Persönliche Kompetenzen und konstruktive Verarbeitung von Anforderungen helfen Lehrerinnen und Lehrern, gesund zu bleiben

Dabei zeigte sich, dass erfahrene Lehrer und Lehrerinnen mit gutem ebenso wie mit schlechtem Gesundheitszustand sich nicht hinsichtlich der objektiven Tätigkeitsmerkmale und der schulischen Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten, unterscheiden.

Der deutliche Unterschied liege in der Art und Weise, wie sie mit beruflichen Anforderungen umgehen, so Dauber und Döring-Seipel. Besonders wichtig seien die persönlichen und sozialen Ressourcen, auf die Lehrkräfte für die Bewältigung von Anforderungen in der Schule zurückgreifen können. Das zeigen auch die folgenden Beispiele.

Zwei von tausend Befragten: Frau A. und Frau B.
Frau A. ist seit vielen Jahren Lehrerin. Trotz ihrer langjährigen Berufstätigkeit sieht sie die objektiv hohen Anforderungen, denen sie sich tagtäglich stellen muss, immer wieder neu als Herausforderung, denen sie mit Interesse, Neugier und einem gewissen Optimismus begegnet. Hohe Stundenzahlen, hoher Aufwand für Korrekturen von Arbeiten, Umgang mit schwierigen Schülern und mit (zuweilen nicht weniger schwierigen) Eltern bestimmen auch ihren Berufsalltag, werden von ihr aber nicht als intensive persönliche Belastung empfunden. Wenn Schwierigkeiten auftreten, greift Frau A. zu offensiven Problemlösestrategien, um die Probleme aus der Welt zu schaffen.

Ganz anders sieht die Situation für die Lehrerin Frau B. aus. Für sie ist ihre Tätigkeit eine ständige Quelle der Bedrohung und Überforderung. Berufliche Anforderungen belasten sie über die Maßen stark, andererseits sieht sie wenige Möglichkeiten, ihre Probleme aktiv zu lösen, sondern verharrt in einer eher passiv-resignativen Haltung.

Beide Lehrerinnen arbeiten unter vergleichbaren objektiven Bedingungen, unterscheiden sich jedoch in der Art und Weise, wie sie mit den Anforderungen umgehen und in ihrer persönlichen Kompetenz- und Ressourcenausstattung, die dazu führt, dass Frau A deutlich bessere Chancen hat, gesund zu bleiben und ihren Beruf auch weiterhin engagiert mit Freude ausüben zu können, als Frau B.

Frau A. und Frau B. stehen für über 1000 Lehrerinnen und Lehrer, die im Rahmen der Studie untersucht wurden. Vermittelt über die DEBEKA-Kranken-Versicherung wurden jeweils 1500 kranke und 1500 gesunde Lehrer und Lehrerinnen über fünfzig Jahre angeschrieben; zusätzlich wurden 300 Lehrer und Lehrerinnen mit einer gestaltpädagogischen Zusatzausbildung kontaktiert. Gut ein Drittel der Angefragten beteiligte sich an der Untersuchung.

Die Ergebnisse im Einzelnen:
Selbstwirksamkeit, Distanzierungsfähigkeit, emotionale Stabilität, Kohärenzgefühl und Achtsamkeit zählen zu den wichtigen persönlich-psychischen Ressourcen, die einen konstruktiven Umgang mit Anforderungen und Belastungen ermöglichen und die Widerstandskraft gegenüber gesundheitlichen Belastungen erhöhen. Können Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich noch auf soziale Unterstützung im privaten und schulischen Umfeld zurückgreifen, so erhöht dies die Chancen, angemessen und Gesundheit schützend mit beruflichen Anforderungen und Belastungen umgehen zu können. Die Ergebnisse von Lehrkräften mit gestaltpädagogischer Weiterbildung entsprechen denen der gesunden Gruppe oder übertreffen sie zum Teil.

Keinesfalls sollten diese Ergebnisse dahingehend interpretiert werden, dass Lehrerinnen und Lehrer eben selbst schuld seien, wenn sie in und an ihrem Beruf erkranken. Vielmehr machen die Ergebnisse deutlich, dass Lehrkräfte nicht einfach Opfer der Verhältnisse werden, sondern einen aktiven Beitrag zur Gestaltung ihrer Beanspruchungs- und Gesundheitssituation leisten können.

Übliche Problemlösungsansätze helfen im Kern oft nicht weiter
Übliche, vordergründig auf Entlastung zielende Problemlösungsansätze – so konnte die Studie ebenfalls zeigen – greifen oftmals zu kurz. Die Reduzierung der Stundenzahl beispielsweise bewirkt bei unzureichenden Kompetenz- und Ressourcenvoraussetzungen weder eine Verringerung der Belastung noch eine Verbesserung der Gesundheit.

Ressourcen wie Selbstwirksamkeit, Distanzierungsfähigkeit, emotionale Stabilität, Kohärenzgefühl und Achtsamkeit sind offenbar entscheidend für den Umgang mit Belastungen und auch – so stellte sich in der Studie ebenfalls heraus – für die Gestaltung von abwechslungsreichen und anspruchsvollen Unterrichts- und Lernangeboten. Somit stellt sich die Frage, wie sich frühzeitig – möglichst schon während des Studiums -Kompetenzentwicklungsprozesse einleiten lassen, die verhindern, dass Lehrer und Lehrerinnen in einen Teufelskreis aus Kompetenzdefiziten, Überlastung, problematischen Bewältigungsformen und gesundheitlichen Problemen mit nachfolgenden weiteren Kompetenzverlusten bis hin zur gesundheitsbedingten Frühpensionierung geraten.

Erste Schritte zu einer kompetenzorientierten Erweiterung des Lehrangebots für den Einstieg ins Lehramtsstudium an der Universität Kassel wurden von den Autoren bereits unternommen, (http://www.uni-kassel.de/go/basiskompetenzen) aber „weitere Schritte müssen folgen. Allerdings hat uns die Studie bestärkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Dauber und Döring-Seipel.

Ein detaillierter Bericht über die Untersuchung kann bei den Autoren angefordert werden:

doering.seipel@uni-kassel.de; hdauber@uni-kassel.de

Info
Prof. Dr. Heinrich Dauber
tel: (05673) 4622
e-mail: hdauber@uni-kassel.de
Universität Kassel
Fachbereich Erziehungswissenschaft, Humanwissenschaften
Institut für Erziehungswissenschaft
Dr. Elke Döring-Seipel
tel: (0561) 804 3590
e-mail doering-seipel@uni-kassel.de
Universität Kassel
Fachbereich Sozialwesen
Institut für Psychologie

Media Contact

Christine Mandel idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-kassel.de

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