Schröpfen: Klinische Wirksamkeit erstmals belegt

Rund zwei Millionen Menschen in Deutschland leiden unter nächtlichem Ruheschmerz der Hand, Taubheitsgefühlen und Kribbeln in Daumen, Mittel- und Zeigefinger (Brachialgie). Häufig diagnostiziert ist ein Karpaltunnel-Syndrom, welches in vielen Fällen mit Nackenschmerzen und Verspannungen im Schulterbereich assoziiert ist.

Die Forschergruppe um Professor Andreas Michalsen (vormals leitender Oberarzt in Essen, jetzt Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin) hat sich die kürzlich entdeckte Verbindung zur Schulter zunutze gemacht. In einer randomisierten kontrollierten Therapiestudie, die nun im „Journal of Pain“ veröffentlicht wurde, sind 52 Brachialgie-Patienten in zwei Gruppen unterteilt worden. Bei einer Gruppe wurde eine einmalige blutige Schröpfbehandlung im Schulterbereich durchgeführt, die Kontrollgruppe wurde mit einem Wärme spendenden Ingwersack behandelt.

Nach sieben Tagen Beobachtungszeit gingen die Beschwerden der Schröpfgruppe um 60 Prozent zurück, in der Kontrollgruppe lediglich um 23 Prozent. Neben verringerten Schmerzen in der Hand berichteten die Patienten über weniger Taubheits- und Kribbelgefühle, verringerte Nackenschmerzen und eine Verbesserung der funktionellen Beweglichkeit und physischen Lebensqualität.

Die Erwartungen an den Erfolg der Therapie waren in beiden Gruppen gleich hoch, ein Indiz dafür, dass die Schröpfbehandlung über reine Placeboeffekte hinausgeht. Ernste Nebenwirkungen wurden in keiner der Gruppen beobachtet. Die Schröpfbehandlung wurde von den Patienten gut vertragen und nicht als schmerzhaft empfunden. Ungeklärt bleibt, ob die positiven Effekte über einen längeren Zeitraum anhalten.

Professor Michalsen erklärt sich den Wirkmechanismus wie folgt: „Die Behandlung basiert vermutlich auf dem Prinzip der aus der Anatomie bekannten Reflexzonen. Das Schröpfen fördert die Durchblutung und muskuläre Spannungslösung in einem bestimmten Areal, in dieser Studie im Schulterdreieck. Dies wiederum hat günstige reflektorische Effekte auf den betroffenen Nerv.“

Der Karpaltunnel (Handwurzelkanal) ist eine kleine Vertiefung am Handgelenk. Durch diese wird, neben verschiedenen Sehnen, ein Nerv geführt, der vor allem die ersten drei Finger der Hand versorgt. Ist diese Leiterbahn verengt, entsteht Druck auf den Nerv, die Reizweiterleitung funktioniert nicht mehr störungsfrei und es kommt zu Missempfindungen, wie Kribbeln, Taubheit und Schmerzen. Neben einer mechanischen Überbeanspruchung der Hand können Verspannungen des Bindegewebes im Schulterdreieck Auslöser für eine Verengung des Karpaltunnels sein.

Die konventionelle Behandlung des Karpaltunnel-Syndroms besteht im Anlegen von Handgelenksschienen, der Gabe von oralen Entzündungshemmern oder der lokalen Injektion von Cortisonpräparaten. Helfen diese Interventionen nicht, wird meist ein operativer Eingriff empfohlen.

Beim blutigen Schröpfen werden die Schröpfköpfe an Hautstellen angesetzt, die zuvor mit einer kleinen Kanüle oder Lanzette eingeritzt wurden.

Die Ergebnisse aus Essen bestätigen eine Pilotstudie aus dem Jahre 2006. Die Studie wurde ebenfalls von der Carstens-Stiftung gefördert und in Zusammenarbeit mit der Charité Berlin und dem Evangelischen Krankenhaus Rüdersdorf durchgeführt.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Andreas Michalsen
Immanuel Krankenhaus Berlin
Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde der Charité/Berlin
Königstrasse 63
14109 Berlin
E-Mail: a.michalsen@immanuel.de
Tel.: 030 80505 691
Rainer Lüdtke
Karl und Veronica Carstens-Stiftung
Referat: Biometrie in der Komplementärmedizin
Am Deimelsberg 36
45276 Essen
E-Mail: r.luedtke@carstens-stiftung.de
Tel: 0201 56305 16

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Frederik Betsch idw

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