Pflegepersonal: Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Trotz starker Berufstreue der Pflegefachkräfte und einer Erhöhung der Arbeitszeiten wird der sich bereits jetzt abzeichnende Fachkräftemangel in den Pflegeberufen bis zum Jahr 2025 nicht zu entschärfen sein. Auch die – erforderliche – Aktivierung derjenigen, die zwar über entsprechende Qualifikationen verfügen, aber trotzdem nicht im Pflegebereich arbeiten, kann die Lücken nicht füllen.

Eine Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigt, dass nur eine Kombination verschiedener Ansätze helfen kann: Die Motivation Jugendlicher für eine Ausbildung in Pflegeberufen ist ebenso nötig wie geregelte Anwerbe- und Anerkennungsverfahren für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland.

Unter den nach Deutschland zugewanderten Arbeitsmigrantinnen und -migranten ist der Anteil an ausgebildeten Pflegefachkräften (4,1 %) geringfügig höher als unter den Personen mit einem deutschen Berufsabschluss (3,8 %). Rund 6 % der ausgebildeten Pflegefachkräfte haben ihren Abschluss im Ausland erworben. Der deutsche Arbeitsmarkt profitiert demnach in den Pflegeberufen von qualifizierter Zuwanderung, wenngleich die Gesamtzahl der mit Berufsabschluss zugewanderten Pflegefachkräfte mit hochgerechnet rund 70.000 Personen relativ gering ist.
Weiterhin gibt es laut BIBB-Analyse in Deutschland eine „Qualifikationsreserve“: Rund 178.000 bei uns lebende Personen zwischen 15 und 59 Jahren haben eine mindestens einjährige Ausbildung in den Pflegeberufen absolviert, nehmen jedoch nicht am Erwerbsleben teil. Ein Teil dieser Personen müsste zu einer Beteiligung am Erwerbsleben bewegt werden. Zum Beispiel könnte durch eine flächendeckende Versorgung mit Kinderbetreuungsstätten das Fachkräfteangebot dem wachsenden Bedarf weiter angepasst werden, da der Anteil der weiblichen Pflegefachkräfte laut Statistischem Bundesamt bei rund 84 % liegt.

Zusätzlich wird es aber auch notwendig sein, Jugendliche für eine Ausbildung in den Pflegeberufen zu gewinnen sowie weiterhin bestehende Engpässe über qualifikationsspezifische Zuwanderung zu steuern. Geregelte Anwerbe- und Anerkennungsverfahren könnten die Chance erhöhen, dass qualifizierte Pflegefachkräfte den Weg nach Deutschland finden.

Als „Irrweg“ hat unterdessen der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Friedrich Hubert Esser, den Vorschlag der EU-Kommission bezeichnet, als Eingangsvoraussetzung für die Krankenpflegeausbildung eine abgeschlossene zwölfjährige Schulbildung zu verlangen. „Dies würde den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen sogar noch weiter verschärfen“, so Esser. Vielmehr sei es erforderlich, die duale Ausbildung zu stärken und anforderungsgerechte Berufslaufbahnkonzepte zu entwickeln, die der Akademisierung von Berufen wirksam entgegenwirken könnten. „Die Ausgestaltung der Qualifikationsanforderungen in den Gesundheitsberufen im Rahmen von Berufslaufbahnkonzepten, in denen Aus- und Fortbildung systematisch miteinander verzahnt sind und in denen ein Übergang in verwandte Studiengänge nach der Erreichung der zweiten Aufstiegsfortbildungsebene möglich ist, bietet genügend Spielraum für die geplante Überarbeitung der Curricula.“

Weitere Informationen in der neuesten Ausgabe der BIBB-Fachzeitschrift „Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis – BWP“, Heft 6/2012, im Beitrag „Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Qualifikationsreserven für die Pflege“. Download unter http://www.bibb.de/bwp-6977

Bildmaterial steht unter http://www.bibb.de/pressefotos zur Verfügung.

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Andreas Pieper idw

Weitere Informationen:

http://www.bibb.de/

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