Algen gegen Industrieabgase

Diese Woche geht eine neuartige Algenzuchtpilotanlage zur CO2-Konversion in Industrieabgasen in Niederaußem bei Köln in Betrieb. Die Anlage, die Teil des dortigen Braunkohlenkraftwerks der RWE ist, soll Abgase in industriellem Ausmaß reduzieren. Laurenz Thomsen, Professor of Geosciences an der Jacobs University Bremen ist der wissenschaftliche Leiter des Projektes.

Beteiligt sind auch das Forschungszentrum Jülich sowie die Bremer Phytolutions GmbH. Die CO2-Abtrennung aus Industrieabgasen wird nach Ansicht von Forschern in Zukunft eine bedeutende Rolle zur Reduktion von CO2-Emissionen spielen. Neben chemisch-physikalischen Optionen und der unterirdischen Speicherung werden zunehmend Möglichkeiten zur Umwandlung und Nutzung von CO2 diskutiert.

Bisher haben Wissenschaftler in erster Linie damit spekuliert, das CO2 wieder in die Erde zu pumpen und dort endzulagern. „Was uns aber interessiert hat, war die Schaffung eines neuen vollständigen Kreislaufs, der das CO2 sinnvoll bindet“, erklärt Thomsen im pressetext-Interview. „Das Konzept der RWE-Pilotanlage basiert auf dem biochemischen Prozess der Photosynthese, bei dem Pflanzen CO2 aufnehmen und Lichtenergie in chemische Energie umwandeln.“ Im Vergleich zu Landpflanzen haben Mikroalgen eine sieben- bis zehnfach höhere Wachstumsrate. In Folge bedeutet dies schnelleres Wachstum, stärkere Photosyntheseleistung und somit höherer CO2-Verbrauch“, erklärt der Wissenschaftler.

„An der Bremer Jacobs University haben wir zunächst eine solche Testanlage errichtet, die sich als effektiv herausgestellt hat.“ Die Algen eignen sich für verschiedene Anwendungen. „Aus den Algen kann man Biotreibstoffe herstellen, man kann sie für die Chemie und in der Biogas-Anlage zur Veredelung verwenden oder man kann aus ihnen Baustoffe fertigen“, so Thomson. „Da auf der Erde Wasser zu 98 Prozent als Meerwasser vorliegt, nutzen wir Meeresalgen und benötigen dafür lediglich Flächen, die für die Landwirtschaft völlig ungeeignet sind.“

„Das gemeinsame Projekt mit der RWE ermöglicht es uns, die Forschung und Entwicklung für eine real taugliche Nutzung von Meeresalgen voranzutreiben“, erklärt Thomsen. In der rund 600 Quadratmeter großen Versuchsanlage kann nun erstmals in größerem Maßstab und unter normalen Bedingungen des Kraftwerksbetriebes das System getestet werden. „Neben technischen Fragestellungen, die mit der Entwicklung dieser Technologie einhergehen, steht vor allem der Nachweis im Vordergrund, ob die Gesamtenergiebilanz von Algenproduktion und Konversion positiv ist und tatsächlich eine Netto-CO2-Minderung erzielt wird“, meint der Fachmann, der davon ausgeht, dass jährlich ca. 20.000 Tonnen CO2 pro Quadratkilometer gebunden werden können. „Ein weiterer Vorteil einer solchen Anlage sei außerdem, dass das gesamte Rauchgas für die Algenzucht verwendet werden kann und nicht wie bei Carbo-Capture-Systemen vorher abgeschieden werden muss.“

Die Pilotanlage ermögliche zudem eine Optimierung der gesamten Prozesskette – von der Algenproduktion bis zum Endprodukt. „Mit rund 55.000 Litern Algensuspension erlaubt die neue Anlage erstmals die Erprobung und den Einsatz der von der Jacobs University und Phytolutions angepassten und weiterentwickelten Technologie im industriellen Maßstab.“ Mit der Anlage können pro Jahr bis zu 6.000 Kilogramm Algen (Trockensubstanz) produziert werden. Dadurch werden 12.000 Kilogramm CO2 eingebunden. „Es ist uns klar, dass es bis zur industriellen Nutzung ein weiter Weg ist, dennoch sehen wir große Chancen für die Zukunft“, so Thomson abschließend im pressetext-Interview.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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