Neues Energiespar-Label der EU auf dem Prüfstand

Dieses Vorhaben könnte allerdings sein Ziel verfehlen, wie eine aktuelle Studie des Instituts für Ökologie und Wirtschaft der Universität St.Gallen (IWÖ-HSG) zeigt.

Die Untersuchung von Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen und Stefanie Heinzle liefert kritische Einsichten für die laufende Debatte zwischen der Europäischen Kommission, Industrieverbänden, Verbraucherorganisationen und dem Europäischen Parlament über das künftige Energielabel. Die Ergebnisse sind auch für die Zukunft der Energie-Etikette in der Schweiz relevant.

Das Energie-Label soll Verbraucher über den Energieverbrauch von Haushaltsgeräten informieren. Die unabhängige, vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Forschungsstudie „Consumer survey on the new format of the European Energy Label for televisions“ zeigt: Bei Elektrogeräten mit dem neuen Etikett spielt Energieeffizienz als Kaufkriterium eine weitaus kleinere Rolle für die Konsumenten als bei Geräten, die mit dem jetzt verwendeten Label ausgezeichnet sind. Dies steht im Gegensatz zu dem erklärten Ziel der Europäischen Union, Energieverbrauch und Emissionen nachhaltig zu senken.

Ein Opfer seines eigenen Erfolgs
Wie sein Schweizer Pendant drohte das EU Energielabel ein Opfer seines eigenen Erfolgs zu werden – immer mehr Geräte drängen sich am oberen Ende der Skala, in einigen Sortimentsbereichen sind über 80 Prozent der angebotenen Produkte mit einem A-Label versehen. Um dieses Problem zu lösen, hatte die EU-Kommission einen Vorschlag des Europäischen Dachverbands der Haushaltgerätehersteller aufgegriffen, die bestehende Skala von A bis G um drei weitere Unterkategorien zu ergänzen. Am oberen Ende der Skala soll der Konsument statt A nun zwischen „A, A-20%, A-40%, A-60%“, unterscheiden können, wobei A-60% energieeffizienter ist als das A-Rating.

Am 8. Mai 2009 wies eine Mehrheit des Europäischen Parlaments diesen Vorschlag für das Labelling von Fernsehgeräten zurück und regte an, eine Beibehaltung der bisher verwendeten A-G-Skala zu prüfen. Das Europäische Parlament hat die Kommission ersucht, bis 30. September 2009 einen überarbeiteten Vorschlag vorzulegen. Die Umsetzung des bisherigen Vorschlags für ein neues Energielabel-System für TV-Geräte würde laut der neuen Untersuchung des IWÖ-HSG nicht nur Unklarheiten bei den Konsumenten stiften, sondern auch den Herstellern und dem Detailhandel zum Nachteil gereichen.

Neues Label zu kompliziert
Die Ergebnisse leiten die HSG-Forscher aus insgesamt 2148 Beobachtungen ab, die in einer Befragung deutscher Konsumenten zum Kauf von Fernsehgeräten gewonnen wurden. Darin wurde die Hälfte der Befragten mit dem bestehenden Label (A bis G) konfrontiert. Die andere Hälfte erhielt einen Fragebogen, der auf die vorgeschlagenen neuen Kategorien (A-20%, A-40%, A-60%) verwies, ansonsten jedoch identisch war. Das Ergebnis: Bei Verwendung der neuen Kategorien (A-20%) verlor das Energielabel stark an Bedeutung bei der Kaufentscheidung (von 34 auf 24 Prozent) und die Teilnehmer orientierten sich stärker am Preis, dessen Bedeutung von 35 auf 44 Prozent stieg, als an der Energieeffizienz. Konkret betrachteten die Konsumenten z.B. den Unterschied zwischen A-40% und A-20% im neu vorgeschlagenen System als signifikant geringer als die Differenz zwischen A und B im alten System, obwohl dieser Unterschied de facto eine ähnliche Differenz im zugrunde liegenden Energieverbrauch widerspiegelt.

„Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass das Festhalten am etablierten, unkomplizierten und leicht verständlichen Format des A-G-Labels sinnvoll ist“, sagt Prof. Rolf Wüstenhagen. Ein System von fein abgestuften Variationen der A-Kategorie würde die Verbraucher verwirren und den EU-Zielen von weniger Energieverbrauch entgegenwirken, fasst der HSG-Forscher die Ergebnisse der Befragung zusammen.

Zahlungsbereitschaft nimmt ab
Der Befragung zufolge sind Verbraucher bereit, für höhere Effizienz auch einen höheren Preis für Haushaltsgeräte zu entrichten: Bei der Verwendung des alten Labelsystems waren die Befragten bereit, 18 Prozent mehr für ein energieeffizientes Produkt (also ein Fernsehgerät der Kategorie A gegenüber einem mit dem B-Label) zu bezahlen, was einem Mehrpreis von 132 Euro entspricht, den der Kunde zu zahlen willens war. Die Teilnehmer in der Gruppe mit dem neuen System (A-20%) waren hingegen nur bereit, für ein energieeffizientes Produkt 4 Prozent, also 28 Euro, mehr zu bezahlen.
Nicht im Interesse der Industrie
Wie die Ergebnisse der Studie nahelegen, läge ein neues Labelsystem auch nicht im besten Interesse der Elektronikindustrie. Denn es würde dieser nicht gestatten, die erhöhte Zahlungsbereitschaft der Verbraucher für klar erkennbare energieeffiziente Produkte abzuschöpfen. „Die neue Etikettierung könnte zur Vernichtung von Marktwert bei den TV-Herstellern und im Detailhandel führen“, führt Prof. Wüstenhagen aus. Bei einem jährlichen Absatz von acht Millionen Fernsehgeräten und einer konservativen Einschätzung des Zahlungsbereitschaftsunterschieds zwischen den beiden Labelsystemen könnte die neue Etikettierung die Detailhändler um Einnahmen in der Höhe von mehreren hundert Millionen Euro bringen.

Laut dem Koordinator des Forschungsprojekts, Dr. Klaus Rennings vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, sollten die Innovationen im EU-Energielabel durch eine dynamische Anpassung der Kriterien zur Qualifikation für die besten Rankings und nicht durch die Erfindung neuer Kategorien berücksichtigt werden. „Damit bliebe die einfache Struktur für den Konsumenten unberührt. Sollte man sich dennoch zu einer Einführung der neuen Kategorien entschliessen, wäre eine sorgfältige Informationskampagne für die Kunden erforderlich“, sagt Klaus Rennings.

Kontakt für Rückfragen:
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen, Institut für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG), Universität St.Gallen

E-Mail: rolf.wuestenhagen@unisg.ch, Mobil: +41 76 306 43 13

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