Die verlorene Erde

Obwohl wir ihn mit Füßen treten, tut er so viel für uns. Ohne unseren Erdboden könnte kein höher entwickeltes Lebewesen auf diesem Planten gedeihen. Er filtert unser Trinkwasser, speichert Energie und wandelt Nährstoffe um, und er ist die unverzichtbare Grundlage für jede Nahrungsmittelproduktion.

Jährlich verlieren wir jedoch zehntausende Tonnen Erde unwiederbringlich durch Erosion. In einigen Teilen der Welt wird der Verlust an kostbarem Oberboden sogar auf einen halben Zentimeter jährlich geschätzt. Um eine solche Bodenschicht zu mineralisieren benötigt die Natur etwa 100 Jahre. Angesichts des schnell wachsenden Ernährungsbedarfes der Erdbevölkerung, der sich zum Jahre 2050 verdoppelt haben soll, sind solche Zahlen alarmierend.

Ein guter Boden: Was ist das?

Was aber genau passiert, wenn aus einem guten Boden ein erosionsgeschädigter wird? Ausgangsmaterial für fruchtbare Böden sind zunächst einmal Steine und Geröll, die durch die Kräfte von Wind und Wasser verwittern und von Bodenorganismen in 0.25 – 10 Millimeter große Partikel zersetzt werden. Gemeinsam mit verwesenden Tier- und Pflanzenteilen verbinden sich diese Partikel zu größeren Bodenaggregaten. Die Poren zwischen diesen Aggregaten speichern Wasser und belüften den Boden. Gleichzeitig wandeln Mikroorganismen das organische Material in Nährstoffformen um, die von Pflanzen über die Wurzeln aufgenommen werden können.

Trocknen Böden durch verminderten Pflanzenwuchs und direkte Sonnenbestrahlung aus, sind sie Wind- und Wassererosion schutzlos preisgegeben. Der Oberboden wird abgetragen, organische Substanzen werden ausgespült und die gespeicherten Vorräte zwischen den Bodenaggregaten gehen verloren. Landwirte kompensieren den Verlust an Nährstoffen meistens mit Düngung. Das Ausschwemmen von Ackerböden in die Flüsse hat deshalb auch ökologische Folgen, denn die in der Erde enthaltenen Düngemittel verunreinigen die Gewässer mit Phosphaten.

Deutsche Böden sind bedroht

Auch in Deutschland sind Umweltschäden und Ertragsverluste durch Erosion und Bodenschäden ein Problem. Vom World Soil Information Centre ISRIC wurde der deutsche Boden bereits 1997 als „degraded“ eingestuft. Das heißt, dass er einige seiner Filter-, Speicher- und Nährstoffumwandelnden Funktionen bereits verloren hat. Solche Bodenklassifizierungen basieren meistens auf chemischen Mineral-Analysen, Dichtemessungen und mikroskopischen Untersuchen der Bodenstruktur.

Problematisch dabei ist, dass eine Verminderungen der Bodenqualität erst erkennbar wird, wenn die Schäden bereits irreparabel sind. Um die Wirksamkeit von Bodenschutzmaßnahmen zu verbessern, hat die EU das Projekt „Sustainable Agriculture and Soil Conservation“ (SoCo) ins Leben gerufen. Eine vom SoCo geförderte Fallstudie im Landkreis Uckermark in Brandenburg zeigt beispielsweise, dass die derzeitigen Schutzmaßnahmen möglicherweise nicht ausreichend sind, um Bodenschäden langfristig einzudämmen. In dieser Region sind 24% der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen von Erosion betroffen. „In Brandenburg ist das Risiko für Bodenschäden besonders hoch, da viele Anbauflächen an Hängen bestellt werden“, erklärt Katrin Prager, Autorin der Studie und Wissenschaftlerin des James Hutton Institutes in Schottland. Die Böden der Region bestehen zudem aus feinen Sanden, die leicht abgetragen werden. Bodenverdichtung durch schwere Maschinen und der Anbau von Reihenkulturen wie Zuckerrüben, Mais und Kartoffeln sind weitere Ursachen für Bodenschäden. „Bei solchen Nutzpflanzen bleibt der Boden zwischen den Pflanzen ungeschützt. Nach der Ernte werden die Kartoffel- und Zuckerrübenfelder gepflügt und sind dann im Winter unbedeckt.“ Gerade das Pflügen, so Prager, sei eine der Hauptursachen für die verstärkte Wasser- und Winderosion der Region.

Der Studie zufolge erodieren in Deutschland pro Jahr und Hektar im Durchschnitt zehn Tonnen Boden. Durch Bodenneubildungsprozesse werden lediglich 1 bis 2 Tonnen Boden pro Hektar gebildet. Die Nettoverluste betragen somit das Fünf- bis Zehnfache. Durch die seit mehreren Jahrzehnten praktizierte tiefere Bodenbearbeitung beim Pflügen wurde dieser Verlust bisher gepuffert. Hält diese Entwicklung jedoch an, können auf besonders betroffenen Flächen die Ertragsverluste leicht 15% betragen. Fünf Prozent Verlust pro 10 Zentimeter durch Erosion verlorenen Boden, besagt die Schätzungen der Wissenschaftler. Damit wird der durch die Pflanzenzüchtung erzielte Ertragsgewinn durch neue, verbesserte Sorten von ein bis zwei Prozent aufgezehrt.

Gesetze lassen noch zu viel Spielraum

In Ihrer Studie befragten Prager und ihre Kollegen Landwirte und Vertreter der Verwaltung, um die bestehenden Bodenschutzmaßnahmen zu evaluieren. Dabei zeigte sich, dass die meisten Maßnahmen oft zu ungenau definiert sind, als dass sich für Landwirte daraus konkrete Handlungsanweisungen ergeben würden. Zwar gibt es einen Leitfaden für „gute fachliche Praxis“ in der Landwirtschaft (GfP), dabei handelt es sich aber hauptsächlich um Empfehlungen. „Ob ein Bauer früher oder später auf sein Feld fährt und bei nassem Boden somit eine höhere Bodenverdichtung auslöst, bleibt letztlich ihm überlassen“, so Prager. Bei konkreteren Vorgaben, die beispielsweise das Einhalten von Grenzwerten bei Nitraten oder den Erhalt von Hecken zum Bodenschutz vorschrieben, fehlten den Behörden wiederum Kapazitäten, um die Umsetzung zu kontrollieren.

Als wirkungsvolles politisches Instrument stufen die Wissenschaftler dagegen sogenannte Agrarumweltprogramme ein. Durch solche Programme erhalten Landwirte, die eine bestimmte Bodenschutztechnik ausprobieren wollen, eine finanzielle Unterstützung. Anstatt zu pflügen ist es beispielsweise auch möglich, direkt in die Stoppelfelder einzusäen. Konservierende oder pfluglose Bodenbearbeitung ist der Fachbegriff hierfür. „Solche Programme bieten genügend Flexibilität für Bauern, unterschiedliche Maßnahmen auszuprobieren. Nicht jede Technik passt zu jedem Betrieb“, sagt Prager. Beim ökologischen Anbau beispielsweise, der keine Unkrautvernichtungsmittel einsetzt, ist reduziertes Pflügen kaum eine Option. Denn das Pflügen ist beim Bio-Anbau eine der effektivsten Möglichkeiten der Unkrautbekämpfung. Agrarumweltprogramme, die den Bodenschutz betreffen, hat das Land Brandenburg allerdings im Zuge von Sparmaßnahmen gestrichen.

Um die Defizite im Bodenschutz Deutschlands langfristig zu beseitigen, empfehlen die Wissenschaftler, die bestehenden Gesetzesvorgaben besser zu definieren und mehr Gelder in Kontrollsysteme der Behörden aber auch in die Beratung der Bauern zu investieren. „Ein Landwirt, der hohe Gewinne mit Mais erzielt, wird auch weiterhin Mais anbauen. Trotzdem können Agrarumweltprogramme, kombiniert mit einer guten Beratung, Bauern dazu motivieren, andere Bodenschutzmaßnahmen umzusetzen“, so Prager. „Den Königsweg, der für alle Betriebe und Landstriche Deutschlands passt, gibt es beim Bodenschutz leider nicht.“ Auch die Forschung für die Entwicklung und Verbreitung optimierter, lokal angepasster Systeme bleibt eine wichtige Forderung.

Quellen:
Prager et al. (2011) Incentives and enforcement: The institutional design and policy mix for soil conservation in Brandenburg (Germany). Land Degradation & Development 22: 111-123. DOI: 10.1002/ldr.1038. (Abstract).

Hagemann und Prager (2011) Politische Instrumente zum landwirtschaftlichen Bodenschutz – Defizite und Handlungsansätze. Berichte über Landwirtschaft (im Druck).

Steve Banwart (2011) Save our soils. Nature 474: 151-152. doi:10.1038/474151a

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