Wie kann man die Arbeitswelt von morgen sozial gestalten?


Memorandum der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft zum Strukturwandel

Die Arbeitswelt ist gegenwärtig durch schnellen Wandel und tiefgreifende Veränderungen gekennzeichnet. Die Globalisierung der Märkte, die Durchdringung aller Arbeits- und Lebensbereiche durch Informations- und Kommunikationstechnik, die Entwicklung zur Wissensgesellschaft und der demographische Wandel, aber auch Arbeitslosigkeit und neue Formen der Arbeit und Beschäftigung stellen Unternehmen, Beschäftigte und Politik täglich vor neue Probleme.
Die Potenziale der Informations- und Kommunikationstechnologie verringern die räumliche und zeitliche Bindung von Arbeit, z.B. in Form von Telearbeit und virtuellen Unternehmen. Diese Tendenzen werden durch die voranschreitende Globalisierung verstärkt. Die erforderlichen Veränderungen müssen – bedingt durch den demographischen Wandel – mit immer älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewältigt werden. Die Szenarien für die Beschäftigten reichen von einer weiteren Verringerung traditioneller Erwerbsarbeit durch Produktivitätsfortschritte, z.B. bei Banken und Versicherungen, über Mehrfacharbeitsverhältnisse mit gesteigerter (zeitlicher) Inanspruchnahme bis hin zum „Arbeitskraftunternehmer“, der ein Portfolio von Fähigkeiten und Kenntnissen auf dem freien Markt anbietet. Für die – zahlenmäßig abnehmenden – Stammbelegschaften der Unternehmen werden stärkere Möglichkeiten zur Selbstbestimmung, aber auch zunehmende und z.T. neuartige Belastungen prognostiziert.

Aus diesem Grund hat die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft – unter Beteiligung mehrerer Wissenschaftler der TU Berlin – ein Memorandum herausgegeben, in dem Handlungsfelder und mögliche Beiträge der Arbeitswissenschaft benannt werden, um zu einer sozialverträglichen Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt zu gelangen.

In der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft finden sich Wissenschaftler so unterschiedlicher Disziplinen wie Ingenieurwissenschaften, Psychologie, Soziologie und Medizin, Praktiker aus den Bereichen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Produktgestaltung, Arbeits- und Organisationsgestaltung sowie Organisationsentwicklung zusammen. Eine wichtige Leitlinie ist dabei, dass unterschiedliche Zielsetzungen integriert werden, wobei humane und wirtschaftliche Ziele eine besondere Rolle spielen. Dies wird auch von den Organisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die mit der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft kooperieren, anerkannt und unterstützt.


Der Inhalt des Memorandums

Beschäftigung sichern

·Die Entwicklung benutzungsfreundlicher, ergonomischer Produkte – ein klassisches Handlungsfeld der Arbeitswissenschaft – entwickelt sich zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor: Bei vergleichbaren Kosten- und Preisstrukturen kann Nutzerfreundlichkeit zu einem entscheidenden Verkaufsargument werden und zugleich die Nachfrage nach entsprechend gestalteten Produkten fördern.

·Zunehmender internationaler Wettbewerb erfordert auch Reorganisationsprozesse in den Unternehmen, die Bildung von überregionalen Netzwerken und neue Führungsmodelle. Die abnehmenden Halbwertszeiten der aktuell diskutierten technisch-organisatorischen Strategien und Konzepte schlagen sich aber in zunehmend fragwürdigeren Modewellen nieder. Es besteht dringender Bedarf für nachhaltige Konzepte der Organisationsentwicklung, in die Erkenntnisse einer gesundheits-, lern- und persönlichkeitsförderlichen Arbeits- und Technikgestaltung eingehen.

·Die Gestaltung der Arbeitszeit spielt für die Frage der Beschäftigungssicherung eine zentrale Rolle. Alternative Arbeitszeitmodelle dienen nicht nur der Umverteilung von Arbeit, z.B. durch betriebliche Arbeitszeitabsenkungen und Teilzeitarbeit, sondern haben auch ein erhebliches Potenzial für die Flexibilität der Betriebe und die Zeitsouveränität der Beschäftigten.


Arbeitsfähigkeit erhalten

·Technische Innovationen und neue Organisationsstrukturen verändern Arbeitstätigkeiten. Die Arbeitenden sollten befähigt sein, sich fehlendes Wissen selbstständig anzueignen und ihre Kompetenzen weiterzuentwickeln. Förderliche und hemmende Bedingungen für Lern- und Entwicklungsprozesse in der Arbeit müssen identifiziert und Konzepte organisierten Lernens gefördert werden.

·Die Veränderungen der Arbeitswelt stellen neue Anforderungen an den präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz. Psychosoziale Faktoren und die Multikausalität arbeitsbedingter Erkrankungen müssen stärker berücksichtigt werden, um auch unspezifischen Erkrankungen und Befindlichkeitsstörungen wie etwa dem Burnoutphänomen entgegenzuwirken. Dazu müssen gesundheitsrelevante Aspekte von vorne herein in Managementsysteme integriert werden.

Arbeit neu werten

·Arbeit ist nicht nur Erwerbsarbeit. Der Arbeit in Haushalt und Familie sowie ehrenamtlichen und gemeinnützigen Tätigkeiten kommt nicht nur hohe soziale Relevanz zu, sondern auch erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung, z.B. durch Entlastung der öffentlichen Haushalte. Die Entwicklung existenzsichernder Kombinationen aus Erwerbsarbeit und unbezahlter Arbeit eröffnet neue Perspektiven für Beschäftigungssicherung und befriedigende Arbeitsbedingungen.

·In mehrfacher Hinsicht neu zu werten ist auch der gesamte Bereich personenbezogener Dienstleistungen in Erziehung, Unterricht, Pflege, Sport und Freizeit. Dies betrifft zum einen die Berücksichtigung der emotionalen Belastungen, mit denen diese Tätigkeiten oftmals verbunden sind, zum anderen aber auch die Beurteilung der Qualität dieser Leistungen.

Arbeit von morgen gestalten.

·Die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik einerseits und die globalere Ausrichtung der Wirtschaft fördern Kooperationsformen, in denen die Einzelnen räumlich isoliert in „virtuellen Organisationen“ arbeiten. Direkte und unmittelbare Kooperation und Kommunikation nehmen dabei ab; gerade diesen wird aber eine wichtige Rolle für Wissensgenerierung und Innovationsleistungen bescheinigt. Es muss sichergestellt werden, dass die Innovationsfähigkeit auch unter den zukünftigen Rahmenbedingungen erhalten bleibt.

·Das ganztägige auf Dauer ausgerichtete „Normalarbeitsverhältnis“ wird durch ein breites Spektrum ersetzt: Leiharbeit, Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverträge, geringfügige Beschäftigungen und Ein-Personen-Unternehmen, möglicherweise im Wechsel und unterbrochen von Phasen der Arbeitslosigkeit. Eine Existenz als „Arbeitskraft-Unternehmer“ bietet vielfältige Chancen, Beruf und Privatleben besser aufeinander abzustimmen, es steht aber auch zu befürchten, dass derartige Tätigkeitswechsel mit hohen Anforderungen an die Selbststeuerung von Arbeit und Weiterbildung große Teile der Erwerbstätigen überfordert.

Die Broschüre „Die Zukunft der Arbeit erforschen – Ein Memorandum der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V. zum Strukturwandel der Arbeit“ ist zu beziehen bei der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft, Ardeystraße 67, 44139 Dortmund oder im WWW unter http://www.gfa-online.de/Inhalt_Zukunft.html.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gerne Dr.-Ing. Thomas Müller von Institut für Arbeitswissenschaften der TU Berlin, Tel.: 030/314-79523 oder E-Mail: mueller@mms.tu-berlin.de

Diese Medieninformation finden Sie auch im WWW unter http://www.tu-berlin.de/presse/pi/2001/pi34.htm

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Ramona Ehret idw

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