Automatisierte Rettungsgasse: Technik rettet Menschenleben

Verkehrsteilnehmende erhalten beispielsweise über ihr Handy oder ein Navigationssystem die Information, dass ein Einsatzfahrzeug naht.
Foto: RPTU, Hossein Ameri-Far

Rettungskräfte sollen schneller und vor allem sicherer an ihren Einsatzort kommen – möglich macht dies eine neue Technik, die von Forschenden unter Federführung der RPTU entwickelt worden ist. Autofahrende erhalten dabei frühzeitig die Information, dass sich ein Einsatzfahrzeug nähert – lange noch bevor das Martinshorn zu hören ist. Zudem ist die automatisierte Bildung einer Rettungsgasse möglich. Die dafür nötige Software steht nun bereit für die Anwendung.

Mit Blaulicht, hoher Geschwindigkeit und vorbei an so manch roter Ampel – für Rettungswagen-Fahrende ist ein solcher Einsatz die pure Stresssituation: Sie müssen damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmende sie nicht rechtzeitig bemerken – oder auf die Schnelle nicht wissen, wohin sie ausweichen sollen. Eine kritische Situation für alle Verkehrsbeteiligten – denn dabei steigt auch das Unfallrisiko für sie selbst um 17 Prozent.

Eine von Forschenden der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) entwickelte Technik könnte solche Situationen entschärfen und damit im Ernstfall Menschenleben retten: Professor Naim Bajcinca, Leiter des Lehrstuhls für Mechatronik, und sein Team haben eine Software entwickelt, die dafür sorgt, dass Fahrzeuge automatisiert eine Rettungsgasse bilden könnten – sodass Rettungskräfte letztendlich sicherer und schneller zu ihrem Einsatzort gelangen. „Rettungsdienstverbände schätzen, dass ein um vier Minuten früheres Eintreffen der Einsatzkräfte die Überlebenschancen von Schwerverletzten um bis zu 40 Prozent verbessert“, unterstreicht Naim Bajcinca die Handlungsnotwendigkeit.

Wie AORTA den Weg frei macht

Der Ansatz von Bajcinca und seinem Team: Verkehrsteilnehmende erhalten beispielsweise über ihr Handy oder ein Navigationssystem die Information, dass ein Einsatzfahrzeug naht. Diese Information trifft frühzeitig bei ihnen ein – lange noch bevor ein Martinshorn zu hören ist. Aufgrund dieser Information können Autofahrende dann entweder selbst rechtzeitig zur Seite fahren oder – verfügt das Fahrzeug über ein Park-Assistenzsystem – sich aus der Spur fahren lassen. „Autonom fahrende Fahrzeuge wiederum würden ganz automatisch zur Seite fahren“, ergänzt Bajcinca. Rettungswagen-Fahrende bekommen zeitgleich im Einsatzfahrzeug digital die Spur angezeigt, die für sie freigehalten wird. Das Bilden einer Rettungsgasse wird für alle Beteiligten somit eine wesentlich entspanntere Angelegenheit.

Freie Fahrt für den Rettungswagen (links) – und mit Einsatz der innovativen Technik aus dem Projekt AORTA läuft das Bilden der Rettungsgasse für alle Beteiligten wesentlich entspannter.
Freie Fahrt für den Rettungswagen (links) – und mit Einsatz der innovativen Technik aus dem Projekt AORTA läuft das Bilden der Rettungsgasse für alle Beteiligten wesentlich entspannter. (c) RPTU, Hossein Ameri-Far

AORTA heißt das damit einhergehende Forschungsprojekt – und steht für „Automatisierte Bildung von Rettungsgassen in komplexen Szenarien durch intelligente Vernetzung“. Naim Bajcinca konkretisiert: „Im Rahmen von AORTA haben wir eine Softwareplattform entwickelt, bei der eine Künstliche Intelligenz bestimmte Fahrentscheidungen trifft. Fahrentscheidungen, die auf die jeweilige Situation im Straßenverkehr reagieren – und die jedem Verkehrsteilnehmendem personalisiert und digital mitgeteilt wird.“ Oder vereinfacht ausgedrückt: Jeder erhält eine auf seine spezifische Situation zugeschnittene Handlungsempfehlung – ob man also beispielsweise mit seinem Auto nach links, rechts, vorne oder hinten ausweichen soll. „Die Plattform sammelt dazu Informationen von Fahrzeugen, genauso wie auch digitale Informationen über die Straßeninfrastruktur und von Sensoren wie Kameras entlang der Route eines Einsatzfahrzeuges.“

Gefördert wurde das Projekt von Januar 2021 bis Dezember 2024 durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit 4,26 Millionen Euro. Insgesamt hatte das Projekt ein Volumen von über sechs Millionen Euro. Forschungseinrichtungen, öffentliche Institutionen und Industriepartner kooperierten hierbei, wobei die Federführung bei der RPTU lag. So waren neben den Partnern vor Ort, der Stadt Kaiserslautern und dem Arbeiter-Samariter-Bund Kaiserslautern, auch beteiligt: Capgemini Engineering, Altran Deutschland S.A.S. & Co. KG, Bundesanstalt für Straßenwesen, Dresden Elektronik Ingenieurtechnik GmbH, DC Vision Systems GmbH, 3D Mapping Solutions GmbH und AKKA DSO GmbH.

Sie alle brachten ihr spezifisches Wissen ein – ging es etwa um Mensch-Maschine-Schnittstelle, Kamera-Technik, oder die in diesem Fall sehr mannigfaltige Informationsverarbeitung. Der Arbeiter-Samariter-Bund Kaiserslautern etwa bereicherte das Projekt mit Einblicken in den Ablauf und die Komplexität von entsprechenden Einsatzfahrten: Ein Rettungswagen wurde mit einer Kamera und Sensortechnik ausgestattet. Im Vorfeld konnten so Fahrmanöver entlang einer Einsatzroute analysiert werden. Dass die Technik funktioniert, konnten Tests unter anderem in Kaiserslautern an der Trippstadter Straße eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Technik soll nicht in der Schublade verschwinden

AORTA ist nun bereit für die Anwendung. Naim Bajcinca sucht deshalb den Kontakt auch zu weiteren Rettungsdiensten, will mit ihnen ausloten, wie sich AORTA in die Breite bringen lässt. „Das Know-how steht“, sagt der Professor. „Wir haben eine umfangreiche und leistungsstarke Software entwickelt. Diese soll jetzt nicht in der Schublade verschwinden.“

Er appelliert zudem an politische Entscheidungsträger und die Automobilbranche: „Entscheidend für eine Einführung des Systems sind auch förderliche politische Rahmenbedingungen und Fahrzeughersteller, die es in ihre Fahrzeuge einbauen. Und Onlinedienste wie Google Maps, die diesen Service bei sich integrieren wollen.“ Zudem könnten Versicherungen ein berechtigtes Interesse an der Innovation haben: Man denke nur an die Unfallkosten, die sich mithilfe von AORTA vermeiden ließen.

Naim Bajcinca ist daher offen für Gespräche mit Interessierten – und ergänzt: „Ein erster Schritt könnte die Entwicklung einer App sein, die sich jeder herunterladen kann.“ Dies ließe sich, so schätzt er, innerhalb von etwa zwei Jahren realisieren. „Doch dafür brauchen wir starke Partner.“ Ansporn gibt es genug – insbesondere, dass eine solche App künftig Menschenleben retten könnte.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr.-Ing. Naim Bajcinca
Lehrstuhl für Mechatronik, RPTU Kaiserslautern
E: naim.bajcinca@rptu.de
T: 0631 205-3230

https://rptu.de/newsroom/pressemitteilungen/detail/news/automatisierte-rettungsgasse-technik-rettet-menschenleben

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