Schlaganfall-Vorstufen: Schnelles Handeln verhindert große Hirninfarkte und Behinderungen bei sinkenden Kosten

Das schnelle Eingreifen verringert drastisch die Häufigkeit weiterer Schlaganfälle um 80 Prozent. Hierdurch verkürzt sich die durchschnittliche Liegezeit im Krankenhaus auf ein Drittel, die Klinikkosten sinken um 60 Prozent. Mit diesen eindrucksvollen Effekten überzeugt jetzt die Studie einer englischen Forschergruppe in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift The Lancet Neurology [1].

„Diese Untersuchung ist ein weiterer eindrucksvoller Beleg dafür, wie wichtig eine notfallmäßige Versorgung auch von TIA-Patienten ist – sowohl für das Wohl der Patienten, als auch für die Kosten in der Versorgung“, kommentiert Professor Dr. med. Martin Grond von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und Chefarzt am Kreisklinikum Siegen diese wichtige Studie.

Auch in Deutschland werden Patienten mit TIA (transitorisch ischämische Attacken) häufig erst spät erkannt und entsprechend verzögert behandelt – obwohl man weiß, dass bis zu einem Viertel aller großen Hirninfarkte eine TIA als Warnsymptom voraus geht [2]. Die neurologischen Ausfallerscheinungen dauern oft nur Minuten, in jedem Fall nicht länger als 24 Stunden, und können anhand der schlaganfalltypischen Krankheitszeichen erkannt werden: Dies sind insbesondere halbseitige Lähmungen von Armen und/oder Beinen, Sprach- und Sehstörungen.

Obwohl die Symptome der TIA schnell wieder abklingen, haben die Betroffenen ein stark erhöhtes Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre einen großen und möglicherweise tödlichen Schlaganfall zu erleiden. Schlaganfälle sind neben Herz-Kreislauf-Leiden und Tumorerkrankungen die häufigste Todesursache in der westlichen Welt und zudem eine der wichtigsten Ursachen für die dauerhafte Pflegebedürftigkeit Erwachsener. Besonders groß ist die Gefahr für einen Schlaganfall in den ersten Tagen nach einer TIA. Dies war auch der Grund für die englische Forschergruppe, den möglichen Nutzen schneller Maßnahmen in einer großen Untersuchung zu messen – der EXPRESS-Studie (für Early use of eXisting PREventive Strategies for Stroke).

Verglichen wurde bei EXPRESS das Schicksal von annähernd 600 Patienten in der englischen Grafschaft Oxfordshire, bei denen der Hausarzt eine mögliche TIA oder einen kleinen Schlaganfall festgestellt hatte und die deshalb an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen wurden. Während des Untersuchungszeitraumes hatte man allerdings den Umgang mit solchen Patienten stark verändert: Wie in England üblich, mussten die 310 Patienten in der ersten Phase der Studie zunächst einen Kliniktermin ausmachen. Nach der Untersuchung dort erhielt der Hausarzt dann meist per Fax die Diagnose und eine Empfehlungen für das weitere Vorgehen, sodass die eigentliche Behandlung sich um durchschnittlich 19 Tage verzögerte.

Die 281 Patienten in der zweiten Phase der EXPRESS-Studie wurden dagegen von ihren Hausärzten sofort an ein Zentrum geschickt, wo man sie ohne weitere Formalien gleich untersuchte und mit der Behandlung begann. Meist wurde dabei eine Kombination aus einem Bluttfettsenker, gerinnungshemmenden Medikamenten sowie ein Mittel gegen Bluthochdruck verabreicht. Diese Behandlung begann im Mittel schon einen Tag nachdem die Patienten ihren Hausarzt aufgesucht hatten.

Die Auswertung der Krankenblätter belegte eindrucksvoll den Nutzen der frühzeitigen, intensiven Maßnahmen: In der ersten Phase hatten noch 32 Patienten binnen 90 Tagen einen weiteren Schlaganfall erlitten. In der zweiten Phase waren es nur noch sechs, also nur noch ca. 20 Prozent von denen aus der ersten Phase. Schlaganfälle mit tödlichem Ausgang oder bleibender schwerer Behinderung sanken sogar auf rund 6 Prozent. In den 90 Tagen nach der Diagnose mussten zwar aus beiden Gruppen gleich viele Patienten in eine Klinik aufgenommen werden, allerdings verbrachten Patienten aus der ersten Phase dort insgesamt 1957 Tage, gegenüber nur 672 Tagen bei den Patienten aus der zweiten Phase. Nicht zuletzt konnten durch die beschleunigte und intensive Schlaganfall-Vorbeugung auch die Kosten für den Klinikaufenthalt deutlich reduziert werden. Denn die Folgekosten durch vaskuläre Ursachen beliefen sich in der ersten Phase auf umgerechnet 1142 Euro, in der zweiten Phase waren es nur noch 467 Euro – Einsparungen, die im Wesentlichen durch die Verhinderung weiterer Schlaganfälle zustande kamen.

Quellen
[1] Luengo-Fernandez, R., Gray, A.M., Rothwell, P.M. Effect of urgent treatment for transient ischaemic attack and minor stroke and hospital costs (EXPRESS study): a prospective population-based sequential comparison. The Lancet Neurology 8: 235 (2009).
> Im Internet: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19200786
[2] Sander, D., Conrad, B. Die transitorisch ischämische Attacke – ein medizinischer Notfall. Dtsch Arztebl 103(30): A-2041 (2006).

> Im Internet: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=52238

Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. med. Martin Grond
2. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft
Chefarzt der Klinik für Neurologie
Kreisklinikum Siegen
Tel.: 0271-7051800
E-Mail: m.grond@kreisklinikum-siegen.de
Geschäftsstelle Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
Prof. Dr. med. Otto Busse, Reinhardtstr. 14, 10117 Berlin, Tel: 030 531437930,
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