M&A-Trends in der Pharma- und Biotech-Branche: Analyse eines Geschäftsmodells

Dass dieser jüngste Trend schnell mit der allgemeinen Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden Kreditknappheit in Verbindung gebracht wird, liegt auf der Hand. Und doch ist dies sicherlich nicht der einzige Faktor, der hier eine Rolle spielt.

Gerade auf die Pharmariesen hat sich der Druck in den letzten Jahren immer weiter verstärkt, und ihr Wert ist zusehends gesunken. Dafür ist nicht zuletzt der traditionelle Kampf an unterschiedlichen Fronten verantwortlich, den die Unternehmen führen müssen und der häufig nicht von Erfolg gekrönt ist. Dabei geht es um den auslaufenden Patentschutz für Blockbuster-Medikamente, regulatorische Hürden, den Wettbewerb mit Generika-Herstellern, ineffiziente Ressourcennutzung oder austrocknende Produkt-Pipelines infolge geringer F&E-Aktivitäten, um nur einige Problembereiche zu nennen. Vor diesem Hintergrund war die jüngste Wirtschaftskrise dann quasi nur noch der letzte Auslöser für Fusionen und Übernahmen im großen Stil.

„Attraktivste Übernahmeziele sind nach wie vor Pharmafirmen mit aussichtsreichen Wirkstoffentwicklungspipelines und geringem Risiko für auslaufende Patente,“ so lautet die Einschätzung von Senior Research Analyst S. Priyan von Frost & Sullivan (http://www.frost.com). Diese beiden Kriterien spielten beispielsweise die Hauptrolle bei der Übernahme von Schering-Plough durch Merck & Co.: Schering-Plough, deren Portfolio hauptsächlich aus biologischen Präparaten besteht, verfügt derzeit über 18 Phase-III-Medikamente, und ihre wichtigsten Patente laufen noch lange nicht aus.

Die wahre Motivation für derartige Fusionen bleibt jedoch unklar, da sich damit in der Vergangenheit keine substanziellen Steigerungen der F&E-Aktivitäten erzielen ließen. Zudem ist abzusehen, dass solche Mega-Deals weitere M&As nach sich ziehen werden, da einige der Nicht-Kernbereiche der akquirierten Firmen wieder ausgegliedert werden müssen. So veräußerte beispielsweise Sanofi nach dem Merger mit Aventis die Rechte am Krebsmittel Campto an Pfizer und die Rechte an den Thrombosemitteln Arixtra und Fraxiparine an GlaxoSmithKline.

Eine deutliche Konsequenz dieser raschen Konsolidierung in der Pharmaindustrie ist die höhere Verhandlungsmacht der Großunternehmen gegenüber den Versicherungen und Regierungen. Folglich ist damit zu rechnen, dass jeder neue Schritt in diese Richtung zu einer zusätzlichen Stärkung des Pharmakartells und damit zu einer weiteren Entmachtung der Patienten führen dürfte. Gopinathan geht davon aus, dass die Pharmariesen momentan ihre Finanzkraft für weitere Superdeals überprüfen, wobei weitere Aktivitäten vor allem von BMS, AstraZeneca, Sanofi-Aventis, GSK, Novartis und J&J ausgehen dürften.

Modell biologische Blockbuster

Neben dem starken Konsolidierungstrend zeichnet sich in der Branche noch eine weitere Entwicklung ab: die zunehmende Fokussierung der Pharmagiganten auf das Thema Biotech. „Über den Wandel des Ertragsmodells dieser Konzerne und der Verlagerung weg vom gängigen Blockbuster-Modell in Richtung der so genannten „niche busters“, also auf kleine Zielmärkte ausgerichtete Medikamente, ist schon viel geschrieben worden“ so Gopinathan. „Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es gerade das Blockbuster-Modell war, das der Pharmabranche zu ihrer Größe verholfen hat. So haben die Blockbuster in der Vergangenheit sowohl zum Umsatz als auch zum Reingewinn einen signifikanten Beitrag geleistet, und es ist unwahrscheinlich, dass die Branche dieses erfolgreiche Konzept in naher Zukunft aufgeben wird.“ Viel wahrscheinlicher ist hier eine Schwerpunktverlagerung von kleinmolekularen auf biologische Blockbuster. Medikamente wie Rituxan, Avastin oder Enbrel haben das Potenzial biologischer B lockbuster bereits unter Beweis gestellt. In großen Wachstumsmärkten wie Onkologie, Autoimmunerkrankungen oder ZNS hat man die immensen Chancen für Biologika bereits erkannt, was zu einer Intensivierung der F&E-Aktivitäten in diesen Bereichen geführt hat. Die Herstellung und Kommerzialisierung von Biosimilars (bioähnlichen Produkten) ist im Vergleich zu kleinmolekularen generischen Medikamenten relativ aufwändig, wodurch sich die Bedrohung durch Generika verringert. Weitere wichtige Argumente für den Zusammenschluss mit Biologika-Herstellern sind der Mehrwert, der sich aus den neuartigen Technologien und dem Pool an wissenschaftlichen Fachkräften ergibt, sowie das interessante Produktportfolio dieser Firmen. In jüngster Vergangenheit waren in der Pharma-Biotech-Arena M&A-Aktivitäten unterschiedlichen Umfangs zu beobachten. Aktuelle Beispiele für das große Interesse der Pharma-Akteure sind die Übernahme von MedImmune durch AstraZeneca, von Organon Biosciences durch Schering-P lough, von Scios durch Johnson & Johnson, von Serenex & CovX durch Pfizer, von Domantis durch GSK, von NovaCardia, Abmaxis, GlycoFi & Sirna Therapeutics durch Merck & Co., von Mirus Bio Corporation durch Roche sowie der Kauf der restlichen 44 Prozent der Roche-Tochter Genentech durch den Mutterkonzern.

Parallel zum großen Schwung an neuen Fusionen und Übernahmen im Biotech-Sektor werden bereits bestehende Partnerschaften und Allianzen mit Biotech-Firmen durch direkte Akquisitionen weiter verfestigt. So hatte beispielsweise Merck & Co. vor der Übernahme von GlycoFi bereits eine Partnerschaft etabliert, und Genzyme hatte vor der Akquisition durch Bioenvision gemeinsam mit diesem Unternehmen ein Krebsmedikament entwickelt. Ebenso verfügten AstraZeneca und Pfizer im Vorfeld der jeweiligen Übernahmen über Lizenzvereinbarungen mit Cambridge Antibody bzw. mit Meridica.

Der Vorteil solcher Umwandlungen von Allianzen in Akquisitionen ist die kulturelle Kompatibilität,“ meint Gopinathan. „Und die beim Käufer bereits vorhandenen Kenntnisse über Produkte und Strukturen beim Übernahmekandidaten bilden eine gute Grundlage für die künftige Zusammenarbeit.“ Daraus lässt sich schließen, dass Biotech-Unternehmen mit bestehenden Allianzen und Lizenzvereinbarungen willkommene Akquisitionsziele sind, wobei vor allem letzteres Kriterium in Zeiten knapper Kredite immer mehr an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig hat die Kreditklemme bei vielen Biotech-Firmen zu einem Wertverfall von rund 30 Prozent geführt, was gerade kleine und mittelständische Unternehmen zum leichten Übernahmeziel macht, da diese zudem unter Schuldenlasten und einem Mangel an Neuemissionen leiden.

„Neben weiteren Fusionen und Übernahmen im Pharma-Biotech-Bereich ist in den nächsten Jahren auch mit einer Vielzahl an M&A-Deals zwischen einzelnen Biotech-Unternehmen zu rechnen“ Gopinathan weiter. „Das liegt vor allem am potenziellen Markteintritt von Biogenerika/Biosimilars, aber auch an der Notwendigkeit großer Biotech-Firmen, durch neue Produkte und den Ausbau ihrer Produktlinien ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“ So verschaffte sich beispielsweise Genzyme durch die Übernahme von AnorMED Zugang zum Stammzellentransplantationsprodukt Mozobil. Amgen erweiterte durch die Akquisition von Ilypsa & Alantos Pharmaceuticals ihr Portfolio um die Bereiche Nierenerkrankungen, Diabetes und Entzündungskrankheiten. Gilead Sciences übernahm Myogen, um auf deren Blutdrucksenker zugreifen zu können, und auch die jüngste Akquisition von CV Therapeutics durch Gilead Sciences für 1,40 Milliarden US-Dollar macht das große Interesse großer Biotech-Firmen an Mega-M&As deutlich. Und denno ch gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Biotech-Riesen wie Gilead Sciences, Biogen-Idec, Celgene oder Genzyme wiederum von Pharmagiganten geschluckt werden.

Nachhaltiges Geschäftsmodell für Biotech

Angesichts des fortschreitenden Trends zur Übernahme von Biotech-Firmen, die über Produkte im Früh- oder Spätstadium der klinischen Entwicklung verfügen, scheinen für kleinere und mittlere Biotech-Unternehmen kaum Möglichkeiten zu bestehen, sich nach dem Vorbild von Amgen oder Biogen-Idec zu voll integrierten Playern zu entwickeln. Außerdem gilt die Akquisition bei Risikokapitalgebern, über die sich die meisten Start-ups in der Biotech-Branche finanzieren, als rentable Exit-Strategie. Ironischerweise gelingt dem Management vieler Biotech-Unternehmen jedoch kein profitabler Exit. Folglich ist es gerade für mittelständische Biotech-Firmen unerlässlich, dass ihr Management über das entsprechende Know-how für einen rechtzeitigen Ausstieg verfügt. So konnte beispielsweise Immunex aufgrund von Schwierigkeiten in der Produktion kein Kapital aus seinem Lead-Produkt Enbrel schlagen und wurde schließlich an Amgen verkauft, die über das erforderliche Produktions-Know-how verfügte. Ähnli ch gelang es ICOS nicht, den Umsatz mit Cialis zu steigern, und musste dafür auf die Marketing-Erfahrung von Eli Lilly zurückgreifen. Aktuelle Beispiele für erfolgreiche Exits sind MedImmune und CV Therapeutics, die für 15,6 Milliarden US-Dollar von AstraZeneca bzw. für 1,4 Milliarden US-Dollar von Gilead Sciences übernommen wurden.

Möglicherweise sollte das Management kleiner Biotech-Unternehmen also den Geschäftsstrategien von MedImmune und CV Therapeutics folgen und weniger denen von Amgen oder Genzyme. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass es aufgrund ihrer flexiblen und von unternehmerischem Denken geprägten Arbeitskultur geraden den kleinen, forschungsbasierten Biotech-Firmen gelingt, wissenschaftliche Top-Talente zu gewinnen. Daher würde jeder Versuch, solche Mitarbeiter quasi gewaltsam in ein rein gewinnorientiertes multinationales Pharmaunternehmen zu integrieren, zu ihrer Demoralisierung und letztlich Demotivierung führen. Stattdessen sollten Pharmakonzerne einmal akquirierte Biotech-Firmen als unabhängige Geschäftseinheiten mit Schwerpunkt Forschung weiterführen und lediglich für die Vermarktung der resultierenden Produkte zuständig zeichnen.

Über die aufgezeigten Trends hinaus ist mit einer zunehmenden M&A-Aktivität zwischen vertikalen Märkten zu rechnen. So dürfte zum Beispiel die Verlagerung auf personalisierte Medizin dazu führen, dass Diagnostikunternehmen ihr Augenmerkt verstärkt auf molekulare Biomarker und Genomik richten.

Gopinathans abschliessendes Fazit: „Die Pharmaindustrie sollte die Gelegenheit nutzen, weitere kleinere und mittelständische Biotech-Firmen zu übernehmen, statt sich auf Mega-Deals mit großer Außenwirkung zu konzentrieren. Davon würde nicht nur die angeschlagene Biotech-Branche profitieren, sondern letztlich auch der Pharmamarkt.“

Bei Interesse an weiteren Informationen zu Frost & Sullivans Studien zum Pharma- und Biotechnologiemarkt wenden Sie sich bitte unter Angabe Ihrer vollständigen Kontaktdaten an Katja Feick – Corporate Communications (katja.feick@frost.com).

Über Frost & Sullivan
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Seit über 45 Jahren in unterschiedlichen Branchen und Industrien tätig, verfügt Frost & Sullivan über einen enormen Bestand an Marktinformationen und unterhält mittlerweile 35 Niederlassungen auf sechs Kontinenten. Der Kundenstamm von Frost & Sullivan umfasst sowohl Global-1000-Unternehmen als auch aufstrebende Firmen und Kunden aus der Investmentbranche.

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