicher Außenseiter unterbinden.
Wie eine soeben veröffentlichte IAT-Studie zeigt, haben die Sozialpartner damit über einen höchst flexiblen Arbeitsmarkt ein Netz von Regelungen aufgebaut, das es ermöglicht, soziale Sicherheit, Nachwuchsrekrutierung und Flexibilität der Beschäftigten und Betriebe miteinander zu vereinen. „Ein solches Regulierungssystem kann für eine Wirtschaft zukunftsweisend sein, in der sich stabile Beschäftigungsverhältnisse zunehmend auflösen und in der man aus sozialen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu frühkapitalistischen Arbeitsmarktstrukturen mit schlecht ausgebildeten „Gelegenheitsarbeitern“ zurückkehren will“.
Gerhard Bosch/ Klaus Zühlke-Robinet, 2000: Der Bauarbeitsmarkt – Soziologie und Ökonomie einer Branche, Frankfurt/New York, Campus. ISBN: 3-593-36597-9
Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Prof. Dr. Gerhard Bosch
Tel.: 0209/1707-147
Klaus Zühlke-Robinet
Tel.: 0209/1707-248
Claudia Braczko
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