Zwillingsstudie entschlüsselt psychotische Erkrankungen

Die Schizophrenie gehört zu den häufigsten und gravierendsten psychotischen Erkrankungen. Etwa jeder Hundertste in der Bevölkerung erkrankt einmal in seinem Leben an einer schizophrenen Psychose – manche davon chronisch.

Bei vielen anderen bleiben Konzentrationsstörungen und Antriebsschwäche, teilweise auch Wahrnehmungsstörungen zurück. Mit den derzeitigen Therapieverfahren kann in vielen Fällen der Zustand der Patienten gebessert werden. Eine Heilung für alle gibt es bisher nicht.

Die Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen, ist das Ziel des „Europäischen Zwillingsnetzwerks zu schizophrenen Erkrankungen“, kurz EUTwinsS, das von Prof. Dr. Heinrich Sauer und Dr. Igor Nenadic vom Universitätsklinikum Jena (UKJ) koordiniert wird. Das Netzwerk besteht aus neun Kliniken bzw. Forschungseinrichtungen in sechs europäischen Ländern und ist eines der größten seiner Art weltweit. Die EU fördert die Projekte des Netzwerks mit insgesamt 2,4 Millionen Euro. Neben den Universitätskliniken in Jena, Bonn und Heidelberg gehören Einrichtungen wie das Institute of Psychiatry in London, das Uniklinikum Utrecht und Arbeitsgruppen in Amsterdam, Barcelona, Zürich und Szeged zum interdisziplinären Verbund.

„Wesentliche Fortschritte in der Behandlung kann es erst geben, wenn wir die Ursachen dieser häufigen und schweren Krankheit besser kennen“, ist Prof. Sauer überzeugt. „Wir können zwar schon jetzt geringe strukturelle Unterschiede im Gehirn von Menschen mit Psychosen mit bildgebenden Verfahren sichtbar machen, kennen aber die Entstehungsmechanismen nicht gut genug. Genau dies ist aber für eine Früherkennung und Entwicklung individueller Therapien notwendig“, weiß der Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena.

Eine Zwillingsstudie eröffnet dabei neue Perspektiven. „Zwillinge sind zwar genetisch ähnlich, die eineiigen sogar identisch; trotzdem unterscheiden sie sich in vielen biologischen Merkmalen, sogar der Hirnstruktur“, erklärt Dr. Nenadic den Ansatz der geplanten Untersuchungen. „Zwillinge erlauben es uns, besser zu verstehen, wie Umwelteinflüsse mit erblichen Faktoren zusammenwirken, wenn eine psychotische Erkrankung entsteht“. Das EUTwinsS-Netzwerk nutzt dabei eine Vielzahl von Methoden, diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu untersuchen: Moderne bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) nehmen ganz ohne Röntgenstrahlen Bilder des Gehirns „bei der Arbeit“ auf, während das EEG die Hirnströme aufzeichnet. Auch Tests zu Aufmerksamkeit und Gedächtnis sowie die Untersuchung genetischer Marker gehören dazu. „Erst mit diesem multidisziplinären Ansatz“, so Studienkoordinator Nenadic, „können wir Marker identifizieren, die künftig helfen könnten, das Erkrankungsrisiko früher und besser zu bestimmen“.

Das kann aber nur gelingen, wenn sich eine genügende Anzahl von Versuchspersonen an der Studie beteiligt. Mindestens 70 Zwillingspaare wollen die Jenaer Mediziner untersuchen. Europaweit sollen es mehrere hundert Paare sein. Deshalb suchen die Mediziner des UKJ derzeit Zwillinge, von denen einer oder beide an einer Psychose erkrankt waren oder sind, die sich als Testpersonen zur Verfügung stellen. Sowohl eineiige als auch zweieiige Zwillingspaare können teilnehmen.

„Für die Männer und Frauen ist mit der Studie keinerlei Gesundheitsrisiko verbunden“, erklärt Prof. Sauer. Vielmehr wird ein umfangreiches und interessantes Untersuchungsprogramm geboten, bei dem man auch Einblicke in die eigenen Gehirnbilder oder Hirnstromkurven gewinnen kann. Neben einer Aufwandsentschädigung von 300 Euro pro Teilnehmer werden auch Kosten für die Anreise und Unterkunft erstattet.

Wer sich für eine Teilnahme an der Studie interessiert, kann sich online unter www.eutwinss.de oder im persönlichen Gespräch informieren bei:

(Kontakt für Studienteilnehmer)
Dipl.-Psych. Kerstin Langbein, Dr. Susanne Straube
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena
Philosophenweg 3, 07743 Jena
Tel.: 0160 / 7144875
E-Mail: zwilling[at]uni-jena.de
Kontakt für Journalisten (nicht zur Veröffentlichung):
Dr. Igor Nenadic
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Jena
Philosophenweg 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 935246
E-Mail: Igor.Nenadic[at]uni-jena.de

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Axel Burchardt idw

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